Als Deutschlandchefin von Barclays hat Ingrid Hengster eigentlich Großes vor. Der Marktanteil im Investmentbanking solle sich auf sechs Prozent verdoppeln, kündigte die 2021 von der staatlichen KfW zur britischen Großbank gewechselte Managerin jüngst an. Gebremst werden ihre Ambitionen von Lasten der Vergangenheit. Ende März durchsuchten Ermittler Geschäftsräume der Frankfurter Niederlassung wegen illegaler Cum-ex-Deals. Bei diesen erstattete der Fiskus Kapitalertragssteuern, die nie gezahlt wurden.
Nun droht weiteres Ungemach: Wie Insider berichten, hat die Finanzverwaltung bei Barclays Steuernachzahlungen von 90 Millionen Euro angemeldet. Anlass dafür sind sogenannte Cum-cum-Geschäfte, die rund zehn Jahre zurückliegen. Die Behörde kommentierte das nicht. Eine Barclays-Sprecherin sagte, dass die Bank von einer Stellungnahme „absehe“.
Cum-cum-Deals sollen Teil der Anlagestrategie einiger Barclays-Fonds gewesen sein. Mit ihnen kassierten ausländische Banken und Fonds in Zusammenarbeit mit deutschen Banken Erstattungen, auf die sie kein Recht hatten. Vor der Dividendenzahlung transferierten sie dazu Aktien an die deutschen Banken, die als „Steuerinländer“ die Rückerstattung von Kapitalertragssteuer verlangten. Nach der Dividendenzahlung wanderten die Aktien zurück zu den ausländischen Eigentümern, Rückerstattungen teilten die deutschen Banken und die ausländischen Investoren untereinander auf.
Den Schaden aus der Praxis schätzen Beobachter auf rund 20 Milliarden Euro. Nachdem die Aufarbeitung der Cum-cum-Deals lange stockte, kommt sie offenbar voran. Laut Oberfinanzdirektion Frankfurt haben in Hessen ansässige Institute bereits eine Milliarde Euro aus Cum-cum-Deals an die Finanzämter zurückgezahlt.
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