
Wirtschaft von oben #296 – Monacos Landerweiterung: So will Monaco dem Meer Platz für die teuersten Immobilien der Welt abtrotzen
Der Fürstenstaat Monaco ist ein Paradies für Superreiche. Es locken luxuriöse Shoppingmöglichkeiten, 300 Sonnentage pro Jahr sowie herausragende Sicherheitsstandards. Vor allem aber großzügige Steuerregelungen: Wer hier wohnt, zahlt weder Einkommen-, Vermögen-, Grund-, Wohn- noch Kapitalertragsteuer.
Ein Angebot, das sich viele Superreiche offenbar nicht entgehen lassen wollen. Auch dann nicht, wenn der durchschnittliche Quadratmeterpreis bei über 50.000 Euro liegt. Auf dem knapp zwei Quadratkilometer großen Landstreifen zwischen Mittelmeer und Seealpen leben schon jetzt mehr als 36.000 Menschen dicht an dicht. Die große Beliebtheit des Fürstenstaats wird somit zunehmend zum Problem: Monaco und seinen Bewohnern fehlt es nicht an Kapital, dafür aber an Platz.
Das ist auch für die Immobilienbranche herausfordernd, die zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren des Landes gehört. Nach Angaben der Statistikbehörde des Fürstentums (IMSEE) stehen Bautätigkeiten und Maklergeschäfte für je rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Doch Satellitenbilder des Stadtstaats zeigen: Freie Flächen, um zu bauen, gibt es nicht. Unterirdisch durchzieht Monaco bereits ein Netz aus Tunneln, Einkaufszentren und Garagen. Überirdisch haben Architekten in Monaco in den vergangenen Jahren vermehrt auf Hochhäuser gesetzt.
Bilder: LiveEO/Google Earth/Airbus
So etwa beim sogenannten Bayhouse, einem der wichtigsten Neubauprojekte des Fürstentums. Die beiden organisch geformten Wohntürme sind 30 Etagen hoch und bieten somit genug Platz für 56 geräumige Wohnungen. Noch effizienter wird der Platz nebenan genutzt: In das Gebäude vor den Hochhäusern wurde die internationale Privatschule von Monaco umgesiedelt. Satellitenbilder zeigen: Auf dem Schuldach wurden fünf Villen gebaut. Sie bieten 1500 Quadratmeter Wohnraum, eine Dachterrasse mit Meerblick – und einen sehr kurzen Schulweg. 130 Millionen Euro waren die Bewohner laut „The Times“ bereit, dafür zu zahlen.
Doch in Monaco wird nicht nur nach unten und oben gebaut, sondern auch auf das Meer hinaus. Seit Jahrzehnten wird hier die Immobilienfläche durch Aufschüttungen im Ozean vergrößert. Mithilfe solcher Landerweiterungen konnte der Stadtstaat über die Jahre mehr als 40 Hektar Land hinzugewinnen, auf historischen Satellitenbildern lässt sich die Erweiterung der Küstenlinie deutlich erkennen.
Bilder: LiveEO/LandSat, LiveEO/Google Earth/Airbus
Die zwei bislang größten Landerweiterungen stammen aus dem 20. Jahrhundert: In den 1960er-Jahren entstand in Monacos Osten direkt unterhalb der Luxusstraße Avenue Princesse Grace das Stadtviertel Larvotto mitsamt gleichnamigem Kiesstrand. In den 1970er-Jahren wiederum wuchs im Süden des Stadtstaates das 23 Hektar große Stadtviertel Fontvieille heran. Heute steht dort unter anderem das Stadion der monegassischen Fußballmannschaft AS Monaco.
In den letzten Jahren stand die dritte maßgebliche Veränderung der Küstenlinie an: Vor der Küste des Stadtbezirks Monte-Carlo wurde mit 750.000 Tonnen Sand ein neues, sechs Hektar großes Viertel aufgeschüttet. Die künstliche Halbinsel trägt den Namen Mareterra – eine Mischung aus den italienischen Begriffen Meer und Erde. Anfang des Monats feierte der neue Stadtbezirk seine Eröffnung.
Auf Satellitenbildern lassen sich die imposanten Luxusimmobilien mit – für monegassische Verhältnisse – üppigen Außenanlagen gut erkennen. Zahlreichen Berichten zufolge handelt es sich um die teuersten Immobilien der Welt. Darüber, was die Bewohner genau bezahlt haben dürften, wird wild spekuliert. Vertrauenswürdige offizielle Zahlen gibt es nicht.
Fest steht: Am meisten bezahlt haben die Bewohner der freistehenden Villen mit Dachterrasse, Garten und Pool. Erreicht werden können die Villen über eine unterirdische Straße und eine Tiefgarage – das ermöglicht Exklusivität und eine weitestgehend autofreie Halbinsel.
Das Hauptgebäude des neuen Viertels hat der italienische Stararchitekt Renzo Piano entworfen. Im oberen Teil des Hochhauses befinden sich Wohnungen, der Unterbau bietet Platz für Restaurants und Geschäfte. Davor befindet sich der quartierseigene Yachthafen mit 16 Anlegestellen für kleinere Boote. Dort startet die etwa 500 Meter lange Promenade mit Flaniermeile, die der Öffentlichkeit zugänglich ist. Das gilt auch für den bewaldeten Hügel des Viertels. Insgesamt wurden auf Mareterra fast 1000 Bäume gepflanzt.
Bilder: LiveEO/Google Earth/Airbus
Die Bauarbeiten für das neue Wohnviertel starteten schon im Jahr 2017. Vor der eigentlichen Landerweiterung wurden 510 Quadratmeter geschütztes Seegras verpflanzt, Muscheln umgesiedelt und künstliche Riffe angelegt. Monacos Fürstenfamilie will mit Mareterra beweisen, dass die Landerweiterungen ökologisch verträglich sind. Französische Umweltschutzorganisationen hatten kritisiert, dass durch den bis zu 50 Meter tief ins Meer reichenden Bau Lebensraum von Tieren zerstört werde.
Nach der Umsiedlung begannen Spezialschiffe, den Meeresgrund in bis zu 40 Meter Tiefe auszubaggern. Später wurde ein neuer Landsockel aus Beton gegossen. In dessen Fundament wurden später mehrere Betonkästen gesetzt und der Zwischenraum schließlich mit Sand gefüllt.
Allein die Landerweiterung soll gut eine Milliarde Euro gekostet haben. Die Baukosten für das Viertel werden auf mindestens eine weitere Milliarde Euro geschätzt. Finanziert wurde das Projekt von mehreren vermögenden Familien aus dem Fürstentum. Bankkredite sollen sie dafür nicht in Anspruch genommen haben. Laut den Verantwortlichen handelt es sich um das größte Immobilienprojekt in Europa, das vollständig privat finanziert wurde.

Als teuerstes Apartment von Monaco galt bislang das 3300 Quadratmeter große Penthouse des Tour Odéon. Das Hochhaus wurde 2015 am Felshang im Nordwesten des Stadtstaats gebaut. Auf Satellitenbildern lassen sich auf dessen Dachterrasse ein großer Pool samt eigener Wasserrutsche erkennen.
Knapp 400 Millionen Dollar soll das Apartment wert sein. In Monacos Immobilienbranche geht man offenbar davon aus, dass die Villen in Mareterra teurer sein dürften. Für Transparenz ist die monegassische Immobilienbranche nicht bekannt – im Gegenteil.
Berichte über mutmaßlich dubiose Machenschaften und Finanzströme nehmen dem luxuriösen monegassischen Immobiliensektor immer wieder den Glanz. Im Sommer vergangenen Jahres entließ Fürst Albert II. im Zusammenhang mit einer Korruptionsaffäre den obersten Finanzberater sowie den Kabinettschef des Palasts.
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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.












