Bahnhof des Jahres Privatinvestoren sanieren Mini-Bahnhöfe

Einmal im Jahr zeichnet die Allianz pro Schiene gute Bahnhöfe aus. Der diesjährige Wettbewerb zeigt, dass sich vor allem privates Engagement lohnt. Ein Erfolgsgarant ist es indes nicht.

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Bahnhof Steinheim: Hotel neben dem Bahnsteig. Quelle: dpa

Als die Deutsche Bahn 2010 das Empfangsgebäude des S-Bahnhofs Steinheim an einen Privatinvestor verkaufte, begann der Aufstieg des westfälischen Provinzörtchens zwischen Hannover und Paderborn. Die Unternehmer steckten viele Tausend Euro in den Aufbau eines Hotels und eines griechischen Restaurants. Hinzu kam eine Cafeteria. Der herunter gekommene S-Bahnhof hat sich in wenigen Jahren zu einer schicken Adresse gewandelt. Die Allianz pro Schiene zeichnete Steinheim nun zum „Bahnhof des Jahres 2016“ aus.

Der Bahnhof des 13.000-Einwohner-Städtchens ist damit der Sieger in der Kategorie Kleinstadt-Bahnhöfe. Unter den Großstadt-Bahnhöfen hat es Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern nach vorne geschafft. Die Begründung der Jury: ein Bahnhof mit roter Ziegelstein-Gotik und Vorzeige-Gastronomie.

Zwar ist die jährliche Preisverleihung der Allianz pro Schiene vor allem gut inszenierte PR in eigener Sache. Doch zeigt sie auch, dass es durchaus möglich ist, Bahnhöfe zu schicken Adressen aufzupeppen. Von den rund 5400 Bahnhöfe der Deutschen Bahn gelten vor allem die kleinen Stationen als Sorgenobjekte des Konzerns. Sie sind teuer im Unterhalt, bringen aber kaum Umsatz, wenn nur wenige Hundert Menschen pro Tag auf dem Bahnsteig ein- und aussteigen. Hohe Investitionen in die Sanierung der Empfangsgebäude lohnen sich deshalb nur, wenn private Investoren zusätzliche Menschen anlocken.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will den Staatskonzern neu ausrichten: weniger Gewinn, mehr Gemeinwohl. Bahnchef Grube sieht die Pläne kritisch. Doch am Ende könnten beide davon profitieren.
von Christian Schlesiger

Die Symbiose von Deutsche Bahn und Privatinvestoren hat deshalb seit Jahren System. Seit der Jahrtausendwende verkauft der Staatskonzern die Empfangsgebäude von Bahnhöfen in Deutschland. Das langfristige Ziel:  In Zukunft will die Deutsche Bahn nur rund 500 bis 600 Bahnhofshallen selbst betreiben. Bahnhöfe wie Köln, Frankfurt und Berlin sind wahre Umsatzbringer.

Die Konzernsparte DB Station & Services hat sich so zu einer kerngesunden Säule des Konzerns entwickelt, die jedes Jahr verlässliche Betriebsgewinne an die Zentrale meldet. Nur die Einkaufspassagen in den Hauptbahnhöfen Leipzig und Hamburg (Nordpassage) sind noch in der Hand fremder Investoren. Die Bahn will den Betrieb übernehmen, sobald die Pachtverträge auslaufen.

Doch bei den Mini-Bahnhöfen hört der Spaß für die Deutsche Bahn oft auf. Eine Sanierung lohnt oft nur dann, wenn sie Käufer findet, die mit dem Gebäude zusätzliche Nutzungskonzepte verbindet. Von denen hat die Bahn noch mehrere Hundert.

Die Bahn begann mit der Privatisierung der Gebäude, die für den Betrieb der Züge nicht wichtig sind, bereits zur Jahrtausendwende. Allerdings war die Privatisierungswelle anfangs alles andere als erfolgreich. 2002 verkaufte die Bahn mehr als 1000 Empfangsgebäude in einem Pakt an die First Rail Property GmbH. Statt in die maroden Gebäude zu investieren, wurde First Rail selbst zu einem  Sanierungsfall. Das Unternehmen meldete 2005 Insolvenz an.

Keine Paketverkäufe mehr an Finanzinvestoren

Später wurde das Paket erneut verkauft: an den britischen Investmentfonds Patron Capital. Dieser hat sich zwar verpflichtet, binnen von fünf Jahren 15 Millionen Euro zu investieren. Rückblickend hält Dirk Flege, Chef der Allianz pro Schiene, den Verkauf jedoch für einen Fehler. Er sei 2008 "durchgezogen worden, ohne dass jemals der Bundestag gefragt worden wäre". Jetzt müsse die Bahn "damit leben, dass sich auch verwahrloste Bahnhöfe, die ihr gar nicht mehr gehören, schlecht auf ihren Ruf auswirken", so Flege.

Die Deutsche Bahn sieht das inzwischen ähnlich. Sie hat sich daher von Paketverkäufen verabschiedet. Stattdessen sucht sie meist für jedes Einzelobjekt Kapital bei privaten Investoren und vor allem Kommunen. Auf diese Weise hat die Bahn bereits rund 1000 Gebäude an einzelne Investoren veräußert.

Wo Kunden zufrieden sind – und wo nicht
Pünktlichkeit: Jeder fünfte ICE kam 2015 mindestens sechs Minuten zu spät an. Die Leistungen entsprechen nicht annähernd den Zielen der Deutschen Bahn. Sie will in diesem Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent erreichen, langfristig sogar auf 85 Prozent hoch kommen. Die Tendenz 2016 bleibt jedoch weiter schwach. Im Januar lag die Pünktlichkeitsquote bei 77 Prozent. Quelle: AP
Preise: Die Zeiten der jährlichen Preiserhöhung wegen „gestiegener Energie- und Personalkosten“ sind vorbei. Zumindest im Fernverkehr blieben die Preise seit zwei Jahren stabil - den Fernbussen sei Dank. 19-Euro-Sparpreise locken inzwischen selbst Schüler und Studenten. Die neue Devise des Vorstands: lieber volle Züge statt leerer Kassen. Preislich ist die Bahn inzwischen wettbewerbsfähig. Quelle: dpa
ICE-Restaurant: Leider ist die Küche zu oft kaputt. Mal bleiben die Getränke warm oder der Kaffee kalt. Mitunter fehlen die angepriesenen Snacks wegen schlechter Logistik. Dennoch: Wenn es läuft, dann ist ein Sitz im ICE-Restaurant der schönste Platz im Zug – gerne auch bei einem der guten Weine.Urheber: Volker Emersleben // Deutsche Bahn AG
WLAN: In der zweiten Klasse eines ICE ist WLAN noch immer nicht kostenlos und in der ersten Klasse funktioniert der Download alles andere als einwandfrei. Als 2010 zahlreiche ICE grundsaniert wurden, verzichtete das Unternehmen sogar auf den Einbau der WLAN-Technik. So viel Behäbigkeit wird nun bestraft. Die Fernbusse machen der Bahn in Sachen WLAN was vor. Erst Ende 2016 soll es auch im ICE besser werden. Viel zu spät. Quelle: dpa
Information: Schon mal in Bielefeld am Bahnhof gewesen? Seit Jahren fallen die Anzeigentafeln immer wieder aus. Bielefeld gibt es leider auch anderswo. Und wenn die Anzeigen am Bahnsteig funktionieren, dann korrespondieren sie oft nicht mit den Informationen der Bahn-Apps. In den Zügen sollte die Bahn mal ihre Durchsagen auf Relevanz überprüfen. Immerhin am Bahnsteig soll es bald Entwirrung geben. Die Bahn will Multi-Zug-Anzeigen einsetzen: mit drei Zügen auf dem Display. Das klingt gut. 40 von insgesamt 120 Fernbahnhöfen sind bereits umgerüstet. Quelle: dpa
Apps: Nicht jede Frage an @DB_Bahn beantwortet das Twitter-Team zwar zu voller Zufriedenheit. Dennoch zeigen die Twitterer der Deutschen Bahn, wie schnell und effektiv ein Konzern mit seinen Kunden kommunizieren kann. Eine starke Leistung. Auch der DB Navigator bietet echten Mehrwert. Die Deutsche Bahn beweist mit ihren Apps, dass auch traditionelle Konzerne digitale Maßstände setzen können.   Quelle: dpa
Lounges: Ein großzügiger Service für Vielfahrer: kostenloser Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks. In der ersten Klasse erhalten Fahrgäste auch Bier, Wein und Snacks. Leider ist die zweite Klasse oft zu voll. Die Deutsche Bahn prüft den Aufbau zusätzlicher Lounges in ein bis zwei Städten. Quelle: dpa

Die Erfahrungen damit sind deutlich besser als mit Paketverkaufen an Finanzinvestoren. Vor allem Kommunen hätten ein besonderes Interesse an intakten Bahnhofsgebäuden, heißt es bei der Bahn. Allerdings fehle den Kleinstädten oft das Geld, um die Gebäude zu kaufen und vor allem zu sanieren.

In Bayern sorgte vor wenigen Jahren eine Kooperation von Kommune und Privatinvestor für nachhaltigen Erfolg. In Landsberg Lech steckte ein heimischer Unternehmer gemeinsam mit der Stadt 1,7 Millionen Euro in das Gebäude im italienischen Villenstil. Es wurde erfolgreich saniert. 2007 folgte dann die Auszeichnung zum Bahnhof des Jahres.

Auch andere Konzepte sind denkbar: Im schwäbischen Leutkirch hat eine Genossenschaft den Bahnhof mit einer Wirtshausbrauerei samt Biergarten wiederbelebt. In Cuxhaven bemüht sich eine Bürgerinitiative, den 1898 eröffneten Bahnhof mit neuer Nutzung vor dem Verfall zu bewahren.

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