
WirtschaftsWoche: Herr Kemmer, die Commerzbank baut 9000 Stellen ab und um die Deutsche Bank gibt es große Sorgen. Wie solide sind die deutschen Banken?
Michael Kemmer: Der Sektor ist insgesamt stabil, das hat auch der letzte Stresstest der EZB gezeigt. Die Banken haben ausreichend Kapital und Liquidität. Ich sehe keinen Grund zur Sorge.
Viele Investoren offenbar schon. Sie bewerten die wenigen deutschen Banken, die an der Börse notiert sind, noch deutlich schlechter als viele Institute aus Krisenländern.
Keine Frage, die Kurse sind unbefriedigend. Das liegt aber vor allem an Unsicherheiten über die künftige Profitabilität und teilweise auch an noch nicht erledigten Rechtsverfahren. Die niedrigen Zinsen, der intensive Wettbewerb, der digitale Wandel des Geschäfts und die Regulierung setzen die Erträge der Banken unter Druck. Aber sicher zweifelt kein Investor an der Qualität der von deutschen Banken vergebenen Kredite.
Aufseher und selbst der IWF kritisieren die mangelnde Profitabilität und damit die Geschäftsmodelle deutscher Banken. Was sollen sie tun?
Sie können weiter sparen und so die Effizienz verbessern. Gerade über die Digitalisierung von Prozessen lassen sich die Kosten noch deutlich senken. Und trotz der schon erfolgten Schließungen sehe ich immer noch Überkapazitäten im Filialnetz.





Nur Sparen kann doch nicht die Antwort sein. Warum gibt es keine innovativen Konzepte?
Ich wüsste tatsächlich nicht, in welchem Segment in absehbarer Zeit größere Wachstumsraten möglich sein sollten. Die Niedrigzinsen drücken die Erträge und auch die Kreditnachfrage bleibt verhalten. Zudem fordert und sie Umsetzung der Regulierung, da bleibt wenig Raum für Visionen. Perspektivisch können sich aus der Digitalisierung neue Erlösmodelle entwickeln, etwa indem wir die Daten der Kunden besser nutzen
Könnte wenigstens der Brexit den Bankenstandort stärken, weil Institute Aktivitäten nach Deutschland verlagern?
Etliche Banken in Großbritannien denken darüber nach. Hier gibt es sicher eine Chance für den Finanzplatz Frankfurt, der international durchaus attraktiv ist, ich würde mir in dieser Frage noch mehr Unterstützung durch die Politik wünschen.
In diesem Szenario sind Zusammenschlüsse von Banken unvermeidbar.
Rückblickend ist da schon einiges passiert. Vergleichen Sie nur die heutige deutsche Bankenlandschaft mit der vor 15 Jahren. Auch wenn Fusionen im aktuellen Umfeld zunächst logisch erscheinen, muss man sehen, dass dieses Konzept von Regulatoren nicht als attraktiv empfunden wird. Big ist nicht mehr beautiful im Bankgeschäft, zumindest wenn sie die aufsichtliche und regulatorische Seite betrachten.
Die EU-Berichterstatterin Esther de Lange hat ein neues Konzept für eine europaweite Einlagensicherung vorgelegt. Was halten Sie davon?
Der Bericht geht in die richtige Richtung. Denn bisher hatte die Kommission ein Konzept verfolgt, bei dem Banken eines Landes für die Risiken von Banken anderer Länder haften müssen, ohne dass sie diese Haftung beeinflussen können. Von dieser Idee verabschiedet sich der aktuelle Entwurf zwar nicht vollständig, knüpft die Haftung aber an deutlich engere Bedingungen. Trotzdem bleibt es auch in dieser Fassung dabei, dass Kontrolle und Haftung letztlich auseinanderfallen. Insofern sehen wir weiteren Gesprächsbedarf.