
Volvo plant auf absehbare Zeit den Abschied vom Dieselmotor. „Aus heutiger Sicht werden wir keine neue Generation Dieselmotoren mehr entwickeln“, sagte der Vorstandsvorsitzende Hakan Samuelsson der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). Die 2013 eingeführte Motorengeneration werde man selbstverständlich noch weiterentwickeln und an den ab Herbst gültigen Abgasgrenzwert Euro-6c-anpassen, so Samuelsson. „Danach wird der finanzielle Aufwand für eine Neukonstruktion zu hoch.“
Auf ein genaues Jahr will sich der Volvo-Chef allerdings nicht festlegen. Erfahrungswerte aus der Branche zeigen, dass eine Motorengeneration im Schnitt sieben bis zehn Jahre gebaut wird – bei Volvo wäre das dann 2023. In Zeiten strenger werdender Richtlinien, Straßentests und der zunehmenden Diskussion um Fahrverbote könnte das Aus schon früher kommen.
Samuelsson teilt die künftige Motorenentwicklung in zwei Etappen ein: jene bis zum Jahr 2020 und danach. Bis 2020 gilt der in der EU vereinbarte Grenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer im Flottendurchschnitt. „Die 95-Gramm-Grenze ist ohne den Diesel nicht zu erreichen“, sagte Samuelsson der FAZ und stimmt damit in den Kanon der anderen Autobosse mit ein. Nach 2020 kämen wohl andere Vorgaben zum Tragen. Mit den immer niedrigeren Werten werde die chemische Nachbehandlung zur Eindämmung der Stickoxidemissionen so teuer, dass sie sich auch in größeren, mithin teureren und ertragreicheren Fahrzeugen nicht mehr lohne, sagt der frühere MAN-Manager.





Volvo hatte 2013 auf ein neues Produktionssystem umgestellt. Mit dem großen SUV XC90, das 2014 vorgestellt wurde, führten die Schweden ein eigens entwickeltes Baukastensystem ein, die „skalierbare Produkt-Architektur“, kurz SPA. Auf dem SPA sollen alle Ableger der Mittelklasse-Baureihe mit dem Zahlencode 60 und der Oberklasse mit dem Zahlencode 90 aufbauen. In dem Baukasten kommen ausschließlich Vierzylinder-Motoren mit zwei Litern Hubraum zum Einsatz – egal ob Benziner oder Diesel. Große Sechs- und Achtzylinder wurden damit ebenso aussortiert wie der Volvo-typische Fünfzylinder-Motor.
Soll heißen: Auch ein großes und schweres SUV wie der XC90 wird von einem stark aufgeladenen Vierzylinder angetrieben, während die Konkurrenz bei BMW X5, Audi Q7 oder Mercedes GLE beim Diesel vornehmlich auf sechs Zylinder mit drei Litern Hubraum setzt. Bei einem Straßentest des Fachmagazins „Auto, Motor und Sport“ konnte der XC90 mit 225-PS-Diesel die Grenzwerte nicht einhalten. „Nur beim entspannten Dahingleiten in der Ebene hielt sich der Stickoxid-Ausstoß in Grenzen“, bilanzierten die Tester. „Unter Last stiegen die Werte des Volvo hingegen stark an.“ Sprich: Sauber auf dem Prüfstand, aber nicht auf der Straße – allerdings ohne illegale Abschalt-Vorrichtungen.
Fakten zum Volvo-Baukasten
Von 1999 bis 2010 gehörte Volvo zum Ford-Konzern. In dieser Zeit basierten die neuen Modelle der Schweden auf Plattformen der US-Mutter, etwa dem Ford Focus oder dem hierzulande nicht verkauften Ford Taurus. Als der chinesische Konzern Geely Volvo im Jahr 2010 übernahm, konnten sie die Ford-Technik nicht weiter nutzen, weshalb ein eigenes System entwickelt wurde.
Volvo nennt seinen Baukasten „skalierbare Produkt-Architektur“, kurz SPA. Auf dieser Architektur sollen künftig alle größeren Modelle ab der 60er Baureihe basieren. Sie teilen sich sämtliche Motoren (ausschließlich Vierzylinder mit zwei Litern Hubraum) und viele Teile des Fahrwerks. So sollen die Kosten bei Entwicklung und Produktion gesenkt werden und langfristig auch die Margen steigen.
Für die Entwicklung der Architektur und die Umrüstung der Produktionsanlagen auf die neue Technik hat Volvo insgesamt rund 75 Milliarden schwedische Kronen, rund acht Milliarden Euro, ausgegeben.
Nur ein Maß – der Abstand zwischen Vorderachse und A-Säule – ist festgelegt, alle anderen Maße sind flexibel. So können teure Bauteile wie die Motoren oder die Elektro-Einheit des Hybridantriebs in unterschiedlich großen Autos verwendet werden, von der Mittelklasse-Limousine S60 bis hin zum großen SUV XC90.
Der XC90 hat den Anfang gemacht, inzwischen ist die 90er-Baureihe komplett: Volvo bietet neben dem SUV XC90 auch die Limousine S90, den Kombi V90 und den Offroad-Kombi V90 Cross Country an. Die bisherigen Modelle S80 und V70 wurden durch die 90er-Modelle ersetzt. In der Mittelklasse hat ebenfalls das SUV den Anfang gemacht, der XC60. Die Limousine S60 und Kombi V60 folgen bald.
Um den Flottendurchschnitt künftig auch ohne Diesel zu erreichen, setzt Samuelsson auf den Elektromotor. Dem Volvo-Chef schweben dabei drei Ausprägungen der Elektrifizierung vor: eine sanfte elektrische Unterstützung eines 48-Volt-Startergenerators, ein an der Steckdose aufladbarer Plug-in-Hybrid (den Volvo schon im Angebot hat) und schließlich vollelektrische Fahrzeuge. Ein solches will Samuelsson 2019 auf den Markt bringen, vermutlich ein Oberklasse-Modell nach dem Vorbild eines Tesla Model S. „Man muss schon anerkennen, dass es Tesla geschafft hat, ein solches Auto anzubieten, für das die Menschen Schlange stehen“, sagte Samuelsson. „In dem Bereich sollte für uns auch Platz sein, mit hoher Qualität und attraktivem Design.“