Wirtschaft von oben #300 – Saudi-Arabien: Hier entsteht der größte Stadtpark der Welt – mit Hilfe aus Dortmund
Riad putzt sich raus. Überall in der Hauptstadt des saudischen Ölstaats entstehen Grünflächen, Unterhaltungstempel und Sportanlagen. Das Herzstück ist aus dem All erkennbar: Der King Salman Park ist fünfmal so groß wie der New Yorker Central Park – noch allerdings voller Sandhaufen.
Aktuelle Satellitenbilder von LiveEO zeigen, wie sich das Gelände in den vergangenen Jahren vom Militärflughafen zu einer Großbaustelle gewandelt hat. Einige Museen sind bereits fertig. Noch aber prägen sandiger Boden, Baufahrzeuge und Kräne das Bild wie ein Loch mitten in Riad.
Das Dortmunder Architekturbüro Gerber leitet das Riesenprojekt in einem Joint Venture mit zwei internationalen Ingenieurbüros. Das Investitionsvolumen beträgt nach saudischen Angaben 23 Milliarden Euro. „Es ist ein Pilotprojekt zu der Frage, wie man die Wüste begrünen kann“, sagt Büroinhaber und Geschäftsführer Eckhard Gerber im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. In wenigen Jahren soll der Park grün erstrahlen, ein Biotop mitten in der Wüste.
Saudi-Arabien will unter Kronprinz Mohammed bin Salman nicht nur dem internationalen Publikum etwas bieten, das zur Expo 2030 und der Fußball-WM vier Jahre später kommen soll. Auch den Einwohnern tut eine grüne Oase wohl gut.
Das Abwasser der Menschen wird aufbereitet, entsalzt und in angelegte Kaskaden und Bäche im Park geleitet. 30 Millionen Pflanzen, 800 Sorten aus der ganzen Welt finden im Park ein neues Zuhause. Der Scheich setzt seine Ölmilliarden für Biodiversität und Klimaresilienz ein.
Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Pleiades, LiveEO/Pleiades-Neo
Der Park entsteht auf einem alten Flughafengelände. Die Aufnahmen des gesamten Areals von oben veranschaulichen das Ausmaß der Veränderung in den vergangenen zehn Jahren. Zu Stoßzeiten waren Eckhard Gerber zufolge 30 Subunternehmer, mehr als 800 Ingenieure und Landschaftsplaner beschäftigt.
Ein Kernstück des Parks ist der Königliche Kunstkomplex. Der Ausschnitt zeigt, wie im Ende August 2021 eigens eine Straße verlegt wurde, um einen Tunnel zu erweitern, der dann später den gesamten Verkehr unter dem Park hindurchleiten soll. 2022 waren die Bauarbeiten für das Museumsdreieck in vollem Gange. Das Gebäude mit dem spitz zulaufenden Dach beheimatet das Museum der Kulturen der Welt.
Neben der ehemaligen Straße entsteht heute ein Amphitheater. Die kreisrunde Struktur (Loop), die sich auf dem aktuellsten Bild andeutet, wird den eigentlichen Park mit seinen Grünflächen und Gewässern umschließen, eine sieben Kilometer lange Promenade.
Bilder: LiveEO/Google Earth
Die Vorarbeiten für diese Kaskaden und Bäche sind auf dem neuesten Satellitenbild gut erkennbar. Das Gelände wird verschiedene Ebenen haben, mit bis zu 36 Metern Höhenunterschied, der einen weiten Blick über den Park und Wasserfälle ermöglicht. All dies soll die Menschen zusammenbringen, ungestört, im öffentlichen Raum. Die sternförmigen Zipfel des Parks werden neue Wohnquartiere, so die Planung.
Für Vergnügungsprogramm ist anderer Stelle in Riad längst gesorgt. Unweit der noch brach liegenden Grundstücke für Stadion und Rekordgebäude ist in den vergangenen Jahren ein Boulevard mit Kino und Wasserspielen, Bühnen und Freizeitpark entstanden. Von Anfang bis Mitte Dezember 2024 fand nebenan die UN-Klimakonferenz zur Bekämpfung der Wüstenbildung statt.
Riad gilt als Finanzzentrum Saudi-Arabiens. Der 2015 gestorbene Vorgängerkönig hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Zentrum auch gebündelt abzubilden, mit einem Distrikt für Banker und Investoren. Die Satellitenbilder zeigen, wie das Vorhaben seit 2009 Gestalt annahm, mit dem Tod des Herrschers dann aber an Bedeutung einbüßte.
Bilder: LiveEO/Google Earth
Wie viele der Bauprojekte im Superlativ, die der Ölstaat in den vergangenen Jahren angeschoben hat, ist auch der King Salman Park verspätet, um anderthalb Jahre. Das gigantische Wohngebäude The Line für neun Millionen Einwohner, das sich einmal quer durch die Wüste zieht, ist ins Stocken geraten. Und vom angekündigten voluminösesten Gebäude der Welt ist noch nichts zu sehen. Der Standort dafür liegt im Norden Riads, neben dem Grundstück für eine der WM-Arenen.
„Alle arbeiten mit Hochdruck“, sagt Thomas Lücking, der Geschäftsführer von Geber International, verantwortlich für den King Salman Park. Die Bauunternehmer hätten immer wieder Verständnisfragen. Viele davon ließen sich „durch die genaue Kenntnis der Planung selbst beantworten“, berichtet Lücking. „Da muss man dann sagen: Das steht da und da auf Seite 7352, guck nach.“ Eine Schwierigkeit bleibt das Klima. „Pflanzen kann man nur zwischen November und März, nicht in der heißen Saison“, erklärt Lücking. In den heißen Monaten gingen die Pflanzen sofort ein. Etwas außerhalb des Parks stehen Gewächshäuser, in denen sich die hergebrachten Pflanzen akklimatisieren müssen. Das niedersächsische Unternehmen Bruns Pflanzen berät den saudischen Staat in diesen Fragen.
Mohammed bin Salman, Sohn des Königs und regierende Herrscher, propagiert den Aufbruch, fördert Kunst und Kultur, steht aber im Westen auch immer wieder in der Kritik wegen seines autoritären Auftretens gegenüber Kritikern, etwa der mutmaßlich von ihm befohlenen Mord am Journalisten Jamal Khashoggi. Betreibt er hier nicht auch etwas Greenwashing? Ist das Ganze nicht etwas arg überdimensioniert, so mitten in der Wüste? „Das ist eine typische deutsche Journalistenfrage“, kommentiert Lücking. Saudi-Arabien habe „eine unglaubliche Dynamik entwickelt. Die jüngere Bevölkerung erlebt das als absolute Befreiung ihrer Lebensumstände.“
Früher sei das Leben der Menschen durch die Religionspolizei „sehr eingeschränkt“ gewesen. „Jetzt erlebe ich eine absolute Begeisterung dafür, was alles möglich ist.“ Und weiter: „Wir könnten uns eine dicke Scheibe davon abschneiden, wie schnell Dinge umgesetzt werden und welche Lust da ist, ins Leben zu gehen und etwas zu bewirken.“
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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.