Der Bilfinger-Konzernbetriebsratsvorsitzende und stellvertretende Aufsichtsratschef Stephan Brückner lehnt einen Verkauf der Sparte ab. Dass dieser zur Diskussion steht und Angebote vorliegen, hatte die Konzernspitze vor zwei Wochen überraschend bekannt gegeben. Der WirtschaftsWoche sagte Brückner nun, Mitte Oktober seien die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat auf die Zwei-Säulen-Strategie eingeschworen worden, bei der Bilfinger sich künftig auf die Bereiche Gebäudemanagement und Bau sowie Industrieservice stütze.
Nur die Energieservice-Sparte sollte verkauft werden. Auch bei der Aufsichtsratssitzung am 16. Dezember sei von einem Verkauf von Gebäudeservice und Bau nicht die Rede gewesen. Brückner: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es für mich deshalb nur die Zwei-Säulen-Strategie, eine andere kenne ich nicht. Wir haben sie verinnerlicht, die Zwei-Säulen-Strategie.“ Ob Vorstandschef Per Utnegaard hohe Kaufangebote für die Gebäudemanagement- und Bau-Sparte vorlägen, sei deshalb „für die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat nicht von Interesse“.
Bilfingers Kandidaten-Karussell
Wer kommt in Frage für die Übernahme der erfolgreichen Gebäudemanagement- (neudeutsch Facility-Management, kurz FM) und Bau-Sparte des erfolgslosen Bilfinger-Konzerns? Seit in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass Bilfinger-Vorstandschef Per Utnegaard doch bereit ist, sein einziges Tafelsilber zu verkaufen, wird eifrig spekuliert über die potentiellen Kauf-Kandidaten. Hier – in alphabetischer Reihenfolge - die wiwo.de- Einschätzung, wer wirklich auf dem Kandidaten-Karussell sitzen könnte und wer nicht.
Der spanische Baukonzern hat das Gebäudemanagement seiner feindlich übernommenen deutschen Tochter Hochtief vor zweieinhalb Jahren an die französische Spie-Gruppe verkauft. Würde sich ACS-Großaktionär Florentino Perez nun bei Bilfinger zum Höchstpreis wieder in dasselbe Geschäft einkaufen? Kaum zu glauben. Es wäre eine Eigentor, das dem Unternehmer und Präsidenten von Real Madrid kaum zuzutrauen ist. Übernahme-Chance: fast null.
CBRE ist das weltweit größte Dienstleistungsunternehmen auf dem gewerblichen Immobilienmarkt. Der kalifornische Makler-Gigant mit 9 Milliarden Umsatz setzt aber lieber auf margenstarke Beratung als auf Arbeit im Blaumann. „Die geben Gebäudemanagementaufträge nach unten weiter und quetschen Unternehmen wie Bilfinger dabei aus“, beschreibt ein Branchenkenner das Geschäftsmodell von CBRE. Warum sollte der FM-Markt CBRE plötzlich reizen, fragt er rhetorisch. Übernahme-Chance: gering.
Hinter dem Schweizer Anlagenbau- und Gebäudemanagement-Unternehmen steht die französische GDF Suez-Gruppe, die seit vergangenem Jahr Engie SA heißt. Für den Energie-Giganten mit 75 Milliarden Umsatz wäre der Milliarden-Kauf in Deutschland ein Klacks. Dagegen spricht: Eigentlich will Engie wegen der gesunkenen Öl- und Gaspreise seine Investitionen zwar deutlich zurückschrauben. Dafür spricht: Eine Investition in das solide FM-Geschäft würde gerade deshalb gut passen.
Wiederum gegen den Milliardenkauf spricht, dass die französische Unternehmenskultur weniger Freiräume bietet als sie der starke Bilfinger-FM-Chef Otto Kajetan Weixler gewohnt ist. Übernahme-Chance: man soll nie nie sagen.
Das Unternehmen ist besser bekannt als Jones Lang La Salle und wie CBRE einer der ganz großen Immobilienmakler und –dienstleister weltweit. Auch für JLL mit seinen rund fünf Milliarden Euro Umsatz ist zu bezweifeln, dass das Unternehmen seine Fertigungstiefe durch die reine Ausführung von Gebäudemanagment-Arbeiten durch die Bilfinger-Sparte so weit vergrößern will. Allenfalls kleine Teile von Bilfinger-FM und -Bau wären nach dem bisherigen Geschäftsmodell für die Amerikaner interessant. Übernahme-Chance: gering.
Die Londoner Dependance der US-Heuschrecke war wohl unter den ersten, die im vergangenen Jahr in Mannheim anklopften. Dass die Profi-Investoren wirklich bereit sein könnten, eine Milliarde Euro für den FM- und Baubereich zu zahlen, mochte Utnegaard angeblich zunächst kaum glauben. Ist offenbar aber so. Neben KKR gibt es wohl weitere Bieter aus der Private-Equity-Branche, die dringend gute Anlageziele sucht. Übernahme-Chance: der Top-Kandidat.
Die Milliarde Euro als Kaufpreis ist viel für den österreichischen Bauriesen, der unter dem Preiskampf in der europäischen Baubranche gelitten hat. Ein Insider sagt der WiWo: „Da hebt sich die Strabag einen Bruch“. Zudem: Die Wiener würden eine sehr homogene und selbstbewusste Sparte übernehmen, die sich nicht so einfach wie andere typische Strabag-Erwerbungen in die unter dem Deutschen Thomas Birtel agierende österreichische Gruppe integrieren ließe. Übernahme-Chance: unwahrscheinlich.
Siehe die Cofely-Einschätzung: Geld ohne Ende hat auch der französische Baukonzern. Das Häppchen Bilfinger wäre für den größten Baukonzern Europas kein Problem. Dagegen steht einzig die Frage, ob Vinci den FM-Chef Otto Kajetan Weixler, der schon unter Holzmann diesen Bereich führte und ihn aus der Holzmann-Pleite zu Bilfinger rettete, sich auf ein Arbeiten unter französischer Regie einließe. Die Bilfinger-Gebäudeprofis aber ohne ihren Kopf Weixler zu übernehmen, wäre eine Schwächung des Investments und schürte sicher auch Skepsis in der insgesamt 22 000 Mann starken Bilfinger-Sparte. Übernahme-Chance: nicht auszuschließen.
Für die Gebäudemanagement-Tochter des Familien-Unternehmens Wisser aus Frankfurt/Main ist der Bilfinger-Brocken einfach eine Nummer zu groß und die Euro-Milliarde Kaufpreis kaum zu finanzieren? Übernahme-Chance: minimal.
Auch von einer Sonderausschüttung des Verkaufserlöses, die zu gut einem Viertel dem an Bilfinger beteiligten Finanzinvestor Cevian zu Gute käme, hält Brückner nichts, weil das keine Arbeitsplätze sichere: „Dass eine Sonderausschüttung den Konzern weiter bringt, sehe ich nicht. Wenn man Building and Facility jetzt verkauft“, sagte Brückner der WirtschaftsWoche, „dann muss man auch eine Idee haben, was man im Unternehmen mit dem Erlös macht.“
Der sonst in der Öffentlichkeit sehr zurückhaltende Brückner geht mit diesem Statement deutlich auf Distanz zu Utnegaard sowie zu den von Cevian entsandten Aufsichtsräten Jens Tischendorf und Eckhard Cordes, der das Gremium führt. Utnegaard hatte mit dem Segen von Cevian der Öffentlichkeit und der Belegschaft im Oktober die Zwei-Säulen-Strategie vorgestellt. Brückner beharrt nun auf diesem Konzept, weil es aus Sicht der Mitarbeiter die Alternative zu einer befürchteten vollständigen Zerschlagung des Bilfinger-Konzerns sein sollte.
Bilfinger befindet sich in einer existenziellen Krise, seit die Energiewende dem Bereich Kraftwerksservice die Geschäftsgrundlage entzog und gleichzeitig die eingebrochenen Öl- und Gaspreise dem Bereich Industrieservice schwer zusetzen. Das Management unter dem Ex-Politiker Roland Koch hatte versäumte, den gefährlichen Entwicklungen wirksam gegenzusteuern. Einzig der Bereich Gebäudemanagement und Bau arbeitet bei Bilfinger derzeit erfolgreich.
Die Aktie des einstigen M-Dax-Glanzlichts war von über 90 auf zeitweise rund 30 Euro eingebrochen. Sie hat sich inzwischen auf rund 40 Euro erholt, seit der Norweger Utnegaard im Auftrag von Cevian Mitte vergangenen Jahres die Führung in Mannheim übernahm. Seine im Herbst vorgestellte Zwei-Säulen-Strategie war Ergebnis einer umfassenden Analyse des Unternehmens und sollte dem Unternehmen mit weltweit rund 70.000 Mitarbeitern Orientierung geben. Seit die WirtschaftsWoche Mitte Januar durch Fragen das Unternehmen zwang, in Form einer Ad-hoc-Meldung den möglichen Verkauf der Gebäudemanagement- und Bau-Sparte und damit die Abkehr von der Zwei-Säulen-Strategie öffentlich zu machen, ist stattdessen die Unsicherheit in Mannheim größer denn je.
Konzernbetriebsratschef Brückner wartet nun auf Aufklärung in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung. Hauptinteressent für die Gebäudemanagement-Sparte ist nach WirtschaftsWoche-Informationen der Finanzinvestor KKR. Aber auch der französische Bau-Riese Vinci und die Immobiliendienstleister JLL und CBRE sollen ernsthaft an einem Kauf interessiert sein.