Wirecard Kein Ende der Turbulenzen in Sicht

Bei Wirecard dürfte so schnell keine Ruhe einkehren. Quelle: obs

Neue Ermittlungen gegen Tochtergesellschaften in Indien und eine Verkaufsempfehlung lassen den Aktienkurs abstürzen: Beim Zahlungsabwickler Wirecard dürfte so schnell keine Ruhe einkehren.

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Vor einigen Wochen noch hatte sich Wirecard-Chef Markus Braun in einer Telefonkonferenz mit Analysten, Investoren und Journalisten völlig entspannt gegeben: Die Financial Times hatte zuvor über mögliche Betrugsvorfälle bei Wirecard in Singapur berichtet, woraufhin der Aktienkurs von Wirecard abgestürzt war. Doch Braun erklärte die Sache zum „Non-Event“, „auf das er nicht zu viel Energie verwenden wolle“. Man könne schon bald zum Tagesgeschäft zurückkehren.

Nun wird langsam klar, dass Braun mit seiner Prognose ziemlich danebengelegen hat. Heute sackte der Kurs der Aktie abermals deutlich, nachdem die amerikanische Investmentbank Citigroup empfohlen hatte, die Aktie von Wirecard zu verkaufen. Es ist kaum zu erwarten, dass bald wieder Ruhe einkehrt.

Ein Blick zurück: Im Januar berichtete die „Financial Times“ (FT), dass ein ranghoher Mitarbeiter von Wirecard, Bilanzen gefälscht haben soll. Konkret soll Geld verschoben worden sein, um Scheinumsätze für die Wirecard-Tochter in Singapur zu generieren. Wirecard hatte die Vorwürfe damals als „falsch, ungenau, irreführend und diffamierend” zurückgewiesen und auch umgehend Schützenhilfe von mehreren Analysten erhalten. So bezeichnete etwa Heike Pauls von der Commerzbank die Berichterstattung der FT als „weitere Fake News“ eines Journalisten, obwohl auch sie - mangels Primärinformationen - wohl kaum in der Lage gewesen sein dürfte seriös zu beurteilen, ob die Vorwürfe stimmen.

Das Vertrauen in Wirecard, ganz besonders in Braun, war hoch. Der Zahlungsabwickler hatte schon vor Monaten eine Anwaltskanzlei beauftragt, die Vorgänge in Singapur zu prüfen. Bis Januar wollen die Juristen auch noch keine Hinweise auf strafbare Handlungen gefunden haben. Das stimmte so manche Analysten zuversichtlich. Wenn Anfang April, zusammen mit den Zahlen für das Jahr 2018, der Abschlussbericht der Kanzlei präsentiert werde, sei der Spuk gewiss vorbei, glaubte auch so mancher Investor.

Doch selbst wenn der Bericht tatsächlich positiv für Wirecard ausfällt, ist mit einem Ende der Turbulenzen erst einmal nicht zu rechnen. Die Polizei in Singapur hat umfangreiche Ermittlungen wegen möglicher Geldwäsche und Dokumentenfälschungen gegen Wirecard-Mitarbeiter aufgenommen. Es hat mehrere Hausdurchsuchungen gegeben. Wirecard hatte zwar erklärt, mit den Behörden zu kooperieren. Dieser Tage wurde jedoch bekannt, dass die Ermittler eher den Eindruck haben, dass der Konzern sie behindere.

Im Fokus der Prüfungen stehen mittlerweile wohl Wirecard-Gesellschaften in Hongkong, Malaysia und Indonesien. Wie heute bekannt wurde ist auch die Indien-Tochter verwickelt, über deren dubiose Historie die WirtschaftsWoche bereits im Sommer berichtet hatte.

2015 hatte Markus Braun von der Great Indian Retail Group (GI Retail) einen Zahlungsabwickler übernommen, für 340 Millionen Euro, inklusive Erfolgsprämie. Das entsprach damals dem 50-fachen des Jahresergebnisses der indischen Firma - die mögliche Erfolgsprämie noch nicht eingerechnet. Ein gigantischer Kaufpreis. Und wie die WirtschaftsWoche im vergangenen Sommer berichtete, erwies sich der Kauf im Nachgang auch als äußerst dubios.

Denn von der dreistelligen Millionensumme, die Braun für die indische Firma gezahlt hatte, kam beim ursprünglichen Eigentümer GI Retail offenbar nur ein deutlich geringerer Betrag an. Laut Jahresabschluss erzielte GI Retail mit dem Verkauf von Tochterunternehmen zwischen April 2015 und März 2016 weniger als 40 Millionen Euro. Wirecard erklärte daraufhin, man habe das Payment-Geschäft auch nicht der GI Retail sondern einer Gesellschaft namens "Emerging Markets Investment Fund 1a" auf Mauritius abgekauft. Der Jahresabschluss von GI Retail legt nahe, dass diese Gesellschaft auf Mauritius aber erst einen Monat vor dem Weiterverkauf an Wirecard, Eigentümer des Payment-Geschäfts geworden war. Die Begünstigten der Mauritius-Firma könnten folglich in wenigen Wochen eine dreistellige Millionensumme verdient haben. Was dahinter steckt, ist bis heute ungeklärt. GI Retail ließ Fragen zu dem Deal seinerzeit unbeantwortet. Auch Wirecard wollte im Sommer keine weiteren Erläuterungen hierzu abgeben.

Angesichts der jüngsten Vorwürfe hat die Citigroup die Aktie von Wirecard am Freitag von "Neutral" auf "Sell" abgestuft. Zudem senkte die Bank das Kursziel von 144 auf 100 Euro. Sein Blick auf Wirecard sei nun deutlich vorsichtiger geworden, schreibt der Analyst. Er gehe davon aus, dass der Markt angesichts der Unsicherheit im Zusammenhang mit den Vorwürfen die im Business-Modell immanenten Risiken nun höher einkalkuliert.

Der Aktienkurs von Wirecard fiel daraufhin bis zum Nachmittag um neun Prozent.

Hedgefonds können für diese Kurskapriole, anders als in den vergangenen Wochen, nicht verantwortlich gemacht werden. Die Finanzaufsicht BaFin hatte neue Wetten auf einen Kursverfall der Aktie Mitte Februar verboten.

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