




Piloten, Erzieher, Lokführer, alle sind dieses Jahr schon in den Streik gezogen. Doch keine Berufsgruppe erhielt bei ihrem Arbeitskampf so viel Rückhalt von der deutschen Bevölkerung wie die Postboten: Selbst nach vier Wochen Leere in den Briefkästen zeigten noch 63 Prozent der Bürger Verständnis für den Arbeitskampf, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov.
Am Ende hat dieser Rückhalt der Gewerkschaft Verdi nicht viel gebracht, die Post hat ihr wichtigstes Ziel erreicht: Die 49 Regionalgesellschaft mit dem Namen Delivery-GmbH bleiben bestehen. Damit kann Frank Appel nun endlich seine Lohnkosten senken. Denn bei den Delivery-Töchtern beschäftigt die Post ihre Paketboten nicht zu dem üblichen Haustarif, sondern zu den rund 20 Prozent günstigeren Löhnen des Logistiktarifvertrages.
Verdi ging aus den Verhandlungen mit einem Schutzpaket für die Konzernmitarbeiter, einer Einmalzahlung von 400 Euro und einer Lohnerhöhung von 2,7 Prozent heraus. Für die schlagkräftige Gewerkschaft ist das nach vier Wochen Streik eher eine enttäuschende Ausbeute.
Post-Streik: Was Sie jetzt wissen müssen
Im Januar überrumpelte die Deutsche Post die Gewerkschaft Verdi mit einem ungewöhnlichen Schritt: Der Bonner Konzern gründete 49 Regionalgesellschaften mit dem Namen Delivery GmbH. Dort werden seit April Paketboten zu den Bedingungen des Logistiktarifvertrags beschäftigt. Sie erhalten damit rund 20 Prozent weniger Lohn als ihre Kollegen, die nach dem Post-Haustarif bezahlt werden.
Die Gewerkschaft Verdi fordert, dass die Post diesen Schritt wieder rückgängig macht. Seit April hat Verdi deshalb regelmäßig zu Warnstreiks aufgerufen, seit Anfang Juni führt die Gewerkschaft einen unbefristeten Streik. Mehr als 32.000 Post-Mitarbeiter haben ihre Arbeit niedergelegt.
Am 3. Juli wollen der Post-Vorstand und Verdi ihre Verhandlungen fortsetzen. Der Streik soll jedoch weiterlaufen, bis es eine endgültige Einigung gibt.
Die Lage ist unübersichtlich, aber zumindest bemüht sich die Post um die Information ihrer Kunden. Regionale Schwerpunkte gibt es bei den Streiks nicht. Auf der Internetseite der Post mit den Streikinformationen kann anhand der Postleitzahl geprüft werden, ob der Ausstand vor Ort eine Rolle spielt. Dabei können Kunden anhand der Postleitzahl prüfen, ob die Briefträger vor Ortstreiken oder ein zuständiges Briefverteilzentrum bestreikt wird, also ob beim Empfang oder dem Versand mit Verzögerungen zurechnen ist. Außerdem bietet die Deutsche Post eine Kundenhotline unter der Rufnummer 0228 /76367650 an.
Nein, zumindest nicht generell. Beim normalen Versand von Standardbriefen oder Paketen lehnt die Post seit jeher Garantien für das Einhalten eines bestimmten Lieferdatums ab. Das Risiko, dass ein Brief oder Paketrechtzeitig ankommt, trägt immer der Versender. Weil nicht überall gleichzeitig gestreikt wird, bleiben Briefe aber in der Regel nur einen Tag liegen. Wer dringende normale Briefe und Pakete ein paar Tage früher verschickt, sollte keine Probleme bekommen.
Ja, zum Beispiel beim Expressversand oder der Versendung als Einschreiben. Bei diesen Versandarten verpflichtet sich die Post dazu, einen bestimmten Zustelltermin einzuhalten. Hält sieden Termin nicht ein, muss sie für Schäden haften haften. Dafür verlangt sie auch ein deutlich höheres Porto als beim Standardversand. Die Express-Sendungen übernimmt bei der Deutschen Post ein Dienstleister, der vom Streik verschont bleibt. Allerdings haben Kunden bei Verspätungen aufgrund von Streiks auch hierkeinen rechtlichen Anspruch auf Schadenersatz, da Streiks als Haftungsgrund in den AGB der Post explizit ausgeschlossen sind. Solange die Express-Sparten nicht bestreikt werden, können sich Kunden also auf das rechtzeitige Eintreffen von Express-Sendungen verlassen.
Selbst wenn es eine Versicherung gäbe, die für die Haftung infrage käme: Ein Streikgilt juristisch als höhere Gewalt. Dafür ist laut Gesetzeine Haftung ausgeschlossen, also auch wenn Postsendungen streikbedingt zu spät kommen. Wer also beispielsweise Konzertkarten per Postverschickt, die dann erst nach der Veranstaltung beim Empfängereintreffen, steht selbst in der Haftung
Verbraucherzentralen weisen etwa bei Kündigungsschreiben darauf hin, dass sich Verträge verlängern, wenn das Kündigungsschreiben erst nach Ablauf der Frist beim Empfängereintrifft. Die Regeln zu Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristensind in den Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen fixiert. Kündigungen bedürfen grundsätzlich der Schriftform, wenn es der Vertragspartner in seinen Geschäftsbedingungen nicht anders geregelt hat. Vom Streik Betroffene sollten das Vertragswerk daher prüfen und gegebenenfalls alternative Versandmethoden nutzen oder den Vertragspartner um einen Fristverlängerung bitten. Kulante Vertragspartner dürften für die Dauer des Streiks darauf eingehen.
Beiden Paketzustellern gibt es bekannte Wettbewerber wie Hermes, GLS, DPD und andere. Bei Briefen sind Alternativen für Privatkunden rar. Post-Konkurrenten wie TNT oder PIN arbeiten nur für Firmenkunden, Betriebe können sie also nutzen. Je nach Region gibt es allerdings auch für Privatpersonen alternative Briefzusteller. Eine Übersicht der Anbieter bietet zum Beispiel posttipp.de. Aber vielleicht geht es auch ohne Brief, zum Beispiel mit dem per Fax oder mitpersonifizierter und verschlüsselter DE-Mail, wie sie Telekom und Internetdienstleister wie web.de, GMX oder 1&1 anbieten. Zu den Sicherheitsstandards informiert Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik(BSI) auf seinen Online-Seiten. Wem das zu umständlich ist, kann Briefe entweder selbst beim Empfänger einwerfen - am besten im Beisein von Zeugen -oder sich beim Empfängererkundigen, ob der auch normale E-Mails akzeptiert.
Hier besteht im Prinzip kein zusätzliches Risiko. Ein Kaufvertrag über online bestellte Waren kann innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. Zur Einhaltung der Widerrufsfrist ist es ausreichend, wenn die Wareinnerhalb dieses Zeitraums abgeschickt wird. Allerdings sollte dann als Nachweis für den rechtzeitigen Versand der Einlieferungsbeleg aufbewahrt werden.
Zum einen setzt die Post in den Verteilzentren vorrübergehend auch Mitarbeiter der Verwaltung ein. Die noch immer rund 40.000 Beamten bei der Postdürfen nicht streiken und müssen teilweise aushelfen. In grenznahen Regionen springen auch Post-Mitarbeiteraus dem Ausland ein. Dadurch kamen am ersten Streiktag immernoch neun von zehn Postsendungen pünktlich. Zum Glück können die Sortiermaschinen in den Verteilzentren nicht streiken. Durch den Einstieg der Briefzusteller in den Streik wird es aber voraussichtlich zu deutlich mehr Verspätungen kommen.
Doch wie hoch sind die Kosten des Streiks für die Post tatsächlich? Wie viele Millionen sie durch den Streik verloren hat, stellt sich wohl erst mit den Veröffentlichungen der Quartalszahlen im August heraus. Einige der Folgen werden aber schon jetzt deutlich: Die Post hat wichtige Kunden verärgert und einen gewaltigen Rufschaden in Kauf genommen. Die Konkurrenz freut sich darüber.
Großkunden der Post zeigen Verständnis
Der Poststreik hat dem Bonner Konzern viele schlechte Schlagzeilen eingebracht: Immer wieder warf Verdi die Frage auf, wieso ein Konzern mit einem Umsatz von 56 Milliarden Euro und einem Gewinn von rund 3 Milliarden Euro am Lohn der Mitarbeiter sparen sollte. Immer wieder gab die Post die Antwort: Um wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch vor allem wegen dem Einsatz von Beamten und ausländischen Leiharbeitern, mit denen die Post die Folgen des Streiks abmildern wollte, erhielt der Konzern viel Kritik. Fotos und Videos dokumentierten die immer höheren Stapel von Briefen und Paketen, Mitarbeiter berichteten von weggeworfenen Werbeprospekten. Die Post bestritt die Vorwürfe.
Selbst Auftraggeber, die jährlich Millionen für Briefporto zahlen müssen, zeigten Verständnis für die streikenden Zusteller: Nach einer Umfrage des Verbandes DVPT, der Großkunden wie Banken und Versicherungen vertritt, hielten 51 Prozent den Streik für angemessen. Über 65 Prozent der Befragten fühlten sich außerdem nur unzureichend oder auch gar nicht von der Post informiert. „Vor allem viele mittelständische Unternehmen waren von dem Streik stark betroffen und haben tagelang gar keine Post erhalten“, sagt Verbandsvertreter Serkan Antmen. Die Kunden ziehen die entsprechenden Konsequenzen: 26 Prozent der befragten Unternehmen planen, in Zukunft einen anderen Dienstleister als die Post einzusetzen.
Die Konkurrenz freut es: „In den vergangenen Wochen haben wir von zahlreichen Händlern, die mit DHL zusammenarbeiten, Mengen übernommen“, sag Martin Frommhold, Sprecher des Hamburger Paketdienstes Hermes. Die Mengen seien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 bis 30 Prozent angestiegen. „Dabei mussten wir auch leider aus Kapazitätsgründen Anfragen ablehnen“. Auch Wettbewerber wie UPS, DPD oder der Briefdienstleister Pin AG hatten während des Streiks von vermehrten Kundenanfragen berichtet. Hermes will diese neue Kunden auf jeden Fall behalten: Die entsprechenden Verhandlungen würden derzeit geführt.
Damit hat der Poststreik den umkämpften Markt für Pakete zumindest kurz aufgeschüttelt. Doch mit dem Ende des Kampfs um die neuen Tochtergesellschaften hat die Post nun einen Vorteil. Mit den Delivery-Töchtern verringert Postchef Frank Appel außer seinen Lohnkosten auch den Abstand zu den Konkurrenten wie Hermes, DPD oder GLS, die ihren Zustellern meist nur den Mindestlohn zahlen. Sie alle wollen vor allem im Paketgeschäft, das durch den Onlinehandel einen wahren Boom erlebt, wachsen. Die Post ist mit rund 42 Prozent in diesem Markt die Nummer Eins. Die Delivery-Töchter hat die Post auch deshalb gegründet, damit das so bleibt. Der Konzern wird deshalb einiges unternehmen, um Hermes und Co die gerade gewonnenen Kunden wieder abzujagen.