Elon Musk Warum Tesla neue Fabriken ankündigt, aber keine neuen Fahrzeuge

Tesla-Chef Elon Musk Quelle: REUTERS

Tesla hat überraschend gute Zahlen vorgelegt. Demnach hat es seinen Profit im vergangenen Jahr mehr als versiebenfacht. Musk schwelgt im Triumph und kündigt weitere Wachstumsfelder an, größer als das Fahrzeuggeschäft.

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Eigentlich hat Elon Musk im Herbst angekündigt, an der Präsentation der Quartalszahlen „aus Zeitgründen“ künftig nicht mehr teilzunehmen. Am Mittwoch, bei der Bekanntgabe der Ergebnisse des vierten Quartals und des Jahrs 2021, schaltet er sich trotzdem in die Konferenz. Der Triumph über das Erreichte ist einfach zu verlockend. Und so sprudelt Musk bei bester Laune sechzig Minuten nur so von Versprechen und Ankündigungen: Tesla plant neue Fabriken. Die Standorte werden voraussichtlich Ende des Jahres bekanntgegeben.

Software werde zum wichtigsten Profitquell, die Stromspeicher-Sparte künftig schneller als die Fahrzeugsparte wachsen. Der menschenartige Roboter Optimus, den Musk im vergangenen Jahr ankündigte? Dessen Potential werde das Fahrzeuggeschäft weit überflügeln. Denn das große Problem der Wirtschaft seien „knappe Arbeitskräfte“. Zudem steigt der Konzern stärker ins Versicherungsgeschäft ein, könnte nächstes Jahr auch in Europa starten. In den neuen Fabriken in Texas und Brandenburg wird die Produktion des Model Y vorbereitet, wobei in Deutschland immer noch die Genehmigung für den Standort fehlt.

Jede Menge Dynamik also – und das in Krisenzeiten. Die Basis für Musks gute Laune sind Teslas Zahlen. Der Profit: Mehr als versiebenfacht gegenüber 2020, von 721 Millionen auf 5,5 Milliarden Dollar. Die Gewinne übersteigen inzwischen in Summe die Verluste, die Tesla über anderthalb Jahrzehnte angesammelt hat. Trotz milliardenschwerer Investitionen durch den Bau und das Erweitern seiner vier Fabriken hat Tesla 17,5 Milliarden Dollar Barreserven.

Beim Umsatz wurde mit 53,8 Milliarden Dollar die 50 Milliarden Dollar Schwelle übersprungen. All das in einem schwierigen Jahr für die gesamte Autobranche.

Mehr noch: Tesla wird oft der Vorwurf gemacht, Geld nur mit Emissionskrediten zu verdienen, also von traditionellen Autoherstellern bezahlt zu werden. Das ist nicht mehr so. 2021 gingen die Emissionskredite mit 1,46 Milliarden Dollar Umsatz sogar gegenüber dem Vorjahr zurück. Tesla verdient Geld mit seinen Fahrzeugen. Vor allem mit dem kompakten SUV Model Y, das wie Musk verriet, profitabler als das Model 3 ist und deshalb Priorität hat. „Wir haben die höchste operative Marge in der Autobranche“, jubelt Musk. Was auch dank Preiserhöhungen gelang.

930.000 Fahrzeuge hat Tesla im vergangenen Jahr ausgeliefert. Die Millionen-Grenze hätte geknackt werden können. Denn die beiden Fabriken in Fremont und Shanghai sind nicht ausgelastet. Was nicht an der Nachfrage liegt: Der Engpass sind derzeit nicht die Akkus, sondern Prozessoren und andere Komponenten. Ob sich das in diesem Jahr grundlegend ändert, dazu wollte der sonst so optimistische Firmenchef keine Prognose abgeben. Vielleicht 2023. Aber er vermutet, dass die Autobranche von der „Toilettenpapier-Panik“ geplagt wird. Also, dass etliche Hersteller weit mehr Prozessoren ordern, als sie eigentlich brauchen. Ergo: Es könnte später eine Schwemme geben. Doch das löst das Problem nicht, denn andere Komponenten sind auch knapp oder verzögern sich, so etwas Triviales wie USB-Anschlüsse beispielsweise. Tesla lieferte im vergangenen Jahr einige Fahrzeuge ohne USB-Stecker aus, um sie später in der Werkstatt nachzurüsten.

Wegen der anhaltenden Probleme mit den Lieferketten gibt es auch einen Dämpfer für Tesla-Enthusiasten. In den vergangenen Wochen hatten sich Gerüchte verdichtet, dass Tesla demnächst ein neues Modell für 25.000 Dollar präsentieren werde. Zwar bestätigt Musk, dass man daran arbeite. Aber: „Wir werden in diesem Jahr keine neuen Modelle ankündigen.“ Der Ausbau der Stückzahlen bei den bestehenden Modellen habe derzeit Vorrang. Jedes neue Modell „vergrößert nur die Komplexität in der Produktion.“



Musk fährt also die Apple iPhone Strategie: Lieber weniger als mehr. Statt Dutzender Varianten wie bei traditionellen Autoherstellern fokussiert er derzeit auf nur vier Modelle.

Deshalb wird auch der Cybertruck vorerst nicht in der neuen Gigafabrik in Texas vom Band rollen, sondern das Model Y. Beim Cybertruck, so Musk, würden jede Menge neue, „coole“ Technologien eingesetzt. Die Herausforderung ist, nicht nur das Fahrzeug attraktiv, „sondern auch bezahlbar zu machen“.

Das birgt jedoch die Gefahr, dass Kunden zu Produkten der Konkurrenz greifen. Ford macht beispielsweise mit seinem Elektro-Truck Lightning mobil, auch der Newcomer Rivian grätscht ins Geschäft mit den lukrativen Fahrzeugen.

Um die Anleger mit den Verspätungen nicht zu verschrecken, bekräftigt Finanzchef Zach Kirkhorn das Ziel, die Zahl der ausgelieferten Fahrzeuge jedes Jahr im Schnitt um mindestens 50 Prozent zu steigern. Was bedeutet, dass Tesla schon im nächsten Jahr die Schwelle von drei Millionen Fahrzeugen Jahresproduktion überschreiten könnte. Damit zöge Tesla an Mercedes Benz und BMW vorbei. „Da die globalen Autohersteller große Wetten auf E-Fahrzeuge abschließen, sind die Menschen eher dazu bereit ein Elektroauto zu kaufen“, meint Analystin Alyssa Altman vom Beratungshaus Publicis Sapient. „Und die bevorzugte Marke ist derzeit Tesla.“

Das weitere Wachstum wird nur mit neuen Fabriken gelingen. Derzeit sind Tesla Scouts auf der Suche, Ende des Jahres könnten neuen Standorte angekündigt werden.

Musk legt munter nach. Software für autonomes Fahren, so der Firmenchef, „werde die größte Profitquelle Teslas.“ Derzeit testen 60.000 Kunden die Beta-Variante eines Systems, bei dem die Fahrer immer noch eingreifen müssen, ein sogenanntes Level 3 System. Aber noch dieses Jahr werde Tesla ein Level 4 System hinbekommen, bei dem der Fahrer nicht mehr intervenieren muss, verspricht Musk. Seiner Meinung nach werde unterschätzt, wie wichtig autonomes Fahren werde, „jedes Fahrzeug wird es künftig haben.“ Dass die Verkehrsaufsichtsbehörde NHTSA Teslas Fahrassistenzsystem Autopilot derzeit unter die Lupe nimmt und auch auf die Beta-Variante des Level 3 Systems ein Auge geworfen hat, erwähnt er nicht.

Autonomes Fahren sei nicht nur eine schicke Funktion, sondern ein „tiefgründiger Wandel“, der das Autofahren billiger und komfortabler mache und damit attraktiv. Autos würden künftig nicht mehr die meiste Zeit parken. „Wir schaffen die Parkhäuser ab“, proklamiert Musk. Doch das schafft neue Probleme. Denn die Zahl der Autos und damit der Verkehr lege zu, wenn öffentliche Verkehrsmittel durch das autonome Fahren unattraktiv werden. Im Klartext: Die Luft in den Innenstädten mag reiner werden. Der Stau nimmt zu.

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Ob man nun Musks Wachstumsgeschichten glaubt oder nicht, Anleger stehen vor schwierigen Entscheidungen. Zwar ist Teslas Marktkapitalisierung wieder unter die Grenze von einer Billion Dollar gefallen. „Wir alle wissen, dass Tesla am Markt überbewertet ist und der Kurs im Laufe der Zeit fallen könnte“, formuliert Analystin Altman vorsichtig. „Dennoch wird Tesla auf lange Sicht ein äußerst wertvolles und wachstumsstarkes Unternehmen sein.“ Die große Frage ist, ob der derzeitige Börsenwert das schon vorausgenommen hat. Falls in Tesla tatsächlich fünf Giganten – Auto, Software, Energie, Roboter und Versicherungen – stecken, vielleicht nicht.

Mehr zum Thema: Hopp oder Top? Was derzeit für und was gegen die Tesla-Aktie spricht.

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