VW-Abgas-Skandal Wir wissen, dass wir nichts wissen

Grundsatz-Einigung in den USA, Milliarden-Rückstellung, Rekord-Verlust und Mini-Dividende: VW hat in den vergangenen Tagen richtungsweisende Entscheidungen getroffen. Doch die entscheidenden Antworten fehlen immer noch.

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VW-Führungsriege: Trotz Entscheidungen noch keine Klarheit. Quelle: dpa

Es waren die „Tage der Entscheidungen“ bei Volkswagen: Am Donnerstag wurde sich Volkswagen mit einem US-Gericht einig, am heutigen Freitag konnte der Konzern daher die Kennzahlen für die Jahresbilanz 2015 vorlegen und einen Haken hinter die Debatte um Vorstands-Boni machen. Die VW-Lenker werden auf einen großen Teil ihrer variablen Vergütung verzichten.

Die Aufräumarbeiten haben begonnen – und doch: die wesentlichen Antworten stehen noch aus.

Als die Konzernoberen – der Vorstandsvorsitzende Müller, Aufsichtsratschef Pötsch, Präsidiumsmitglied Porsche, Niedersachsens Ministerpräsident Weil und Betriebsratschef Osterloh – vor die Öffentlichkeit traten, hatten sie immerhin einige Auskünfte parat: den Rekordverlust von 5,5 Milliarden Euro zum Beispiel. Oder das erdachte Konstrukt, mit dem die Boni der Vorstandsmitglieder zuerst einbehalten und zu einem gewissen Teil nach bestimmten Bedingungen doch ausgezahlt werden sollen. Klingt kompliziert, ist es auch.

Die Antworten auf die substanziellen Fragen von Dieselgate waren aber nicht dabei: Wie konnte es zu dem millionenfachen Betrug kommen? Wer ist schuld? Und wie genau kommt der Konzern aus diesem Schlamassel wieder hinaus?

Ob die zurückgestellten 16 Milliarden Euro ausreichen werden, ist noch nicht absehbar – die Details, wie etwa die Höhe der Entschädigung an US-Kunden, Strafzahlungen und die Einzahlung in den beschlossenen Umweltfonds, werden bis zum 21. Juni ausgearbeitet.

Ob und wie Volkswagen Kunden in Deutschland und dem Rest der Welt entschädigt wird, steht noch nicht fest. Ebenso ist unklar ist, wie sich die Verzögerungen bei dem Rückruf-Marathon in Deutschland auswirken werden. So steht etwa die Freigabe des Kraftfahrtbundesamts für den Rückruf des Passats noch aus.

Wie VW die „Dieselgate“-Drahtzieher finden will

Komplettiert wird die lange Liste der Unwägbarkeiten von der Meldung, dass Volkswagen den angekündigten Zwischenbericht zur internen Untersuchung der Kanzlei Jones Day doch nicht wie angekündigt Ende April veröffentlichen wird. Der zentrale Punkt, die Aufklärung von Dieselgate.

Der Aufsichtsrat sieht „unvertretbare Risiken“ für das Unternehmen, sollte der aktuelle Stand der Untersuchung bekannt werden. Konkret fürchten die VW-Anwälte, dass eine Veröffentlichung die Verhandlungsposition gegenüber dem US-Justizministerium schwächen könnte – und auch ein Entgegenkommen der US-Behörden bei der Strafhöhe unwahrscheinlich mache.

Wann VW die Ergebnisse des Berichts öffentlich macht? Nicht abzusehen. Die VW-Führung geht davon aus, dass dies erst nach einem umfassenden Vergleich mit dem Department of Justice erfolgen kann. Obwohl US-Richter Charles Breyer Firsten im Juni und Juli gesetzt hat, will VW kein Datum für den Zwischenbericht nennen.

Das kann ein gutes, aber auch ein schlechtes Zeichen sein. Nur eines steht fest: Es steht noch nichts fest.

Von den „Tagen der Entscheidung“ ist damit wenig übrig geblieben. Ja, man konnte etwas verkünden. Doch das große Zittern fängt für die Herren Müller, Pötsch und Co jetzt erst an: Jede Indiskretion, jeder Medienbericht kann das auslösen, was VW um jeden Preis verhindern möchte: die Verhandlungen gefährden, die Strafen erhöhen.

„Wir arbeiten daran, die Weichen für eine möglichst erfolgreiche Zukunft zu stellen“, sagte Pötsch am Freitag. Angesichts der vielen offenen Fragen hätte er in Anlehnung an Cicero auch einfach sagen können: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“



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