HSH Nordbank Im Bann der Scheinmilliarde

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Erstaunlicher Abschlag

Dabei wäre der Inhalt der Vereinbarungen für die Landesparlamentarier durchaus interessant. Die Kredite, notiert Notar Martens, hätten insgesamt ein Volumen von 6,32 Milliarden Euro. Wegen Zahlungsschwierigkeiten der Schuldner standen sie Ende 2017 noch mit einem Wert von 3,53 Milliarden Euro in den Büchern der HSH. Beim Verkauf an eine von den Finanzinvestoren eigens gegründete Zweckgesellschaft liegt der Wert nun bei 2,45 Milliarden Euro. „Dies entspricht einem Abschlag zum Nettobuchwert von 1,08 Milliarden Euro“, ist im Protokoll vermerkt.

Wie dieser Abschlag zustande kommt, ist unklar. In einem Informationsschreiben an die Hamburger Bürgerschaft teilt der Senat mit, dass der Wert durch ein Gutachten ermittelt werde. Dessen Ergebnis aber verschweigt er. Der hohe Abschlag ist erstaunlich, weil HSH-Chef Stefan Ermisch zuletzt immer wieder erklärt hat, dass die Bank alle Vermögenswerte konservativ bewertet habe. Zuletzt hat sich die Lage auf den lange kriselnden Schiffsmärkte zudem nicht mehr verschlechtert, sondern sogar leicht erholt. In Finanzkreisen heißt es, dass der Preis den derzeitigen Markt spiegele. Und letztlich Verhandlungssache gewesen sei. Die Länder erklären, dass die Transaktion vor allem Sache der Bank sei. Seitens der Bank heißt es dagegen, die Länder hätten das mit vorangetrieben und letztlich ja durch die Hauptversammlung abgenickt. Der Kreditverkauf mit dem Abschlag sei so nur möglich gewesen, weil die Bank schon in der Vergangenheit so hohe Risikovorsorge gebildet habe. Die zusätzliche Risikovorsorge von einer Milliarde Euro werde nicht gegen die Garantie der Länder gerechnet, sondern ginge auf das Konto der Bank. Die „einmaligen negativen Bewertungsergebnisse“ durch die Transaktion, heißt es in einer Mitteilung der HSH, sorgten dafür, dass die Bank 2017 statt des erwarteten Gewinns wohl einen Verlust im mittleren dreistelligen Millionenbereich einfahren werde.

Wie sich der Wert der Kredite künftig entwickelt, ist unklar. Viele Käufer von Schiffskrediten haben sich in der Vergangenheit verkalkuliert. Für Cerberus und Flowers ist die plötzliche Wertminderung jedoch eine große Chance. Wenn die Kredite bloß so viel wert sind, wie von der HSH noch zuletzt angenommen, haben sie schon allein damit den Kaufpreis für die Bank wieder in der Kasse. Jede weitere Wertsteigerung können sie als Gewinn verbuchen.

Für die Länder ist die Rechnung dagegen weniger vorteilhaft. Auch wenn zusätzliche Risikovorsorge zu Lasten der Bank geht: viele der Kredite aus dem Portfolio X sind von ihrer Garantie abgesichert, die wohl in voller Höhe beansprucht wird. Bis der Verkauf endgültig beschlossen ist, müssen die Abgeordneten in den Landesparlamenten noch zustimmen. Ob die jetzt gefundene Lösung tatsächlich die beste ist, werden sie kaum beurteilen können. Laut Insidern gab es zumindest andere Interessenten, die zwar einen niedrigeren Kaufpreis geboten, aber auch weniger Garantien in Anspruch genommen hätten. Der US-Investor Apollo etwa habe die faulen HSH-Kredite ohne zusätzliche Ländergarantien abwickeln wollen, sagen Insider.

Dass die jetzt gefundene Lösung die beste ist, zweifelt auch eine Gruppe von Investoren an, die HSH-Anleihen gekauft hatten. Wegen des Verlusts erhalten sie in den kommenden Jahren keine Zinsen. Seit Wochen bereiten sie deshalb eine Klage vor.

Schon vor der zweifelhaften Vereinbarung zum Portfolio X gab es in Scholz’ Amtszeit einen ähnlichen Fall erstaunlichen Wertverlusts. Im Sommer 2016 übernahmen Hamburg und Schleswig-Holstein von der HSH faule Kredite für ein Portfolio von 256 Schiffen. Auch da ermitteln Gutachter den Preis, 2,4 Milliarden Euro Steuergeld zahlten die Länder für die Flotte. Schon wenige Monate später war klar, dass die Kredite viel weniger wert waren als gedacht, hohe Wertberichtigungen folgen. Ende September 2017 waren von den 2,4 Milliarden Euro gerade mal 1,7 Milliarden Euro übrig, obwohl erst wenige Schiffe aus dem Portfolio verkauft wurden.

Scholz ist offensichtlich trotzdem von Zweifeln unberührt. „Wir haben ein sehr gutes Ergebnis erzielt“, erklärte er nach dem Verkauf vor dem Hamburger Senat. Dabei hatte er das Verhandeln anderen überlassen. Vertreter Schleswig-Holsteins hätten sich gar beschwert, dass die Hamburger Führungsriege so oft die Debatten schwänze, sagen Beteiligte. Seit seinem Wechsel nach Berlin fühlt sich Scholz für das Thema nicht mehr zuständig. Sein Nachfolger Peter Tschentscher muss nun sehen, wie er die Hinterlassenschaft ausbadet. Seinen Haushalt belastet die HSH mit drei Milliarden Euro.

Finanziell leiden müssen auch die Mitarbeiter der HSH. Selbst ihnen vermiest das Portfolio X die Aufbruchstimmung. Viele von ihnen haben die faulen Kredite zusammengestellt, Überstunden gemacht. Belohnt werden sie dafür wohl nicht. Weil die Bank Verlust macht, dürfte ihr Bonus ausfallen.

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