Daimler-Truck-Vorstand Bernhard „Der vernetzte Lkw kommt schneller als das Connected Car“

Lkws, die vernetzt im Windschatten fahren, automatisch bremsen oder Frachtpapiere digital verschicken: Der vernetzte Truck soll die Straßen vor dem Verkehrskollaps retten. Im Interview spricht Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard über das Potenzial der Technologie, die Kosten und wo Deutschland noch Aufholbedarf hat.

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Vernetzte LKWs von Daimler aus der Vogelperspektive. Quelle: Presse

Wer sich als Autofahrer über die unzähligen Elefantenrennen auf der rechten und mittleren Spur aufregt, sollte künftig wohl besser auf die Bahn umsteigen: Bis 2050 wird sich der Güterverkehr auf der Straße verdreifachen – davon geht zumindest Daimler aus. Auf den ohnehin ausgelasteten Straßen droht der Verkehrskollaps.

Um diesen Kollaps zu vermeiden, setzen die Lkw-Bauer auf die Vernetzung. Damit soll man in der Vision von Daimler, Scania, Volvo und Co nicht mehr Fahrzeuge benötigen, weil man die bestehenden Trucks besser nutzen kann. Das Kalkül: Der durchschnittliche Laster verbringt nur ein Drittel seiner Zeit auf der Straße. Die meiste Zeit steht er still – am Ladeterminal, der Zollabfertigung, der Werkstatt oder schlicht im Stau. Tauschen die Trucks wichtige Informationen wie etwa den Ladestand untereinander aus, können teure Leerfahrten vermieden werden – und damit auch ein Teil des Verkehrsproblems.

Selbst beim Spritsparen auf der Autobahn soll die Vernetzung helfen können: Die Trucks der Zukunft können sich zu einem sogenannten Platoon zusammenschließen, bei dem mehrere Fahrzeuge durch ein gemeinsames Steuersystem mit sehr geringem Abstand zueinander fahren können. Bei der Windschattenfahrt sinkt der Verbrauch dramatisch. Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass sie miteinander in Kontakt stehen und gesteuert werden können.

Scania und Ericsson haben ein solches System auf dem Mobile World Congress Mitte Februar vorgestellt. Diese Woche hat Daimler auf der A52 mit drei Lastern mit einer Live-Demonstration gezeigt, dass sie das Platooning ebenfalls beherrschen. Um das Geschäft mit den vernetzten Trucks weiter voran zu bringen, will der Autobauer bis 2020 rund 500 Millionen Euro in Internettechnologien für Lastwagen investieren. „Zum 1. April gründen wir eine neue Organisationseinheit für Mercedes Benz Trucks mit 200 Mitarbeitern“, kündigte Daimlers Nutzfahrzeugvorstand Wolfgang Bernhard. Dazu arbeiten etwa 100 Mitarbeiter beim US-System Detroit Connect. Daimler plane eine offene Plattform, an der sich auch andere Hersteller beteiligen können. Umsatzerwartungen konnte Bernhard nicht nennen, aber: „Das Geschäft ist heute schon profitabel.“


Zur Person

Im Interview mit WirtschaftsWoche Online spricht Bernhard über die Potenziale der Lkw-Konvois und deren Kosten, wann die Technologie marktreif ist und warum die Telekommunikationsunternehmen das Geschäft auf der Straße nicht verstanden haben.

WirtschaftsWoche: Ihre Vision ist der vernetzte und autonom fahrende Lkw. Gehören die Elefantenrennen auf der Autobahn damit endlich der Vergangenheit an?
Wolfgang Bernhard: Ich gehe davon aus. Wenn sich die Trucks zusammenfinden und im Verbund fahren, sparen sie viel Kraftstoff. Der Einzelne gewinnt also nichts mehr, wenn er am Vordermann vorbei fährt. Außerdem sieht der Fahrer über das Kamerasystem die Aussicht vor dem ersten Truck des Platoons, wie wir den Konvoi nennen. Damit kann er erkennen, ob bei der Verkehrslage ein Überholvorgang überhaupt sinnvoll ist. Das hilft auch, den Stress abzubauen, die Lage auf der Autobahn zu entspannen und letztendlich den Verkehr zu vermindern.


Wolfgang Bernhard leitet seit 2013 das LKW- und Bus-Geschäft von Daimler. Quelle: dpa


Wie viel Sprit kann durch solche Technologien eingespart werden?
Bei einem Verbund von drei Lkws hatte das erste Fahrzeug bei unseren Messungen einen Spritvorteil von zwei Prozent, das zweite von elf Prozent und der letzte Lkw von sieben Prozent. Die Unterschiede ergeben sich aus der Aerodynamik. Jeder hat etwas davon, im Schnitt über den Konvoi sparen wir sieben Prozent. Um in anderen Bereichen des Fahrzeugs auf einen Schlag sieben Prozent Diesel und CO2 einzusparen, müssten wir deutlich mehr investieren.


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