Imposante Jahreszahlen Wird die Deutsche Bank zum Opfer des eigenen Erfolgs?

Die Deutsche Bank kann mit dem besten Ergebnis seit zehn Jahren glänzen – doch dieser Erfolg hat Tücken. Quelle: imago images

Das beste Ergebnis der vergangenen zehn Jahre verdankt die Deutsche Bank einmal mehr ihrem Investmentbanking. Doch dort lauert auch die größte Gefahr.

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Ganz klar: Dies soll der Tag des Christian Sewing sein. Der Vorstandschef will nicht nur das beste Ergebnis der Deutschen Bank seit zehn Jahren präsentieren, er will auch ernten, was er gesät hat. Trotz großer Skepsis und mit enormen Anstrengungen sei die bei seinem Amtsantritt vor knapp vier Jahren schwer angeschlagene Bank nun wieder voll auf Kurs und könne es sich sogar wieder leisten, Geld an ihre Aktionäre auszuschütten. Er, seine Führungscrew und alle Beschäftigten der Deutschen Bank haben in den vergangenen Jahren alles richtig gemacht. Das soll die Botschaft sein. Und es stimmt ja: Zugetraut hätte eine derartige Kehrtwende dem dahinsiechenden Institut niemand.

Zweifel daran, dass die Bank die für das Jahresende ausgerufenen Ziele verfehlen könnte, wollen Sewing und Finanzvorstand James von Moltke denn auch gar nicht aufkommen lassen – auch wenn das Institut im Detail noch ein ganzes Stück von den eigenen Vorgaben entfernt ist. Fragen nach Risiken auf diesem Weg moderiert das Duo bestimmt ab: Die steigende Inflation? Die Deutsche Bank ist bei ihren Kreditengagements betont konservativ, die Risikovorsorge wird deshalb ähnlich niedrig bleiben wie in diesem Jahr. Die Russlandkrise? Die Bank ist vorbereitet und hat ihr Geschäft in dem Land in den vergangenen Jahren zudem deutlich zurückgefahren. Das Ende des SPAC-Booms, von dem die Deutsche Bank überproportional profitiert hat? Der Anteil des Geschäfts mit den leeren Börsenmänteln an den Erträgen der Investmentbank war schon in den vergangenen Quartalen nicht mehr so signifikant wie Anfang 2021.

Schmallippig wird Sewing nur bei einem Thema, mit dem die Bank in den vergangenen Monaten unfreiwillig für Aufsehen gesorgt hat. Fragen zu Greenwashing-Vorwürfen gegen den hauseigenen Vermögensverwalter DWS und möglichen Verfehlungen von dessen Chef Asoka Wöhrmann beantwortet er ausweichend. Vor wenigen Tagen erst hatte die „Financial Times“ darüber berichtet, dass Wöhrmann intensiv geschäftlich über seine private E-Mail-Adresse korrespondiert hatte.

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Die DWS kommt nicht zur Ruhe: Die Bankenaufsicht der EZB schaut sich laut Informationen der Nachrichtenagentur Reuters die Unternehmensführung der DWS genauer an. Es soll um Corporate-Governance-Fragen gehen.

Auch wenn die Bank die Erträge in allen vier Geschäftszweigen steigern konnte, hängt ihr Erfolg weiter ganz überwiegend am Investmentbanking. Auf Jahressicht trug dieses 3,7 Milliarden Euro zum Vorsteuergewinn bei, Unternehmensbank, Privatkundengeschäft und DWS kamen gemeinsam auf zwei Milliarden. Im Vergleich zum boomenden Jahr 2020 legte die Bank hier nochmals zu. Während die Erträge im Handel auf Jahressicht konstant blieben und auf Quartalssicht leicht fielen, stiegen sie bei der Emission und Beratung deutlich an. Ein wichtiger Grund dafür ist das boomende Geschäft mit Fusionen und Übernahmen.

Sewing und von Moltke sehen das Ergebnis auch als Beleg dafür, dass ihre Investmentbank nicht nur von der vor allem zu Beginn der Pandemie hohen Nachfrage nach Finanzierungen profitiert hat, statt eines Ausreißers nach oben nehmen sie für sich konstante Stärke in Anspruch. Trotzdem bleiben die Risiken erheblich. Der Übernahmeboom könnte seinen Höhepunkt bei steigenden Zinsen rasch überschritten haben. Und das Geschäft mit Krediten an bonitätsschwache Schuldner, sogenannten Leveraged Loans, nehmen die Aufseher zusehends kritisch ins Visier.    

Davon will sich die Deutsche Bank nicht bremsen lassen. Es sei eine Fehlannahme gewesen, wenn Leute meinten, sie ziehe sich aus dem globalen Kapitalmarktgeschäft zurück, sagte Sewing. Er sieht das Institut hier wieder als konkurrenzfähig – auch bei den Gehältern, wo sie „marktüblich“ bezahlen soll. Was das heißt machen die Zahlen deutlich: So hat die Investmentbank die Zahl ihrer Mitarbeiter auf Jahressicht zwar um knapp 400 auf 7200 reduziert, der Personalaufwand steigt aber dennoch um gut 100 Millionen Euro auf 2,2 Milliarden Euro. Damit wächst nicht nur die Gehaltskluft innerhalb der Bank, deren rund 28.000 Mitarbeiter im Privatkundengeschäft insgesamt 2,8 Milliarden Euro kassieren. 

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Es steigt auch abermals das Risiko, dass sich die Bank übernimmt. Denn deutlich stärkere Wettbewerber, allen voran die großen US-Banken, fachen den Wettlauf bei den zuletzt bereits deutlich gestiegenen Gehältern weiter an – auch weil sie es sich angesichts um ein Vielfaches höherer Gewinne locker leisten können. Sollte die Deutsche Bank hier um jeden Preis mithalten wollen und das Augenmaß verlieren, während sich gleichzeitig das Geschäft abschwächt, droht ihr ein empfindlicher Rückschlag. Und die Erkenntnis, dass gut womöglich eben doch nicht gut genug ist.  

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