
Im Diesel-Skandal hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) neue Manipulationsvorwürfe gegen den Autohersteller Opel erhoben. In einem 1,6-Liter-Zafira habe man bislang unbekannte Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung entdeckt, berichtete der Verein am Donnerstag gemeinsam mit dem ARD-Magazin „Monitor“ und dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Eine Software soll demnach die Reinigung der Abgase bei hohen Drehzahlen, einem Tempo oberhalb von 145 Stundenkilometern oder ein Umgebungsluftdruck von weniger als 915 Millibar herrscht, was in der Regel einer Höhe von 850 Metern über dem Meeresspiegel entspricht, abschalten.
Opel bekräftigte in einer Stellungnahme, keine Software einzusetzen, die feststelle, ob ein Auto einem Abgastest unterzogen wird. „Die Methoden und Protokolle der Testaktivitäten von DUH/Monitor/Spiegel wurden Opel nicht zur Verfügung gestellt, so dass wir deren Ergebnisse nicht bewerten können“, schreibt das Unternehmen. „Aufgrund unserer eigenen sowie unabhängiger Messungen – und den bisherigen Erfahrungen mit den von der DUH veröffentlichten Experimenten – glauben wir nicht, dass diese neuerlichen Ergebnisse objektiv und wissenschaftlich fundiert sind.“
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Laut einem Bericht von „Spiegel Online“ seien diese Abschaltvorrichtungen sowohl durch das Auslesen der geheimen Motorsteuerung als auch durch Tests auf Prüfständen etwa beim TÜV Nord in Essen und bei Tests auf der Straße nachgewiesen worden. „Wie bei VW gibt es auch bei Opel technische Vorkehrungen, die dafür sorgen, dass die Abgasreinigung nicht so funktioniert, wie die EU-Verordnung das vorsieht. In beiden Fällen handelt es sich um eine nicht zugelassene Abschaltvorrichtung“, erklärte Martin Führ, Experte für Umweltrecht an der Hochschule Darmstadt, gegenüber dem Magazin.
Die Abschaltung soll dem Bericht zufolge auch innerhalb des so genannten Thermofensters geschehen, das bei den Untersuchungen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) festgestellt worden war. Die General-Motors-Tochter Opel hatte gegenüber den Behörden eingeräumt, dass die Abgasreinigung nur bei bestimmten Außentemperaturen im vollen Umfang arbeitet. Wie andere Hersteller auch hatte sich Opel dabei auf den von der EU akzeptierten Bauteilschutz berufen.
Sollten sich die neuen Vorwürfe gegen Opel bestätigen, zeichnet sich folgendes Bild ab: Die Abgasnachbehandlung wurde voll auf den Prüfstandszyklus zugeschnitten.
- Im Labor wird bei Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad gemessen – außerhalb dieses „Thermofensters“ wird die Nachbehandlung offenbar stark heruntergefahren.
- Im NEFZ-Normtest werden Geschwindigkeiten von höchstens 120 km/h simuliert – sobald der Wagen schneller fährt, kann er sich also nicht mehr auf einem Prüfstand befinden.
- Im NEFZ-Normtest wird nur sehr moderat beschleunigt – steigt die Drehzahl über 2.400 Umdrehungen pro Minute, kann sich das Auto nicht in einem Normtest befinden.
- Keines der zugelassenen deutschen Prüfzentren befindet sich mehr als 850 Meter über dem Meeresspiegel – befindet sich das Auto über 850 Meter, kann es sich nicht in einem Normtest befinden.
- Vor einem zulässigen Normtest muss das Auto bei 20 bis 30 Grad abgestellt gewesen sein – die DUH hatte Opel bereits früher vorgeworfen, diese „Konditionierung“ zu erkennen und in einen Prüfstandsmodus zu schalten.
Frühere Vorwürfe der DUH wegen angeblich erhöhter Abgaswerte hatte das Unternehmen stets zurückgewiesen. Bisher hatte einzig der Rivale VW im September gezielte Manipulationen bei Dieselfahrzeugen eingeräumt und damit den Abgas-Skandal ausgelöst. Auch bei anderen Herstellern waren seither auffällig Abgaswerte festgestellt worden, sie betonten aber stets, das geschehe innerhalb der geltenden Regeln.