Deutsche Bahn Was hinter dem Führungschaos im Bahntower steckt

Der Güterbahnchef nimmt unerwartet seinen Hut und verzichtet damit auf seine Vorstandskandidatur. Die Personalquerelen zeigen, dass die Politik nach wie vor zu viel Einfluss auf den Staatskonzern hat.

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Das Logo der Deutschen Bahn an der gläsernen Fassade des Bahntowers. Quelle: dpa

Jürgen Wilder will nicht mehr. Er hat die Nase voll. Seit fast zwei Jahren ist der ehemalige Siemens-Manager Chef der Güterbahn DB Cargo. Und er galt als aussichtsreicher Kandidat für den offenen Posten „Güterverkehr und Logistik“ im Vorstand der Deutschen Bahn.

Jetzt zieht der 47-Jährige die Reißleine: „Angesichts der aktuellen Diskussionen habe ich mich entschlossen, meine Kandidatur nicht weiter aufrecht zu erhalten“, sagte Wilder in einer Presseerklärung. „Mit meiner Entscheidung möchte ich dazu beitragen, dass bei der DB Cargo AG inhaltliche Themen wieder in den Vordergrund rücken und nicht mehr durch Personalfragen überlagert werden.“

Die Entscheidung von Wilder, DB Cargo Ende Oktober zu verlassen und nicht weiter für einen Posten im Konzernvorstand zu kandidieren, ist ein Paukenschlag. Und ein herber Rückschlag für den neuen Bahnchef Richard Lutz, der ein schlagfertiges Vorstandsteam aufbauen muss. Seit Monaten sucht Lutz einen geeigneten Kandidaten für den vakanten Chefposten des obersten Logistikers. Wilder war Lutz‘ Favorit. Doch nun muss sich der Konzernchef eine Alternative suchen. Und die notleidende Güterbahn fährt führungslos unsicheren Zeiten entgegen.

Güterbahn-Chef Jürgen Wilder wird offenbar nicht zum Logistik-Vorstand der Deutschen Bahn befördert. Laut einem Agenturbericht ist die Sitzung des Aufsichtsrats erneut geplatzt. Auch weitere Personalien bleiben offen.

Aus Sicht von Wilder ist die Absage nur konsequent. Der Aufsichtsrat des Konzerns leistet sich seit Monaten peinliche Debatten um Frauenquote und Kandidatensuche. Seit Monaten versucht das Gremium ergebnislos, zwei offene Vorstandsposten zu besetzen: auf der einen Seite die Stelle für „Güterverkehr und Logistik“, auf der einen Seite die Stelle für das wichtige Thema „Digitalisierung und Technik“. Bahnchef Lutz hat sich zwar intern bereits für Wilder als Logistikchef und Sabina Jeschke für den Digitalvorstand entscheiden. Jeschke ist Professorin für Maschinenbau an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH). Doch der Aufsichtsrat spielte bei der Personalie nicht mit.

Einem Großteil des SPD-dominierten Aufsichtsrates ist ein weiblicher Vorstand bei der Deutschen Bahn zu wenig. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries drängte ihren Nachfolger im Aufsichtsrat, den Parlamentarischen Staatssekretär Uwe Beckmeyer, sich gegen Wilder zu stemmen. Auch die Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann (ebenfalls SPD und im Aufsichtsrat) wollte Wilder nicht. Zypries und Lühmann hofften stattdessen sogar auf drei Frauen im Konzernvorstand, wenn Anfang 2018 der amtierende Personalvorstand Ulrich Weber in den Ruhestand geht.

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