
Der Ausstieg von Ferdinand Piëch bei Volkswagen ist vollzogen. Die Porsche Automobil Holding SE (PSE) teilte am Montag mit, dass die „wesentlichen Anteile“ Piëchs an der PSA an weitere Mitglieder der Familien Porsche und Piëch übertragen wurden. Vollständig trennt sich Piëch aber nicht: Seine Privatstiftung Ferdinand Karl Beta bleibt weiterhin „geringfügig“ an der PSE beteiligt. Eine genaue Prozentzahl nannte die Holding in der Ad-hoc-Mitteilung nicht.
Piëchs Ausstieg war für die kommenden Tage erwartet worden. Noch am Wochenende hieß es, er wolle den Verkauf seiner Anteile bis zu seinem 80. Geburtstag, dem Ostermontag, über die Bühne gebracht haben. Jetzt haben sich die Familien früher geeinigt. In einigen Punkten herrscht damit Klarheit, andere Fragen bleiben aber offen, wie unsere Übersicht zeigt.
Was bedeutet der Deal für den Einfluss Piëchs auf die Porsche SE und Volkswagen?
Überraschend soll er vorerst im Aufsichtsrat der Porsche SE bleiben – und sogar wiedergewählt werden. Auf der Hauptversammlung der Firma Ende Mai in Stuttgart soll er in seinem Amt bestätigt werden, wie die PSE mitteilte. Wie stark er sich danach noch in die Belange der PSE einbringt und von den restlichen Familienmitgliedern auch gehört wird, ist noch unklar. Der 79-Jährige sitzt schon seit 1981 in dem Kontrollgremium von Porsche, damals firmierte das Unternehmen noch in der Rechtsform Porsche KG.
Aktionärsverteilung der Volkswagen AG
Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte PSE hält 52,2 Prozent der Volkswagen-Stammaktien.
Quelle: Unternehmen, eigene Recherchen
Das Land Niedersachsen ist in Besitz von 20,0 Prozent der Stammaktien. Damit hat die Staatskanzlei bei wichtigen Entscheidungen – etwa einer Kapitalerhöhung – ein Vetorecht, da bei Volkswagen solche Entscheidungen mit 80 Prozent der Stimmen plus einer Aktie getroffen werden müssen. Weitere Vorzüge für das Land Niedersachsen wurden nach einem EuGH-Urteil 2007 gestrichen.
Die Kataris haben sich im Zuge der Porsche-Übernahme 2009 mit 17 Prozent der Stammaktien eingekauft. Den Anteil hält der Staatsfonds bis heute, es sitzen auch zwei Vertreter Katars im Aufsichtsrat.
10,8 Prozent der Stammaktien befinden sich in Streubesitz.
Wie die „Bild am Sonntag“ berichtet hatte, sollen Familienmitglieder geplant haben, Piëchs Aufsichtsratsmandat nicht zu verlängern. Daraufhin bot Piëch seinen Verwandten Mitte März den Großteil seines Aktienpakets zum Kauf an. Die griffen nun zu, billigten zugleich aber einen Verbleib von Piëch im Aufsichtsrat der PSE. Allerdings dürfte er dieses schon wenige Monate später niederlegen. Denn laut Firmenmitteilung hat sich Piëch bereiterklärt, der PSE nur „bis zum vollständigen Vollzug der vorstehend genannten Übertragungen als Aufsichtsrat zur Verfügung zu stehen“. Soll heißen: Wenn die Finanz-Aufsichtsbehörden mehrerer Staaten wie erwartet grünes Licht geben für die Übertragung der Anteile, will Piëch seinen Stuhl räumen.
Ist der Deal schon über die Bühne gegangen?
Nein, noch müssen das Kartellamt und die Finanzaufsichtsbehörden mehrerer Länder ihn prüfen. Erst dann können die Transaktionen vollzogen werden.
Wie ändern sich die Machtverhältnisse in der Porsche SE?
Das ist unklar, weil die PSE nicht mitgeteilt hat, welche Familienmitglieder die Anteile übernommen haben. Das soll Geheimnis der Familie bleiben. Klar ist aber: Ferdinand Piëch ist nicht komplett ausgestiegen – wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Unternehmenskreise berichtet, soll Piëch weniger als ein Prozent der PSE-Anteile halten. Damit hat er sich einen kleinen Rest seines Einflusses bewahrt – vorerst.
Wie war Piëch an der Porsche SE beteiligt?
Über seine beiden Privatstiftungen Ferdinand Karl Alpha und Ferdinand Karl Beta hielt der 79-Jährige lange Zeit 14,7 Prozent der PSE-Aktien. Von einem Großteil hat er sich jetzt getrennt, aber eben nicht von allen Anteilen: Ferdinand Karl Beta bleibt mittelbar an der PSE beteiligt. Die genaue Höhe der Beteiligung ist nicht bekannt.
Piëch und seine Figuren
Auf dem Weg des Ferdinand Piëch vom Audi-Manager auf den Aufsichtsratschefsessel des größten Autokonzerns Europas, blieb so mancher Top-Manager auf der Strecke. Die wichtigsten Stationen zusammengefasst.
Nach fünf Jahren als Vize übernimmt Piëch bei Audi den Chefsessel von Wolfgang Habbel und baut die Marke mit den vier Ringen zur Premiummarke um. In die Ära des Vollblutingenieurs fällt die Entwicklung des Super-Diesels TDI sowie des Allradantriebs Quattro.
Als neuer VW-Chef wirbt Piëch den Einkaufschef José Ignacio López vom Konkurrenten General Motors (GM) ab, der die Preise der Zulieferer drücken soll. Wegen des Verdachts, GM-Betriebsgeheimnisse an VW verraten zu haben, muss Piëch 1996 López fallen lassen.
Piëch heuert das IG-Metall- und SPD-Mitglied Peter Hartz als VW-Personalchef an. Der führt die Vier-Tage-Woche ein und spart so 500 Millionen Euro Lohnkosten. Nachdem auffliegt, dass VW unter ihm Luxusreisen und Bordellbesuche für Betriebsräte finanzierte, muss Hartz gehen.
Als Piëch 2002 VW-Aufsichtsratschef wird, installiert er Ex-BMW-Chef Bernd Pischetsrieder als VW-Lenker. Der agiert eigenständig, macht Piëch-Ideen rückgängig. Fünf Jahre später schweigt Piëch demonstrativ, als er gefragt wird, ob Pischetsrieder im Amt bleibt. Kurz darauf holt er Winterkorn.
Jahrelang versuchte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking unter der Aufsicht von Piëch VW zu übernehmen. Als dies scheitert, sagt Piëch auf die Frage von Journalisten, ob Wiedeking sein Vertrauen genieße: „Zurzeit noch. Das ,Noch‘ können Sie streichen.“ Wiedeking muss gehen.
Wie viel Geld hat der Deal Piëch eingebracht?
Der Wert des Pakets wurde zuletzt auf gut eine Milliarde Euro geschätzt. Wie viel der Deal Piëch einbringt, hängt natürlich davon ab, wie viele Anteile er wirklich verkauft hat und was er noch selber hält.
Ist der familieninterne Machtstreit damit gelöst?
Vermutlich nicht. Noch Anfang März auf dem Genfer Autosalon hatte Piëchs Cousin Wolfgang Porsche gesagt, die Familie könne man sich nicht aussuchen. Zwischen den Familienoberhäuptern herrsche Sprachlosigkeit. Dass die Familie dem 79-jährigen Ferdinand noch das Aufsichtsratsmandat gelassen hat, scheint eher ein Kompromiss zu sein, um den Verkauf der Anteile kurzfristig möglich zu machen.
Was bedeutet das für den anstehenden Generationswechsel in der Porsche SE?
Er ist aufgeschoben. Im Aufsichtsrat der Porsche SE sitzt weiterhin nur ein Mitglied der vierten Generation: Ferdinand Oliver Porsche. Neben dem Sprecher des Porsche-Clans, Wolfang Porsche, sitzt noch dessen Bruder Hans-Peter in dem Gremium. Auf Piëch-Seite sind es Ferdinand und dessen Bruder Hans Michel. Zudem sitzt noch Ulrich Lehner im Aufsichtsrat der PSE.
Wer sind die aussichtsreichen Mitglieder der vierten Generation?
Seitens des Piëch-Clans sind in den vergangenen Jahren vor allem zwei Frauen aufgefallen: Hans Michels Tochter Julia Kuhn-Piëch und Louise Kiesling, Tochter von Louise Daxer-Piëch, einer Schwester von Hans Michel und Ferdinand. Louise Kiesling sitzt seit dem Rückzug Ferdinands und seiner Gattin Ursula im VW-Aufsichtsrat. Damals wurde auch Julia Kuhn-Piëch in das Kontrollgremium berufen – musste aber diesen Posten nach wenigen Monaten wieder räumen, damit der damalige Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch in den Aufsichtsrat aufrücken konnte. Aktuell sitzt Kuhn-Piëch im Aufsichtsrat der VW-Töchter Audi und MAN – dort wird sie inzwischen geschätzt und überraschte durch technisches Know-how und Detailfragen.