
Wirtschaft von oben #298 – Solarenergie in China: Hier entsteht das weltweit größte Solarkraftwerk auf See
Punkt, Punkt, Strich, Punkt: Aus dem All wirkt es, als male ein Riese einen Morsecode ins Meer. Doch was in diesen Tagen Stück für Stück vor der Küste der ostchinesischen Stadt Dongying entsteht, ist das weltweit größte Solarkraftwerk auf See. Ein Gigawatt Leistung soll die gigantische Fotovoltaikanlage in voller Ausbaustufe liefern und genug Strom für gut 2,6 Millionen Menschen erzeugen.
Es ist der Auftakt zur einer gewaltigen Offshore-Solarinitiative. Gerade hat die chinesische Provinz Jiangsu den Plan vorgestellt, 60 Solarprojekte im Meer mit einer Leistung von zusammen 27,25 Gigawatt zu bauen, zehn Gigawatt davon schon bis zum Jahr 2027. Auch in der Nordsee sind Offshore-Solarkraftwerke geplant, erste Testanlagen sind schon in Betrieb.
Forscher und Energiekonzerne wie RWE verfolgen damit einen Plan: Sie wollen riesige Meeresflächen für die Energieerzeugung erschließen, etwa den Platz zwischen Offshore-Windrädern, wo bereits teure Stromleitungen gen Land führen.
Bilder: LiveEO/Sentinel
Bei den Projekten in China sind die Anlagen mit Pfählen fest im Meeresboden verankert. Dazu sind eine Reihe von Kränen auf Spezialplattformen und zahlreiche Arbeitsschiffe seit Monaten im Einsatz. Das Kraftwerk in Dongying wird aus 2934 Stahlelementen zusammengesetzt. Jedes ist 60 Meter lang und 35 Meter breit. Insgesamt erstreckt sich das maritime Kraftwerk über eine Fläche von mehr als 1200 Hektar.
Nur einige Kilometer weit entfernt, vor der Küste der chinesischen Stadt Zhaoyua, sind Bauarbeiter ebenfalls schwer beschäftigt. Dort entsteht südlich von einer künstlichen Insel, die seit 2011 gebaut worden ist, ein weiteres großes Offshore-Solarkraftwerk mit einer Leistung von 400 Megawatt. Unweit des Kernkraftwerks in Tianwan soll sogar eine Meeressolaranlage mit zwei Gigawatt Leistung entstehen.
Bilder: LiveEO/Sentinel
Das Kraftwerk in Dongying soll mehr als 500.000 Tonnen Kohle im Jahr ersetzen und damit CO2-Emissionen in Höhe von 1,34 Millionen Tonnen einsparen. Wie sich allerdings die Pfahl-Konstruktion auf die Meeresbiologie auswirkt und ob Naturschutzmaßnahmen bei dem Projekt eine Rolle spielen, dazu äußert sich der Betreiber CHN Energy in seiner Projektankündigung nicht.
Weniger Eingriffe in den Meeresboden dürfte es jedenfalls bei schwimmenden Solaranlagen geben, wie sie nun ebenfalls auf dem Meer gebaut werden: Im Küstenindustriepark in Taiwans Landkreis Changua ist in den vergangenen Jahren ein Solarkraftwerk entstanden, das nur mit Ankern vor dem Davontreiben bewahrt wird.
Für kurze Zeit war es, bevor die Projekte in China in Bau gingen, die größte Offshore-Solaranlage der Welt.
Sie soll genug Strom produzieren, um 74.000 Haushalte zu versorgen. Verborgen hinter einer künstlichen Halbinsel, ist das Kraftwerk vor den größten Wellen und Stürmen besser geschützt als weit draußen auf offener See.
Bilder: LiveEO/Google Earth/Maxar, LiveEO/Google Earth/Airbus
Doch auch in die offene See sollen schwimmende Solarkraftwerke bald aufbrechen. Im Juli etwa haben der Energiekonzern RWE und das niederländisch-norwegische Unternehmen Solarduck zu Testzwecken eine schwimmende 0,5-Megawatt-Anlage zwölf Kilometer vor der niederländischen Küste bei Scheveningen installiert. Die Solarmodule sollen auf der Plattform mehrere Meter über dem Wasser schwimmen und sich mit den Wellen mitbewegen.
Das niederländische Start-up Ocean of Energy wiederum betreibt seit dem Jahr 2019 eine kleine Testanlage in der Nordsee und bereitet gerade eine größere vor, die zwischen den Windrädern eines Offshore-Windparks installiert werden soll. Zusammen mit 15 Partnern aus Forschung und Industrie entwickelt das Start-up eine Art standardisierten Offshore-Solarbaustein, der genau zwischen vier Offshore-Windräder passen soll. Forscher haben berechnet, dass sich Wind- und Solarkraftwerke im Meer gut ergänzen können. So sollen sie etwa die bereits installierten Stromleitungen besser auslasten. Das könnte den Bau größerer schwimmender Solarkraftwerke lukrativ machen.
Manche Experten sehen noch viel Arbeit auf die Ingenieure zukommen. „Die Herausforderungen sind enorm, einen Entwicklungsstand zu erreichen, der wettbewerbsfähig ist mit anderen erneuerbaren Energien bei Kosten, Energieerträgen und Zuverlässigkeit“, heißt es einer Studie der Wirtschaftsagentur RVO des niederländischen Ministeriums für Wirtschaft und Klimapolitik.
Die Solarunternehmen sehen Stürme, Wellen und Salzwasser hingegen als Herausforderungen, die sich meistern lassen. Auch die niederländische Regierung setzt schon große Hoffnung auf die Technik: Zum Jahr 2030, so ihr Ziel, sollen drei Gigawatt Leistung an schwimmender Fotovoltaik vor der niederländischen Küste installiert sein.
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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.












