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Die von der Vogelgrippe betroffene Center Fresh Egg Farm in Sioux Center, Iowa.

Foto: LiveEO/Sentinel-2

Wirtschaft von oben #311 – Vogelgrippe in den USAHier verscharren US-Eierbauern Millionen infizierte Hühner

Die Vogelgrippe setzt seit Monaten US-Landwirten zu – und wird für Donald Trump zum Problem. Satellitenbilder geben einen Eindruck vom schieren Ausmaß. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.Katharina Kalinke 22.03.2025 - 09:29 Uhr

In den USA werden die Eier knapp: Die Vogelgrippe rafft Millionen von Legehennen dahin, fehlen die Hühner, fehlen auch die Eier. Nun hat Donald Trump sogar europäische Länder wie Dänemark und Deutschland um Hilfe gebeten – um Eier. Eigentlich stiftet der US-Präsident gerade geo- wie auch wirtschaftspolitische Konflikte mit diesen Ländern an. Doch die Eier-Knappheit treibt die Lebensmittelpreise, die Inflation – und die Wut vieler Amerikaner auf ihren Präsidenten.

Aktuelle Satellitenbilder von LiveEO zeigen nun, wie Landwirte Millionen tote Hühner und kontaminiertes Material vergraben. Das US-Landwirtschaftsministerium hat seit 2022 mehr als 160 Millionen Erkrankungen bei domestizierten Vögeln registriert. Hinter den Kulissen überwachen und desinfizieren Behörden wie Bauern Transportwege, Produktionsanlagen und Hühnerställe, testen kranke Tiere und Menschen. Mit Trumps Amtsantritt und seinen angeordneten Kürzungen für staatliche Einrichtungen versinken die zuständigen Behörden im Chaos, auch deshalb fehlen Daten über das aktuelle Infektionsgeschehen.

Mittlerweile breitet sich das H5N1-Virus selbst unter Kuhherden aus, sodass Kalifornien eine Notlage ausgerufen hat. Auch auf erste Menschen ist der Erreger übergesprungen – wird als nächster potenzieller Kandidat für eine Pandemie gehandelt. Mit Sorge blickt die Welt auf die USA, während die die Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO, die die weltweite Pandemieprävention koordiniert, beendet hat.

Derweil stürzt die Situation US-Eierproduzenten in die Krise. Denn gelangt das hochansteckende H5N1-Virus in einen Hühnerstall, bedeutet das den sicheren Tod für die Tiere: Sie verenden an der Krankheit oder werden gekeult, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.

Anfang Januar erwischte es einen Betrieb des zweitgrößten US-Eierproduzenten Rose Acre Farms in Seymour, Indiana – und 2,6 Millionen Legehennen. Die Cort Acre Egg Farm liegt umgeben von Feldern nahe der Ortschaft Seymour, Indiana. Aus dem All ist die Farm auf Satellitenbildern gut zu erkennen: die hellen Dächer der rund 160 mal 20 Meter großen Stallungen, 32 an der Zahl, stechen in ihrer Fläche aus der braungrünen Umgebung hervor.

Nahe der Cort Acre Egg Farm, Seymour, Indiana, USA

23.02.2024 (linkes Bild): Dieser Ort wurde als Grabstelle für die 2,6 Millionen toten Hühner der Cort Acre Egg Farm gewählt: Zwar liegt er fünf Kilometer Luftlinie entfernt von der Farm, in unmittelbarer Nähe gibt es aber keine potenziell gefährdeten Hühnerhöfe.
06.03.2025 (rechtes Bild): Bagger haben ein rund 160 mal 50 Meter großes Loch ausgehoben. Bagger und andere Arbeitsmaschinen verscharren die Hennen.

Bilder: LiveEO/Google Earth/Airbus, LiveEO/Up42/Airbus

Die toten Tiere wurden etwa fünf Kilometern Luftlinie entfernt auf einem Acker begraben, örtliche Medien berichteten davon. Tagelang seien die toten Tiere mit Lastwagen zu der Stelle transportiert worden. Mit dem Blick von oben wird das Ausmaß der Katastrophe deutlich: In einem Areal von etwa 160 Metern Länge und 50 Metern Breite wurden die Kadaver verscharrt. Bagger und schwere Maschinen arbeiten an dem Erdloch.

Auch gleich neben dem Hof sind Grabungen erkennbar, vermutlich um kontaminiertes Material aus den Ställen zu entsorgen. Die Aufnahme entstand kurz nach der Ausbruchsmeldung vom 28.01.2025. Die Spuren im Schnee zeichnen nach, wie Fahrzeuge zwischen den Ställen und dem angrenzenden Feld hin- und herfahren. 

Cort Acre Egg Farm, Seymour, Indiana, USA 07.01.2025: Auch direkt nördlich des Hofes sind Grabearbeiten erkennbar, vermutlich um kontaminiertes Material zu entsorgen. Die Aufnahme entstand kurz nach der Ausbruchsmeldung vom 28.01. und zeigt Spuren im frisch gefallenen Schnee. Sie führen direkt von den Ställen (2) auf ein angrenzendes Feld (1). Bulldozer haben hier den Boden in langen Bahnen aufgebrochen. Bild: LiveEO/Up42/Airbus Foto: WirtschaftsWoche

Der Betrieb steht bis auf weiteres unter Quarantäne. Um den Hof wurde ein 10-Kilometer-Kontrollareal eingerichtet, in dem Geflügelbetriebe getestet werden. Im Radius von 20 Kilometern wird verstärkt kontrolliert. Bis die Cort Acre Egg Farm wieder Millionen von Hühnern beherbergen werde, rechnet Rose Acre Farms CEO Tony Wesner mit 18 bis 24 Monaten, schreibt die lokale „Seymour Tribune“.

Die gekeulten Hühner bleiben hochinfiziös, sodass die Kadaver entsorgt werden müssen. In Deutschland werden die getöteten Tiere in entsprechenden Entsorgungsanlagen beseitigt, teilt das Friedrich-Loeffler-Institut auf Anfrage mit. „Das Vergraben von Tierkörpern ist in der Regel Ausdruck einer Sättigung solcher Einrichtungen und würde in Deutschland nur in Ausnahmefällen erwogen werden.“ Findet dies doch statt, ist das Vergraben mit hohen Auflagen verbunden, die eine Weiterverbreitung der Seuche und Umweltschäden ausschließen sollen. Auch die toten Hühner der Cort Acre Egg Farm wurden in Absprache mit den Behörden und unter Einhaltung entsprechender US-Standards begraben, teilte Rose Acre Farms mit.

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen geschieht dies immer wieder: Bereits am 28. Mai vergangenen Jahres bestätigte die Center Fresh Group einen Ausbruch in ihrem Betrieb in Sioux Center, Iowa. Den Daten des Landwirtschaftsministerium waren knapp 4,3 Millionen Hühner betroffen – etwa ein Drittel aller Legehennen des siebtgrößten Eierproduzenten in den USA. 12,5 Millionen Legehennen hat das Unternehmen, wie das Branchenmagazin „Watt Poultry“ schreibt.

Auch hier wurden die toten Tiere in einem an die Farm angrenzenden Acker verscharrt. Am Tag der offiziellen Ausbruchsmeldung gleicht das Feld seiner Umgebung: Regelmäßige Pflugrillen lassen sich erkennen.

Bilder: LiveEO/Sentinel

Wenige Tage später sind auf den Satellitenbildern frische Spuren in der Erde zu sehen: Systematisch wird die Bodendecke erst am südlichen Rand des Feldes, dann auf der linken Seite aufgebrochen, bis Ende Juni der ganze Acker in regelmäßigen Bahnen umgepflügt ist. Dort liegen die Hühner begraben, Drohnenaufnahmen der Tierschutzorganisation Mercy for Animals zeigen wie die toten Tiere Lasterweise auf das Feld gekippt wurden.

Das Grab ragt mitten im Sommer deutlich erkennbar zwischen den sattgrünen Feldern hervor. Nach dem Schreck beginnt zumindest das Erdreich wieder zu heilen: Im Laufe des Sommers bedecken erste Grünpflanzen das Areal. Im Herbst werden zumindest Teile wieder bearbeitet. Langsam verschwinden die Spuren.

Wesentlich besser gerüstet scheinen Bauernhöfe mit Weidehühnern zu sein. Supermärkte in den USA berichten, dass die Vogelgrippe bisher nur geringe Auswirkungen auf Lieferungen von den qualitativ hochwertigeren Eiern festgestellt hätten. Die ursprünglich höheren Preise für Freilandeier sind konstant – und damit teilweise günstiger als die konventionellen Eier.

Zwar besteht für Geflügel mit Ausgang ein höheres Risiko, sich mit der Vogelgrippe anzustecken. Sie leben aber auch in kleineren Gruppen. Ein Blick von oben auf einen solchen Weidehühnerhof, die Wilcox Family Farms in Roy, Washington, zeigt, wie viel weiter die Hühnerställe auf dem Gelände voneinander entfernt sind. Auch das könnte vor einer Ausbreitung des Erregers schützen.

Wie Wilcox Family Farms auf seiner Website mitteilt, müssen die Hennen wegen der aktuellen Lage in ihren Ställen bleiben. Die Hennen bekämen frische Halme nun gepflückt – die mobilen Unterkünfte werden regelmäßig verrückt, wie Satellitenaufnahmen der Farm zeigen.

Bilder: LiveEO/Sentinel

Zwar ist Vogelgrippe für Rinder kein absolutes Todesurteil, allerdings beobachtet Kalifornien dennoch hohe Todesraten von bis zu 20 Prozent. 

Das alarmiert Expertinnen und Experten. „Milchkühe sind auf Hochleistung gezüchtet, sie sind nicht nur infektanfälliger, sondern erkranken auch schwerer“, sagt Gabriel, „sie sind ein besonders vulnerabler Zwischenwirt, der den Sprung zum Menschen stark verkürzen könnte.“

Vereinzelt haben sich auch schon Personen mit H5N1 angesteckt. Die Krankheit verläuft hier meist mild, allerdings werde auch nur unzureichend getestet, kritisieren Expertinnen und Experten. Abwasseruntersuchungen deuten auf eine wesentlich stärkere Ausbreitung bei Tier und Mensch hin.

Trumps Kürzungen für staatliche Einrichtungen wie der US-Seuchenschutzbehörde CDC fällt mit einer weit verbreiteten Wissenschaftsskepsis im Land zusammen.

Für Präsident Donald Trump ist das Eier-Thema politisch heikel, hatte er doch zum Amtsantritt versprochen, die Eierpreise zu senken. Anfang März erreichte der Preis für ein Duzend große weiße Eier seine Spitze von 8,64 Dollar. Zwar sank der Preis zuletzt auf rund fünf Dollar, durchschnittlich liegt ein Eierkarton aber sonst bei etwa zwei Dollar. Mit einer schnellen Erholung der Preise rechnet das Landwirtschaftsministerium dennoch nicht: Bei den jüngsten Marktprognosen ging die Behörde von einer weiteren Preissteigerung von mehr als 40 Prozent aus. Allerdings könnten die Preissteigerungen von bis zu 200 Prozent auch an Preisabsprachen liegen, wie US-Medien berichten.

Gleichzeitig bekommen Landwirte für ihre gekeulten Geflügel Ausgleichszahlungen, was einem Affront gleicht in dem Land, das Staatsausgaben für die Bevölkerung möglichst stark reduzieren möchte.

Als Reaktion auf die Eierpreise hat Trump angekündigt, eine Milliarde US-Dollar bereitzustellen, um die Vogelgrippe zu bekämpfen. Die Hälfte des Geldes soll in Maßnahmen zur Biosicherheit fließen, weitere 400 Millionen in finanzielle Unterstützung betroffener Landwirte sowie 100 Millionen für Impfstoffforschung.

„Ein Impfprogramm könnte ein wichtiger Schritt sein, wenn es ordentlich und konsequent durchgeführt wird“, sagt Gülşah Gabriel, dabei könne die USA auch von China lernen. Dort sprang das Vogelgrippevirus H7N9 im Jahr 2013 erstmals auf Menschen über, an dem Hühner zwar nicht erkrankten, das beim Menschen aber schwere Lungenentzündungen auslöste. Damals ging von H7N9 eine große pandemische Gefahr aus. „China hat eine sehr erfolgreiche Impfkampagne durchgeführt und so eine mögliche Pandemie im Keim erstickt.“
 

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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