Tesla Model 3 Warum Elon Musks Vollgas-Aktion riskant ist

Elon Musk überrascht die Skeptiker. Schon am Freitag soll das erste Model 3 vom Band laufen und wenige Tage später beim Käufer stehen. Für Tesla könnte die hohe Geschwindigkeit zum Problem werden.

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Tesla Model 3 Quelle: dpa

Spötter werden sich darauf berufen, dass Ausnahmen die Regel bestätigen, Fans werden die Wende zum Guten sehen: Elon Musk hält eine Deadline ein. Mehr noch: Die Produktion des Model 3 startet zwei Wochen vor Plan. Da die Behörden alle erforderlichen Produktions-Zulassungen erteilt hätten, werde der erste der neuen Mittelklassewagen an diesem Freitag gebaut werden, teilte der Tesla-Chef auf Twitter mit.

Mit vier Tweets setzt Musk die komplette Autobranche unter Druck. Denn bis zuletzt hatten sich Analysten skeptisch geäußert, ob das Model 3 überhaupt wie geplant im Juli eingeführt werden kann.

Nun der vermeintliche Triumph: „Die Übergabefeier für die ersten 30 Model-3-Kunden findet am 28. statt“, schreibt Musk bei Twitter.

Neben dem 7. Juli als Startdatum erklärte der Tesla-Chef bereits, wie er sich den Produktionsanlauf vorstellt.

  • Im Juli sollen die ersten 30 Fahrzeuge in Serienqualität gebaut werden
  • Im August sollen es dann 100 Model 3 sein
  • Der große Sprung steht im September an, dann will Musk mehr als 1500 Model 3 bauen
  • Es sehe so aus, als ob 20.000 Fahrzeuge pro Monat im Dezember möglich seien, legte Musk in seinem nächsten Tweet nach.

Auto-Experte Stefan Bratzel hält die Produktionsziele für erreichbar. „Es ist so, wie es immer bei Elon Musk ist: Ohne Risiko macht er es nicht“ sagt der Professor für Automobilwirtschaft am Center of Automotive Management. „Er hat sich gute Leute eingekauft, die die Produktion aufgebaut haben, und mit Grohmann gleich den eigenen Automatisierungsspezialisten dazu.“ Allerdings müsse man sehen, ob das hohe Automatisierungslevel auch im vollen Betrieb problemlos funktioniere, so Bratzel.

Wenn „SN1“, die Seriennummer 1, am Freitag vom Band läuft, beginnt für Musk eine entscheidende Phase des Projekts „Tesla“. Denn die ersten 30 Kunden werden auch die ersten 30 Autos erhalten. Die bislang bei Präsentationen gezeigten Exemplare des Model 3 waren von Hand gebaute Einzelstücke, die bis auf die Optik mit dem fertigen Serienmodell wenig zu tun haben. Weitere Verzögerungen, Qualitätsprobleme und aufwändige Nacharbeiten sind in dem Musk’schen Produktionsplan nicht vorgesehen.

„Der Verzicht einer Vorserienfertigung ist vertretbar, denn Musk hat einen langsamen Hochlauf gewählt, in den quasi die Testphase integriert ist“, sagt Bratzel. „Allerdings wächst in der Massenproduktion das Risiko, das Fehler untergehen. Das gab es bei Tesla mit den geringen Stückzahlen bislang nicht.“ Aber: In seinem Vorgehen unterscheidet Tesla sich radikal von den etablierten Playern in der Branche, die ein solches Risiko nicht eingehen.

Die Tesla-Chronik

Ein Beispiel: Nach Informationen der WirtschaftsWoche ist bei Porsche im Juni die Produktion der sogenannten „Nullserie“ des Elektroautos Mission E angelaufen. Auf den Markt kommt der Elektro-Porsche aber erst 2019.

Die „Nullserie“ sind Wagen, die quasi nur zu Übungszwecken gebaut werden. Mit ihnen wird sorgfältig vor dem eigentlichen Produktionsstart überprüft, ob die Konstruktion auch wirklich wie erdacht gebaut werden kann, ob das Fließband funktioniert. Einige der Fahrzeuge werden später zu Testträgern umgerüstet, andere zur Analyse der Produktionsqualität sofort wieder in ihre Einzelteile zerlegt.

Der Großteil der Nullserie landet allerdings direkt im Schrott. Das ist eine über Jahrzehnte bewährte Praxis in der Autobranche – so soll die Qualität ab dem ersten Auto sichergestellt werden. Musk stellt also nicht nur die Modelle auf den Kopf, sondern auch die Produktion – mit vollem Risiko. Für Bratzel kann das durchaus ein Vorbild für die deutschen Autobauer werden: „Etablierte Autobauer können von der Denkweise aus der IT-Welt lernen. Das hat man schon bei den Over-the-Air-Softwareupdates gesehen, die Tesla als Erster eingeführt hat. Das kann auch eines Tages für die Produktionsplanung gelten.“

Diese Vollgas-Aktion mag unnötig riskant erscheinen, ist in der aktuellen Lage von Tesla aber unumgänglich. Das Unternehmen verliert jeden Tag Geld.

Es heißt zwar, dass Elektroautos einfacher zu bauen sind als jene mit einem mechanisch komplexen Verbrennungsmotor. Doch auch das Bestands-Geschäft mit der Limousine Model S und dem SUV Model X zeigt, wo die großen Herausforderungen beim Bau von Elektroautos liegen: der Batterie.

Wird die Batteriefertigung der Flaschenhals?

Im ersten Halbjahr konnte Tesla mit 47.100 ausgelieferten Fahrzeugen die eigene Vorhersage von 47.000 bis 50.000 Einheiten gerade so einhalten. Das Unternehmen machte einen Produktionsengpass bei den teuren Hochleistungsbatterien mit 100 Kilowattstunden (kWh) verantwortlich, die es in den Top-Varianten von Model S und Model X anbietet. Hier habe die Fertigung bis Anfang Juni rund 40 Prozent unter der Nachfrage gelegen. Das Problem sei jedoch inzwischen behoben.

Die 100-kWh-Batterie wird zwar nicht im Model 3 zum Einsatz kommen. Die Probleme machen aber deutlich, dass die Produktion von Akkus alles andere als trivial ist. Eine vermeintlich kleine Anpassung von 90 auf 100 Kilowattstunden kann da genauso zum Problem werden wie der Start einer Massenfertigung von eigentlich etablierten Batterien mit einer Kapazität von 35 kWh.

Was Teslas Elektro-SUV im Alltag kann
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla
Tesla Model X Quelle: Tesla

Während über den Stand der Batterieproduktion in der Gigafactory in der Wüste Nevadas wenig bekannt ist, scheint die Fertigung der „klassischen“ Autoteile beim Model 3 weniger zum Problem zu werden als noch etwa beim Model X. Der Start des Elektro-SUV hatte sich mehrmals verzögert, weil immer wieder neue Probleme aufgetreten waren. Für ein neues Modell war der Wagen zu komplex – Tesla hatte das Model X von Anfang an mit allen Batterie- und Antriebsoptionen angeboten, außerdem haben sich die auffälligen „Falcon Wing“-Türen, die nach oben aufschwingen und sich dabei platzsparend zusammenfalten, für weitere Verspätungen bei Produktion und Auslieferung gesorgt.

Beim Model 3 will Musk diesen Fehler vermeiden. „Wir machen das einfachste Model 3 zuerst, wie wir es beim Model S gemacht haben“, erklärt er. „Wir haben es nicht mit dem Model X gemacht, weil ich ein Idiot war.“ Soll heißen: Am Anfang wird es nur wenige Individualisierungsmöglichkeiten geben, die ersten 30 Model 3 werden sich kaum unterscheiden.

Tesla baut weiter an seiner Batteriefabrik
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Im Juli 2016 hatte Tesla zur offiziellen Eröffnung erstmals Presse-Fotografen auf das Gelände gelassen. Die bezeichnend "Gigafactory" genannte Anlage gehört sogar zu den größten Produktionsstätten überhaupt. Hier sollen Akkus für Elektroautos und Heimspeicher vom Band laufen – mehr als alle Hersteller der Welt heute zusammen produzieren. (Stand: Juli 2016) Quelle: AP
Im Juli waren erst 14 Prozent der Anlage in Betrieb. Dennoch hatte Tesla-Gründer Elon Musk Ende Juli zur Eröffnungsfeier geladen – einige Tage vorher durften sich bereits Journalisten und Fotografen auf dem Fabrikgelände umsehen. Voll in Betrieb soll die Anlage erst 2018 sein. Bis dahin wird an allen Ecken und Enden gebaut. Quelle: REUTERS
Auch wenn es noch nicht so aussieht: Diese Halle ist einer der Grundpfeiler der Strategie von Elon Musk, mit der er Tesla von einem Nischen- zu einem Massenhersteller machen und ganz nebenbei dem Elektroauto zum Durchbruch verhelfen will. Quelle: REUTERS
Die eigenen Batterien sind unerlässlich, wenn Tesla mit dem Model 3 (im Bild ein ausgestellter Prototyp) ab dem kommenden Jahr die Massen mobilisieren soll. Zum einen, weil momentan gar nicht genügen Akkus für die angepeilten Stückzahlen des Model 3 zugekauft werden könnten. Zum anderen, weil sie schlichtweg zu teuer wären. Der angekündigte Preis von 35.000 Dollar für den Wagen wäre nicht zu halten. Quelle: REUTERS

Je geringer die Zahl der technischen Variationen ist, desto leichter ist die Fertigung skalierbar. Laut einem Vergleichs-Tool auf der Tesla-Seite stehen den Käufern beim Model S theoretisch 1500 Individualisierungsoptionen zur Wahl – auf all diese Optionen muss die Produktion vorbereitet sein. Beim Model 3 sollen es weniger als 100 unterschiedliche Konfigurationen sein. Um den Produktionsstart nicht zu gefährden, schränkt Tesla die Wahlmöglichkeiten für die ersten Kunden noch weiter ein. „Man kann nur über die Farbe und die Größe der Räder entscheiden, zumindest zu Beginn“, sagte Musk im Juni. Erst später werde es weitere Möglichkeiten zur Auswahl geben.

Dazu kommt: Bereits die Grundkonstruktion des Model 3 ist deutlich simpler – auch das erleichtert die Massenfertigung. Bei dem Elektro-Kompaktwagen handelt es sich nicht um eine geschrumpfte Version des Model S, sondern um eine komplett eigenständige Entwicklung. Während die Oberklasse-Limousine Model S eine Voll-Aluminium-Karosserie hat, soll beim Model 3 auch Stahl zum Einsatz kommen. Beim Fahrwerk werden im Model 3 klassische Schraubfedern verbaut – das Model S kann optional mit einer Luftfederung bestellt werden. In der Basisversion soll das Model 3 zudem ein einfaches Metalldach haben. Ein Glasdach, kein Schiebedach wohlgemerkt, gibt es nur gegen Aufpreis.

Elektroautos im Kostenvergleich

Die entscheidende Frage wird aber wohl frühestens 2019 beantwortet werden: Verdient Tesla damit endlich Geld? Selbst wenn die Produktion des Model 3 schnell profitabel ist, dürften die enormen Kosten für den Produktionsanlauf und auch die Investitionen in mögliche weitere Werke (im Gespräch ist China) sämtliche potenziellen Gewinne wieder auffressen. Erst wenn Musk die Geschäftszahlen für das Jahr 2018 vorlegt, wird sich zeigen, ob er seine Elektroauto-Firma mit dem Model 3 auf Dauer erfolgreich betreiben kann – oder ob er sie mit seinen Expansionsplänen zugrunde gerichtet hat.

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