Im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Diesel-Skandal ist einer der beschuldigten Porsche-Mitarbeiter in Untersuchungshaft genommen worden. Das geht aus einer Mitteilung von Vorstandschef Oliver Blume an die Belegschaft vom Freitag hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Demnach gehen die Behörden von Verdunkelungs- und Fluchtgefahr aus. Die Staatsanwaltschaft war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Verschiedenen Berichten zufolge soll es sich um einen leitenden Motorenentwickler handeln.
Die Ermittlungen richten sich gegen zwei aktuelle und einen ehemaligen Mitarbeiter der Porsche AG – darunter einen amtierenden Vorstand – wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung. Der ehemalige Mitarbeiter soll laut Blumes Brief inzwischen für Audi tätig sein – es handelt sich damit wohl nicht um den früheren Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz, der bereits in Untersuchungshaft sitzt.
Wie unter anderem die „Stuttgarter Zeitung“ unter Berufung auf Insider berichtet, soll es sich bei dem Vorstandsmitglied um Entwicklungschef Michael Steiner handeln. Steiner ist seit 2016 Entwicklungsvorstand bei Porsche, zuvor war er Leiter des Qualitätsmanagements. Weder die Staatsanwaltschaft noch das Unternehmen wollte sich zu konkreten Namen äußern.
Wie aus Unternehmenskreisen zu hören ist, wird den Beschuldigten keine aktive Mitwirkung an den Manipulationen vorgeworfen. Sie sollen aber im Zuge der internen Aufarbeitung an „kritische Informationen“ gelangt sein und haben diese womöglich nicht schnell genug weitergegeben. Wenn in diesem Zeitraum die öffentliche Werbung mit falschen, zu niedrigen Schadstoffwerten weitergelaufen ist, könnte das den Tatbestand der strafbaren Werbung erfüllen.
Porsche weißt die Vorwürfe der Staatsanwälte zurück. „Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Beschuldigten und Porsche vor, wir hätten Kenntnis davon gehabt, dass in diesen Motoren unzulässige Steuerungsgeräte verbaut gewesen seien“, schreibt Blume in dem Brief. „Wir weisen diesen Vorwurf zurück und tun unser Möglichstes, um alles in Ordnung zu bringen.“ An seine Mitarbeiter richtete Blume: „Lassen Sie sich davon bitte nicht verunsichern. Meine Vorstandskollegen und ich tun alles dafür, um den Sachverhalt so schnell wie möglich aufzuklären.“
Hintergrund sind mögliche Manipulationen der Abgasreinigung von Dieselautos. Am Mittwoch hatten fast 200 Staatsanwälte und Polizisten mehrere Standorte von Porsche und der Konzernschwester Audi durchsucht. Der Sportwagenbauer bezieht seine Diesel-Motoren für Modelle wie den Gelände-Sportwagen Cayenne und den Viertürer Panamera von Audi, Porsche selbst baut traditionell keine Diesel-Aggregate. In mehreren Porsche-Modellen stecken damit Audi-Motoren, die Stickoxid-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand und nicht auf der Straße einhalten.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erhöht unterdes in der Frage der Software-Updates den Druck auf die Hersteller insgesamt. „Wir haben einen schweren Imageschaden durch die Fehler, die hier passiert sind“, sagte er. „Ich bin sehr, sehr unzufrieden darüber. Jetzt muss ordentlich gearbeitet werden.“ Er werde sich wöchentlich Ergebnisse vorlegen lassen, was von den Zusagen und Versprechen erfüllt worden sei - und Fristen setzen, wenn der Zeitplan nicht erfüllbar sei.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Die Hersteller hätten „fix zugesagt“, dass bis Ende 2018 alle betroffenen 5,3 Millionen Autos nachgebessert sind. 92 Prozent der rund 2,5 Millionen Diesel-Autos von Volkswagen, für die eine Pflicht galt, seien bereits umgerüstet. Nun sind auch die anderen Hersteller am Zug. Das Kraftfahrtbundesamt müsse die Anträge jedoch erst prüfen und genehmigen - auch das brauche Zeit. Wie viele Anträge aktuell bereits beim Bundesamt vorliegen, sagte Scheuer nicht. Aus Sicht von Umweltverbänden reicht das Aufspielen neuer Programme nicht aus, um die Emission gesundheitsschädlicher Stickoxide genug zu senken. In vielen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte überschritten, Dieselautos sind ein Hauptverursacher. Es drohen deshalb Fahrverbote.
Die Software-Updates verbesserten die Luftqualität um 25 bis 30 Prozent, betonte Scheuer. Hardware-Nachrüstungen - also umfangreiche Umbauten an Motor oder Abgasanlage von Autos mit hohem Schadstoffausstoß - sind in der Koalition umstritten. Die SPD dringt darauf. Scheuer zeigte sich jedoch erneut skeptisch: „Ich will keine verfrühte Diskussion über Hardware-Nachrüstungen.“ Denn diese seien Investitionen in „altes Material“. Er wolle lieber in „gute und moderne Fahrzeuge“ investieren - etwa alte Diesel-Stadtbusse umrüsten und den Lieferverkehr elektrifizieren. Erneut sprach sich Scheuer zudem gegen Fahrverbote und gegen eine blaue Plakette für relativ saubere Diesel aus.