
Die Deutsche Bank kann eine ihrer größten Altlasten zu den Akten legen: Der mit Spannung erwartete Vergleich mit den US-Behörden über unsaubere Geschäfte auf dem amerikanischen Immobilienmarkt ist unter Dach und Fach. Das US-Justizministerium bestätigte am Dienstagabend die Einigung, die Deutschlands größtes Geldhaus insgesamt 7,2 Milliarden Dollar kostet. Nach offiziellen Angaben ist es die höchste Strafe, die in der Sache je gegen eine einzelne Bank verhängt worden ist - und viele große Investmentbanken mussten bereits zahlen. Die Kritik an den Frankfurtern fiel vernichtend aus: "Die Deutsche Bank hat nicht nur Investoren getäuscht", erklärte Justizministerin Loretta Lynch. "Sie hat direkt zu einer internationalen Finanzkrise beigetragen."
Für Vorstandschef John Cryan ist das Verhandlungsergebnis dennoch eine Erleichterung, hatte zunächst doch eine Strafe von 14 Milliarden Dollar im Raum gestanden. Als die Zahl im Herbst durchsickerte, sorgte das vorübergehend für einen regelrechten Absturz der Deutschen Bank an der Börse. Denn viele Anleger befürchteten, eine solche Summe könne das Institut mit seiner vergleichsweise dünnen Kapitaldecke überfordern und gar eine Rettung durch den Staat nötig machen. Kunden zogen Gelder im Milliardenvolumen ab. Dass die Deutsche Bank im Hypothekenstreit am Ende deutlich billiger davon kommt, wurde bereits kurz vor Weihnachten bekannt, als das Geldhaus die Grundsatzeinigung mit den US-Behörden bekanntgegeben hatte.
Doch in Schriftform gegossen wurde die Abmachung erst jetzt, wenige Tage vor dem Präsidentenwechsel in den USA - garniert mit zahlreichen Details zum zweifelhaften Geschäftsgebaren der Frankfurter auf dem einst so lukrativen US-Immobilienmarkt: Demnach kaufte die Deutsche Bank dort vor der Finanzkrise im großen Stil faule Hypotheken auf, bündelte diese in hochkomplexe Wertpapiere und verkaufte sie an Anleger auf der ganzen Welt. Als die Bonds mit dem Einbruch auf dem Häusermarkt 2007 auf einen Schlag wertlos wurden, verloren viele Investoren Geld und fühlten sich getäuscht. Das Brisante dabei: Während die Deutsche Bank die Papiere nach außen als sicheres Investment verkaufte, wettete sie intern längst auf den großen Crash, wie 2011 schon aus einem vernichtenden Untersuchungsbericht des US-Senats hervorgegangen war. Hollywood inspirierte das später zum Zockerfilm "The Big Short".
Wo die Deutsche Bank überall Ärger hat
Im Juni wurde bekannt, dass Ermittler rund um den Globus dem Verdacht nachgehen, russische Kunden könnten über die Deutsche Bank Rubel-Schwarzgeld im Wert von mindestens sechs Milliarden Dollar gewaschen haben. Die Bank hat versprochen, zur Aufarbeitung der Affäre mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Mehrere Mitarbeiter in der Moskauer Niederlassung wurden deshalb vor die Tür gesetzt, darunter auch der ehemalige Chef-Händler in Russland, Tim Wiswell.
Inzwischen hat die Affäre eine neue Dimension erreicht: Das US-Justizministerium und die Finanzbehörde von New York (DFS) prüfen laut einem Medienbericht, ob die Bank gegen Sanktionen verstoßen hat. Dabei gehe es auch um die Frage, ob Geschäfte mit Vertrauten von Russlands Präsident Wladimir Putin gemacht wurden und ob die Bank intern geeignete Vorkehrungen getroffen hat, um solche Verstöße zu verhindern.
Schon länger steht die Deutsche Bank im Verdacht, gegen Sanktionen verstoßen zu haben, die die USA gegen Länder wie den Iran verhängt haben. Die Gespräche über einen Vergleich laufen, wie Insider berichten. Intern gab es zuletzt die Hoffnung, dass dieses Thema zeitnah abgeschlossen werden kann. Die Bank hat betont, sie habe sich bereits 2007 aus Iran-Geschäften zurückgezogen. Einige andere Finanzinstitute mussten für Vergleiche in der Sache bereits tief in die Tasche greifen: Die französische BNP Paribas zahlte knapp neun Milliarden Dollar, die Commerzbank 1,45 Milliarden Dollar.
Ende 2013 zahlte die Deutsche Bank 1,4 Milliarden Euro für die Beilegung ihres größten Rechtsstreits im Zusammenhang mit fragwürdigen Hypothekengeschäften in den USA. Das Institut soll vor der Finanzkrise beim Verkauf von Wertpapieren, die mit Hypotheken unterlegt sind, falsche Angaben gemacht haben. Andere Verfahren, die die amerikanischen Federal Housing Finance Agency (FHFA) gegen die Deutsche Bank und weitere Häuser angestrengt hatte, sind aus dem Vergleich jedoch ausgeklammert. Auch andere Klagen liegen noch auf dem Tisch und könnten potenziell viel Geld kosten.
Die Bank ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts München mitverantwortlich für die Pleite des Medienkonzerns im Jahr 2002. Grund ist ein Interview des damaligen Bankchefs Rolf Breuer, in dem dieser Zweifel an Kirchs Kreditwürdigkeit gesät hatte. Anfang 2014 einigten sich die Streitparteien in einem Vergleich zwar auf Schadenersatz von 925 Millionen Euro. Doch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen einzelne Spitzenmanager der Bank wegen versuchten Prozessbetrugs liefen weiter. Die Staatsanwaltschaft München erhob schließlich Anklage gegen Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen sowie die früheren Spitzenmanager Josef Ackermann, Rolf Breuer und Clemens Börsig. Prozessauftakt war im April, das Verfahren zieht sich. Die Ermittlungen wurden zudem auf den heutigen Rechtsvorstand Stephan Leithner und die Anwälte der Bank ausgeweitet.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Bank wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Betrug mit CO2-Verschmutzungsrechten. Rund 500 bewaffnete Polizisten und Steuerfahnder hatten deshalb Ende 2012 den Hauptsitz der Bank in Frankfurt und andere Büros durchsucht. Co-Chef Fitschen und der langjährige Finanzvorstand Stefan Krause gehörten zu ursprünglich 25 Mitarbeitern der Bank, gegen die in der Affäre wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde. Denn Fitschen und Krause hatten die auf dem CO2-Betrug basierende Steuererklärung unterzeichnet. Im August diesen Jahres erhob die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt schließlich gegen acht beteiligte Kundenbetreuer und Händler der Deutschen Bank Anklage wegen "bandenmäßiger Steuerhinterziehung".
Wegen der Manipulation wichtiger Referenzzinssätze wie Euribor und Libor musste die Deutsche Bank viel Geld abdrücken. Die EU-Kommission verhängte Ende 2013 eine Strafe von 1,7 Milliarden Euro gegen sechs Großbanken, davon entfiel mit 725 Millionen Euro der Löwenanteil auf das Frankfurter Geldhaus. Die Behörden in Großbritannien und den USA brummten der Bank eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar auf. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hat in ihrem Bericht zur Zinsaffäre eine Reihe von Top-Managern scharf angegriffen und ihnen zu laxe interne Kontrollen beziehungsweise eine mangelnde Aufklärung der Tricksereien vorgeworfen. Darunter war auch Co-Vorstandschef Anshu Jain, der im Frühsommer sein Amt zur Verfügung stellte. Einen Zusammenhang zwischen dem Rücktritt und dem BaFin-Bericht wies die Bank allerdings zurück.
Mit vier mutmaßlich in den Zinsskandal verwickelten Händlern hat sich die Deutsche Bank in Frankfurt nach langem Hin und Her auf einen Vergleich geeinigt, der ebenfalls Geld kostete.
Ob das Zinskapitel wirklich abgeschlossen ist, ist offen. In den USA könnten auch Sammelklagen von Anlegern gegen die Bank zugelassen werden. Sie müssen aber eindeutig nachweisen, dass ihnen durch die Manipulationen Nachteile entstanden sind.
Aufseher, darunter auch die BaFin, gehen dem Verdacht nach, dass Banken am billionenschweren Devisenmarkt ebenfalls getrickst haben. Einige internationale Großbanken haben in der Sache bereits milliardenschwere Vergleiche geschlossen. Die Deutsche Bank als einer der größten Devisenhändler der Welt nicht. Sie hat Finanzkreisen zufolge aber mehrere Händler vom Dienst suspendiert. Sie stehen offenbar im Verdacht, an Referenzkursen gedreht zu haben. Die Deutsche Bank hat erklärt, dass sie zur Aufklärung des Skandals mit verschiedenen Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet und zudem eine interne Untersuchung gestartet hat. Diese Untersuchung ergab nach Angaben aus Finanzkreisen, dass es bislang keinerlei Hinweise auf Tricksereien bei den großen Währungen Euro, Dollar, Pfund und Yen gibt, wohl aber vereinzelt beim russischen Rubel und dem argentinischen Peso.
Vom Haken sind die Frankfurter aber nicht: In der US-Niederlassung der Bank installierte die New Yorker Finanzaufsicht DFS einen Kontrolleur, der sich Finanzkreisen zufolge nun schon seit einigen Monaten das elektronische Devisenhandelssystem genauer anschaut. Demnach sind Algorithmen der Plattform "Autobahn" Teil der Ermittlungen.
Amerikanische und deutsche Aufseher gehen zudem dem Verdacht nach, dass Geldhäuser den viel beachteten Marktindex für Swap-Geschäfte (Isdafix) zu ihren Gunsten beeinflusst haben. Sie haben auch dazu Informationen von der Deutschen Bank angefordert.
Das US-Justizministerium ermittelt seit mehr als fünf Jahren gegen Finanzinstitute in der Schweiz wegen mutmaßlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Am Haken haben die Behörden seit 2013 auch die Deutsche Bank. Deren Schweizer Tochter erstatte Selbstanzeige. Finanzkreisen zufolge hat sich die Deutsche Bank bei den US-Behörden gemeldet, weil sie den Verdacht hegte, einige US-Kunden könnten ihr Vermögen in der Schweiz vor dem heimischen Fiskus versteckt haben. Seither würden Daten an die USA geliefert und Anfragen beantwortet. Eine Strafzahlung könne die Bank damit aber wohl nicht abwenden, sondern nur auf einen Rabatt hoffen. Eine Entscheidung steht noch aus. Das Bußgeld kann sich auf bis zu 50 Prozent der versteckten Gelder belaufen.
Vorstandschef Cryan, im Sommer 2015 mit dem Versprechen angetreten, in der Bank konsequent auszumisten, zog sich nun das Büßerhemd an: "Unser Verhalten in dieser Angelegenheit in den Jahren 2005 bis 2007 entspricht nicht unseren Standards und ist nicht akzeptabel", erklärte der Brite. "Wir entschuldigen uns uneingeschränkt dafür. Wir haben uns inzwischen aus vielen der betroffenen Geschäfte zurückgezogen und unsere Standards umfassend verbessert."
Als Geldbuße muss die Bank unmittelbar 3,1 Milliarden Dollar zahlen. Der große Rest entfällt auf finanzielle Zugeständnisse an Kunden in den USA in den nächsten fünf Jahren. Wie genau das passieren soll, dazu hüllt sich die Bank in Schweigen. In ähnlichen Fällen bei Konkurrenten schlugen derartige Vergünstigungen nur zu etwa 20 Prozent auf die Bilanz durch, die tatsächliche Belastung dürfte sich also in Grenzen halten.
Mit der Credit Suisse hatte sich das US-Justizministerium ebenfalls kurz vor Weihnachten auf 5,3 Milliarden Dollar geeinigt, davon 2,5 Milliarden in bar. Zum Stand der Dinge mit den Schweizern äußerte sich Loretta Lynch am Dienstag zunächst nicht. Die parallel geführten Verhandlungen mit der britischen Bank Barclays waren dagegen Ende 2016 geplatzt. Der Streit geht nun wohl vor Gericht.
Die Deutsche Bank kann die Strafe nach Einschätzung der meisten Analysten ohne Kapitalerhöhung stemmen. Doch schwelen nach wie vor noch andere große Rechtsstreitigkeiten, etwa der Geldwäsche-Skandal in Russland. Auch hier ermitteln die US-Behörden an vorderster Front. Die Aufarbeitung dieser Affäre bindet intern ebenfalls viele Ressourcen, wie Insider berichten. Dabei würde sich Cryan gerne wieder verstärkt strategischen Themen widmen. Denn einige mächtige Großinvestoren scharren mit den Hufen - sie wünschen sich abermals eine Überarbeitung des Geschäftsmodells. Hier werden im Frühjahr, spätestens zur Hauptversammlung im Mai, Korrekturen erwartet. Dabei geht es laut Finanzkreisen vor allem um die Zukunft der Postbank, die sich als unverkäuflich erweist, und um weitere Einschnitte im Investmentbanking.