VW-Vorstand Andreas Renschler "Fahrerlose Lkw könnte ich noch erleben"

Der Chef der VW Truck&Bus-Gruppe, Andreas Renschler, über das Zusammenwachsen von MAN und Scania, die neue Beteiligung an Navistar und autonome Trucks.

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Andreas Renschler im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Renschler, ihr Kollege, MAN-Chef Joachim Drees hat gerade eine neue digitale Plattform für die Logistik-Branche vorgestellt. Hat MAN auch künftig beim Thema Digitalisierung für die gesamte Truck & Bus-Gruppe den Hut auf?
Andreas Renschler: So generell lässt sich das nicht sagen. Die neue Plattform Rio, ist auf Initiative von MAN entstanden und MAN ist für ihre Weiterentwicklung innerhalb von Volkswagen Truck & Bus verantwortlich. Die Entscheidung, Rio zu einer eigenen, selbstständigen Marke zu machen, haben wir aber ganz bewusst getroffen. Einer muss eben dabei den Hut aufhaben, das ist in diesem Fall MAN.

Mit dem Zusammenschluss unter dem Dach von Volkswagen Truck & Bus wollten Sie Synergieeffekt heben. Erster Schritt waren die Getriebe, die MAN nun von Scania bezieht. Wie weit sind Sie bei der Neu- und Umverteilung darüber hinaus gekommen?
Stimmt, beim Thema Getriebe haben wir relativ schnell Synergien erzielt und konnten auf Bestehendes zurückgreifen. Aber das ist nur ein erster Schritt. Unsere Marken arbeiten an der Entwicklung gemeinsamer Komponentenplattformen. Das passiert nicht von heute auf morgen, zum einen weil die Entwicklungsprozesse, grade auch bei Motoren, hochkomplex sind. Zum anderen sind solche Plattformen etwas anderes als das „Baukasten“-System bei den Pkw-Kollegen. Wir stellen nicht einzelne Teile oder Komponenten zur Verfügung, aus denen sich die Marken bedienen können. Bei uns entwickeln die Marken gemeinsam Plattformen für Motoren, Getriebe, Achsen, Abgasnachbehandlungssysteme und Fahrzeugelektronik. Darauf kann dann jede Marke aufbauen, hat aber gleichzeitig die Möglichkeit, durch markenspezifische Anpassungen der Produkte ihre Eigenständigkeit zu erhalten. Hier muss man sich ganz genau anschauen, in welchen Bereichen Kooperationen wirtschaftlich und technologisch sinnvoll sind. Und genau das tun wir gerade.

Welches Einsparpotenzial ergibt sich daraus für die Gruppe?
Ich gehe davon aus, dass wir mittelfristig bis zu einer Milliarde Euro jährlich einsparen werden. 200 Millionen Euro haben wir bereits hauptsächlich über Einkaufseffekte erzielt. Die Synergien, die sich durch die strategische Allianz mit Navistar ergeben werden, sind dabei noch gar nicht einberechnet. Da kann ich Ihnen noch keine genauen Zahlen nennen. Aber gehen Sie davon aus, dass da nochmal spürbar was obendrauf kommt.

Noch viele Hürden für selbstfahrende Autos

Sie müssen - um es bildhaft zu machen – unter dem Dach der VW Truck & Bus-Gruppe bayerisches Bier mit schwedischen Zimtschnecken zusammenführen. Das schmeckt nicht jedem. Wie steht es um das Zusammenwachsen von MAN und Scania?
Und vergessen Sie nicht die VW Currywurst… Aber im Ernst: Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede. Die kann man nicht wegdiskutieren und das soll man auch gar nicht. Im Vorstands-Team behandeln wir das Thema daher intensiv. Wir haben zum Beispiel beim letzten Engineering Summit, einer Konferenz schwedischer und deutscher Führungskräfte aus dem Entwicklungsbereich, ausgiebig darüber diskutiert. Die einheitliche Aussage war, dass es anfangs wirklich an der ein oder anderen Stelle gehakt hat. Aber mit der Zeit wird der Austausch untereinander immer besser und damit wächst auch gegenseitiges Verständnis. Heute wird darüber gerne mal gescherzt. Da sagt dann der Deutsche zum Schweden: „Können wir das jetzt gemeinsam entscheiden, oder möchtet Ihr da erst noch ein paar Mal drüber diskutieren.“

"Auf dem Weg zum Global Champion halten wir uns alle Optionen offen"

Und jetzt kommt auch noch Navi-Star dazu. Ein Unternehmen mit fünf Milliarden Dollar Schulden. Klingt nicht unbedingt nach einem attraktiven Partner.
Navistar hat keine leichte Zeit hinter sich, das stimmt. Heute ist das Unternehmen deutlich besser aufgestellt und auf einem guten Kurs. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen: Ein Teil der Herausforderungen von Navistar waren sicher technologisch begründet. Aber Navistar ist ein tolles, traditionsreiches Unternehmen mit starken Marken. Sie sind im US-Nutzfahrzeuggeschäft fest etabliert und haben zudem das größte Händlernetz Nordamerikas.
Ab 2019 werden wir Navistar die ersten Motoren liefern und das ist erst der Anfang. Auch bei anderen Komponenten wollen und werden wir zusammen arbeiten. Ich bin absolut von der strategischen Logik dieser Zusammenarbeit überzeugt. Navistar hat die Chance, sich wieder erfolgreicher im US-Markt zu positionieren und wir haben dort einen Fuß in der Tür.

Planen Sie nach dem Einstieg bei Navistar weitere Zukäufe?
Wie sage ich immer: Auf dem Weg zum Global Champion halten wir uns alle Optionen offen. Ich will nichts ausschließen, aber es muss einfach der richtige Deal zum richtigen Zeitpunkt sein. Man kann nichts erzwingen und auf Teufel komm raus zu investieren und zu wachsen, ist bei der politischen und wirtschaftlichen Gesamtwetterlage in der Welt alles andere als zielführend.

Macht Ihnen die Debatte um schärfe Grenzwerte und Dieselverbote in Städten Sorge?
Nein, die Entwicklung trifft uns ja nicht aus heiterem Himmel. Wir sind entsprechend gut aufgestellt: Hybridbusse zum Beispiel gibt es bei MAN schon seit 6 Jahren. Auch Gasantrieb ist eine gute Lösung und Elektromobilität wird ebenfalls eine immer wichtigere Rolle spielen. Sowohl bei Bussen, als auch im Verteiler-Verkehr. Hier zeigen wir mit dem MAN eTruck, einem vollelektrischen Bus bei MAN oder dem eCrafter bei Volkswagen Nutzfahrzeuge ein paar echte IAA Highlights. Trotzdem bin ich persönlich überzeugt, dass die Diesel-Technologie im Transportgeschäft auch in den nächsten Jahren noch eine wichtige Rolle spielen wird – zum Beispiel im Fernverkehr oder auf der Baustelle. Denn hier hat der Elektro-Antrieb bei Leistungsstärke und Wirtschaftlichkeit für die Anforderungen unserer Kunden noch Aufholbedarf.

Was bedeutet Digitale Transformation für MAN?

Bis 2020 wäre die Einführung von Platooning - also das Kolonnefahren vernetzter LKW mit sehr geringem Abstand - in Europa möglich. Ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Absolut. Eine Kraftstoffeinsparung von rund zehn Prozent ist ein starker Antrieb. Zum einen für unsere Kunden, die dann weniger Kraftstoffkosten haben, zum anderen für die Umwelt. Jetzt liegt es an der Politik, dafür die nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein Beispiel: Derzeit ist der gesetzliche Mindestabstand auf der Autobahn 50 Meter. Für Platooning muss er 10 bis 12 Meter betragen.

Werden in fünfzehn Jahren unbemannte Fern-Lkw durch Europa rollen?
Vielleicht werde ich Lkw ohne Fahrerhaus noch erleben. Aber, dass wir schon in 10 oder 15 Jahren unbemannte Lkw von Frankreich nach Griechenland schicken – das glaube ich nicht. Bis wir ganz auf den Fahrer verzichten können – das wird noch dauern. Dazu genügt es nicht, ein paar Algorithmen zu programmieren. Dafür müssen Sie massiv an künstlicher Intelligenz arbeiten. Denn Sie können unmöglich alle denkbaren Situationen im Straßenverkehr vorausberechnen. Hier kommt uns unsere Zugehörigkeit zu Volkswagen zu Gute, wo intensiv daran gearbeitet wird.

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