Martin Blessing und Michael Diekmann wollen sich feiern. Nach monatelangen Verhandlungen haben die Chefs von Commerzbank und Allianz die Übernahme der Dresdner Bank endlich klar gemacht. Als sie das Ergebnis im August 2008 der Presse vorstellen, strahlen beide Topmanager ebenso selbst- wie zukunftssicher. Und entwerfen die Vision eines soliden Superinstituts, einer idealen Heimat für deutsche Sparer und Mittelständler, eines zweiten nationalen Champions.
Hebert Walter muss bei dieser fröhlichen Übung den traurigen Teil übernehmen. Der Chef der Dresdner Bank, im fusionierten Institut mit dem Alibi-Posten des Marketingvorstands bedacht, überbringt die unangenehmen Nachrichten des Zusammenschlusses. Den Abbau tausender Stellen, das Ende hunderter Filialen. Er tut das so, wie er seine Aufgaben in seiner Karriere immer erledigt hat. Sachlich, fast emotionslos, korrekt, pflichtbewusst.
Seitdem sind mehr als sechs Jahre vergangen. Die Dresdner Bank ist längst verschwunden, die Commerzbank musste der Staat mit zwischenzeitlich 18 Milliarden Euro Staatshilfe retten. Mittlerweile hat das Institut den allergrößten Teil davon zurückgezahlt, doch der Bund ist nach wie vor der größte Aktionär. Da ist es schon eine Ironie der Geschichte, dass sich der 61-jährige Walter nun im Auftrag des Steuerzahlers wieder mit der Bank beschäftigt.
Walter ist bestens vernetzt
An diesem Donnerstag übernimmt er den Vorsitz des Leitungsausschusses der Finanzmarktstabilisierungsanstalt FMSA. Die managt den Rettungsfonds Soffin, verwaltet die Bankenabgabe und wird künftig für die Abwicklung deutscher Institute zuständig sein. Walter übernimmt zwar nicht die laufende Verantwortung für das Management des Anteils an der Commerzbank. Doch bei dessen anstehender Privatisierung wird er ebenso wie beim für dieses Jahr geplanten Verkauf oder Börsengang der Deutschen Pfandbriefbank eine zentrale Rolle spielen.
Für die ist Walter eine gute – oder besser – eine korrekte Wahl. Er ist nach wie vor bestens vernetzt, seine Kompetenz ist ebenso unbestritten wie seine persönliche Integrität. Walter ist ein Pflichtmensch, ein zutiefst preußischer Bayer, der sich mit großem Eifer in den Schatten seiner Aufgabe stellt. Nach dem Zusammenschluss verließ er die Commerzbank schon nach wenigen Wochen – und verzichtete anders als mancher Kollege auf eine Millionenabfindung. Wenig später machte er mit dem früheren Bahnchef Hartmut Mehdorn eine Berater-Bürogemeinschaft auf. Walter unterstützte Gründer ebenso wie hochrangige Manager, gelegentlich trat er sogar in Talkshows auf. Fast unbemerkt profilierte er sich daneben als Experte für schwierige Fälle. Vor allem sein Engagement im Aufsichtsrat der irischen HRE-Tochter Depfa beeindruckte wohl auch die für die FMSA Verantwortlichen im Finanzministerium.
Ein Mann der kleinen Details
Etwas überschattet werden Walters fachliche Qualitäten in der Erinnerung ehemaliger Mitarbeiter von seinem fast schon legendären Hang zur Pedanterie. Frühere Untergebene berichten noch heute, wie ihr Chef sich stundenlang in kleinste Details von Präsentationen verbiss und sie mit diesen bis in den Schlaf verfolgte. Seit seinem Abschied von der Macht ist Walter jedoch regelrecht aufgeblüht. Wer ihm mittags in einem der von ihm bevorzugten italienischen Restaurants im Frankfurter Westend begegnete, traf einen Mann, der wie befreit von einer Last wirkte.
Das sind die größten Banken Europas
Barclays (Großbritannien) - Marktkapitalisierung (2011): 36,1 Milliarden Euro
Deutsche Bank (Deutschland) - Marktkapitalisierung (2011): 36,1 Milliarden Euro
Royal Bank of Scotland (Großbritannien) - Marktkapitalisierung (2011): 36,6 Milliarden Euro
UBS (Schweiz) - Marktkapitalisierung (2011): 41,3 Milliarden Euro
BNP Paribas (Frankreich) - Marktkapitalisierung (2011): 45,4 Milliarden Euro
Standard Chartered (Großbritannien) - Marktkapitalisierung (2011): 45,5 Milliarden Euro
Allied Irish Banks (Irland) - Marktkapitalisierung (2011): 48,8 Milliarden Euro
Banco Santander (Spanien) - Marktkapitalisierung (2011): 54,3 Milliarden Euro
Sberbank (Russland) - Marktkapitalisierung (2011): 55,9 Milliarden Euro
HSBC Holdings (Großbritannien) - Marktkapitalisierung (2011): 120,8 Milliarden Euro
Er hatte es tatsächlich nicht leicht. Als er 2003 an die Spitze der Dresdner Bank wechselte, waren die Hoffnungen groß. Die Allianz wollte nach der Übernahme im Jahr 2001 endlich ihre Vision des Allfinanzkonzerns durchsetzen, Walter stand damals an der Spitze der Innovation. Von 1999 bis 2002 war er Chef der „Deutschen Bank 24“. In die hatte Deutschlands größtes Geldhaus damals sein Geschäft mit gewöhnlichen Privatkunden ausgegliedert. Da sich diese davon diskriminiert fühlten, gilt das Projekt heute als strategischer Fehlschlag. Tatsächlich war es mit seiner Fokussierung auf schlanke Prozesse und einfache Dienstleistungen wegweisend. Zahlreiche Manager, die heute im deutschen Privatkundengeschäft an der Spitze stehen, sind damals durch Walters ebenso harte wie gute Schule gegangen. Zu ihnen zählen Frank Strauß, heute Chef der Postbank und Andree Moschner, Vorstand bei der Allianz Deutschland.
Walter muss für die FMSA eine Rolle finden
Letztlich blieb Walters fünfjährige Mission bei der Dresdner Bank erfolglos. Statt innovativer Ideen musste er immer neue Sparvorgaben aus München umsetzen. Die teuer eingekauften Investmentbanker von Dresdner Kleinwort bescherten der Bank keine Gewinnsprünge, sondern Verluste. Was sie im Allfinanzkonzept überhaupt noch zu suchen hatten, blieb bis zum Ende offen.
Dennoch werden die Erfahrungen mit dem Großaktionär Walter auch bei seiner neuen Aufgabe nützen. Für ihn wird es in seiner dreijährigen Amtszeit vor allem darum gehen, eine echte Rolle für die FMSA zu finden. Auf mittlere Sicht soll diese als „Anstalt in der Anstalt“ in die Finanzaufsicht Bafin integriert werden.
Was das genau bedeutet, ist ebenso unklar wie ihre Rolle bei künftigen Abwicklungen. Für größere Banken wird ab dem kommenden Jahr der neue Europäische Abwicklungsmechanismus SRM unter Führung der noch amtierenden Bafin-Präsidentin Elke König zuständig sein, kleinere Institute werden vermutlich wie bisher vor allem vom Einlagensicherungsfonds der privaten Banken aufgefangen. Die FMSA wäre dann vor allem für die Umsetzung der europäischen Vorgaben in deutsches Recht zuständig. Das wäre nicht allzu viel. Doch wie auch immer die Aufgabe aussieht: Walter wird sie ebenso eifrig wie pflichtbewusst erfüllen.