"Je austauschbarer das Produkt ist, desto schwerer hat es der Zulieferer gegenüber dem Hersteller", sagt Hauptmann. Wer wie Bosch oder ZF in seinem Bereich technologisch führend ist, kann auch Preise vorgeben. Hersteller von einfachen Spritgussteilen haben fast keine Chance, sich gegen das Preisdiktat zu wehren. Denn für die Zulieferer ist der Druck, in die großen Plattformen oder Baukästen zu liefern, enorm hoch - denn hier werden oft mehrere Millionen Stück pro Jahr produziert. "Ist ein Zulieferer hier nicht dabei, kann sich das deutlich in der Auslastung der Werke niederschlagen“, erklärt Jens Weise von Alix Partners.
Sprich: Lehnt er den Auftrag ab, riskiert er die finanzielle Schieflage bis hin zur Pleite. Auch Schatz hält es für unwahrscheinlich, dass sich jemals ein Zulieferer gegen einen Autokonzern zur Wehr setzt: "Keiner sägt an dem Ast, auf dem er sitzt. 99 Prozent können sagen: Wir machen das Spiel nicht mehr mit. Aber der Einhunderste wittert seine Chance und knickt ein."
Wer ablehnt, ist raus
Einige Lieferanten produzieren zu ihren Fixkosten, nur um für ein Baukastensystem zu liefern. Wer ablehnt, ist raus. "Irgendwann haben Sie mal so viel Druck", sagt ein Zulieferer, "da überlegen sie schon sehr intensiv, ob sie sich mal mit den Kollegen unterhalten." Preisabsprachen? Kein Fair-Play, klar - aber davon kann in der Branche schon lange keine Rede mehr sein.
Doch dieses Spiel hat eine unangenehme Folge: Sind alle schwachen Unternehmen aus dem Markt gedrängt, wird es nämlich selbst den Herstellern mulmig. Denn gibt es nur noch drei potenzielle Lieferanten, wird es Zeit, einen schwächeren Zulieferer zum so genannten Tier 1 aufzubauen - also zum Lieferanten der erste Garde mit Topqualität und erstklassigen Prozessen.
Zuliefererindustrie – Fakten und Trends
Die deutsche Autozulieferindustrie setzte 2013 insgesamt 70 Milliarden Euro um, weltweit machten die 300 größten Unternehmen der Branche einen Umsatz von 720 Milliarden Euro.
In Deutschland arbeiten gut 300.000 Menschen für die Zuliefererindustrie. Der Anteil an der Bruttowertschöpfung Deutschlands liegt bei rund vier Prozent.
Bis 2020 entfällt nahezu 80 Prozent des Branchenwachstums auf die Emerging Markets. Dort werden neue Kapazitäten aufgebaut und lokale Lieferanten-Strukturen gebraucht. Die Zulieferer müssen ihre Preise und Produkte diesen Märkten anpassen.
In Europa wird die Nachfrage mittelfristig stagnieren. Ein Glück für die Zulieferer bleibt das weltweit überdurchschnittlich wachsende Premiumsegment. Das dürfte dafür sorgen, dass die Produktion in den nächsten Jahren mindestens stabil bleibt.
So gründete Daimler 2001 ein Gemeinschaftsunternehmen mit der japanischen IHI-Gruppe, um eine Konkurrenz zu den Turbolader-Spezialisten BorgWarner und Honeywell aufzubauen. 2013 verkauften die Schwaben ihre Anteile an IHI Charging-Systems dann wieder für einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag an den japanischen Partner.
Und als während der Krise 2007 bis 2009 die Autoverkäufe massiv einbrachen und Zulieferer reihenweise vor der Pleite standen, investierten die Autokonzerne dreistellige Millionenbeträge, um ihre Lieferanten zu retten und die Produktion am Laufen zu halten.
Für Berater Schatz passt das nicht zusammen: "Es ist ein irrationales System, das überhaupt nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist." Die Hersteller unterhielten zum Teil 20-köpfige Monitoring-Teams, um die finanzielle Situation ihrer Zulieferer im Auge zu behalten. Stehe ein wichtiger Lieferant kurz vor der Pleite, könne der Konzern beispringen - nachdem er ihn zuvor durch seine Rabattforderungen mit in die Insolvenz getrieben habe.
Schatz wünscht sich für die Zukunft mehr Weitsicht von der Herstellern: "Es wäre für alle sinnvoll, sich wieder mehr als Partner zu verstehen. Damit wir als deutsche Autoindustrie weltweit erfolgreich bleiben."