Fluggesellschaften Das Mogelgeschäft mit den Bonusmeilen

Die Airlines machen mit ihren Bonusmeilen-Programmen ungeahnte Geschäfte. Das gelingt ihnen, indem sie die Rabattpunkte für gutes Geld an Partnerfirmen verkaufen, Passagiere vielfach auf Kosten des Arbeitgebers in teurere Flüge locken – und das Einlösen der Meilenguthaben möglichst unattraktiv machen.

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Skurrile Fakten über Bonusmeilen
Plastik-FantastikFlüge sind weltweit nach wie vor die wichtigste Sammelmethode. In den USA hingegen kommen jedoch inzwischen fast 60 Prozent aller Meilen über Kreditkarten zusammen. So wickelt etwa American Express mit 41 Milliarden Dollar bereits gut fünf Prozent ihres weltweiten Kartenumsatzes über die Delta SkyMiles Vielflieger-Karte ab. Quelle: dapd
Das bislang dickste Meilenkonto ....eines Sammlers steht bei 25 Millionen Meilen – genug um 400 Mal von Frankfurt nach New York zu fliegen. Es gehört dem Vernehmen nach einem Medienunternehmer, dessen Namen American Airlines nicht preisgeben will. Gesammelt hat der Meilenmillionär sein Guthaben, weil er der einen großen Teil seiner Firmenausgaben über seine Kreditkarte laufen ließ. Quelle: dpa
Der MeilenmillionärDer echte Meilenkönig heißt jedoch – nein, nicht George Clooney, er mimt im Film "Up in the Air" nur einen solchen - Jaques Vroom, der es nach eigenen Angaben auf 40 Millionen Meilen brachte. Doch er zählt für echte Flugmillionäre nicht. Er hat die Zähler zwar erflogen. Er tat dies aber nicht mit vielen Tickets, sondern nur mit einem: einem lebenslangen Ticket für die American Airlines First Class. Die hat die inzwischen wieder weltgrößte Linie Ende der achtziger Jahre für zunächst 250.000 und später bis zu 600.000 Dollar verkauft, weil sie knapp bei Kasse war. Dafür garantierte sie ihren Kunden jederzeit einen freien Platz – und schrieb noch Meilen gut. Das reizte nicht nur Vroom, sondern laut Presseberichten auch Prominente wie Computer-Magnat Michael Dell, Baseball Hall-of-Famer Willie Mays und America's Cup Skipper Dennis Conner. Quelle: dapd
Meilen per PuddingDen süßesten Weg zum Meilenmillionär ging gar der kalifornische Unternehmer David Philips. Er kaufte im Rahmen einer Werbeaktion 12.150 Puddings. Er zahlte 3140 Dollar und bekam dafür 1.253.000 Meilen bei American Airlines. Weil er allein die Gutscheine auf den Puddingpackungen nicht rechtzeitig abreißen konnte, heuerte er Mitglieder der Heilsarmee an. Und weil er denen die Puddings anschließend spendete – und weil er die Süßigkeiten einer Wohltätigkeitsorganisation spendete bekam Philips noch eine Steuerrückzahlung von 815 Dollar. Quelle: dpa
Die Mehrzahl nutzt die Meilen gar nichtDas durchschnittliche Mitglied eines Bonusprogramms erfliegt laut der Vielflieger-Webseite Webflyer.com gerade mal 11.364 Punkte im Jahr für sein Konto. Die aktivsten Vielflieger schaffen zwar laut Fachleuten bis zu 800.000 Meilen im Jahr. Doch am Ende besteigen drei Viertel der Mitglieder überhaupt ein Flugzeug. Quelle: dpa
Fleißige Sammler aus FernostInsgesamt gibt es laut Schätzungen rund 150 Bonusprogramme weltweit bei Fluglinien oder Hotelgesellschaften. Sie haben laut Schätzungen im Jahr 2011 mehr als 400 Milliarden Meilen ausgegeben. Das waren rund zehn Prozent mehr als 2010. Dafür sorgen zum einen, dass die aktiven Mitglieder im Schnitt immer mehr Meilen sammeln. Dazu kommen gerade durch Wachstumslinien vom Persischen Golf oder aus China jedes Jahr neue Mitglieder dazu. Das wohl größte Wachstum hat Emirates aus Dubai: sie werden ihre Mitgliederzahl von 8,5 Millionen in 2012 auf gut 10 Millionen steigern in diesem Jahr steigern können. Damit sind sie größer als British Airways. Quelle: dpa
Bergbahn-Rabatt und FußballticketsDas Angebot an Einlösemöglichkeiten wird immer breiter und umfasst neben Hotels oder Mietwagen auch Dinge wie die Bergbahnen im Österreichischen Wintersportort Kitzbühel, wo Lufthansa-Miles-&-More-Kunden Punkte sammeln und einlösen können. Emirates aus Dubai verteilt sogar Tickets für von ihr gesponsorten Vereine wie dem Hamburger Sportverein, Real Madrid oder Paris St. Germain. Grund genug, dass die Airlines den Bestand von geschätzt mehr als 30 Billionen Meilen mit Flügen allein kaum abbauen könnten. Darum geben sie etwa bereits rund ein Fünftel über Sachprämien aus. Quelle: Presse

Die Sanierung der Lufthansa beschert Konzernchef Christoph Franz derzeit viel hässliche Publicity. Im Rahmen seines Sparprogramms Score scheut der Manager kein Tabu, um bis Ende 2015 den Gewinn um mindestens 1,5 Milliarden Euro zu steigern. Franz will die Verwaltung am Gründungssitz Köln schließen, was ihm den Zorn der Beschäftigten einbringt. Um Investitionen wie die aktuelle Bestellung von gut 100 Flugzeugen im Wert von mindestens sechs Milliarden Euro zu finanzieren, hat er trotz eines 990-Millionen-Euro-Nettogewinns die Dividende gestrichen. Nun stoßen Investoren die Aktie ab und schicken den Kurs in den Keller.

Weniger merklich, dafür mindestens so heftig brodelt es bei Europas größter Fluggesellschaft unter der Decke: beim Bonusmeilen-Programm Miles & More – und damit ausgerechnet bei den besonders zahlungskräftigen Kunden wie Harry Wassermann. Der Chef des Call-Center-Betreibers SNT Deutschland schickte Franz Ende Januar seine HON-Circle-Karte, mit der die Kranichlinie ihre gut 3000 Supervielflieger ausstattet, eigenhändig zerschnitten zu.

Mickrige Gutschriften und komplexe Programme

Wassermann steht für den wachsenden Unmut der Passagiere gegen die Prämienprogramme bei der Lufthansa und ihren Wettbewerbern. "Die Airlines haben sie in den vergangenen Jahren zum Nachteil der meisten Kunden verändert", sagt Alexander Koenig, Gründer der Vielfliegerberatung First Class & More in Dubai. "Meilengutschriften werden immer mickriger und die Programme in der Handhabung komplexer, sodass eigentlich kaum ein Kunde noch durchblickt."

Wie eine Fluggesellschaft mit einem Bonusprogramm Geld verdient

Zwar winkt Passagieren, wenn sie genug mit einer Gesellschaft fliegen, nach wie vor eine breite Palette großer und kleiner Belohnungen: vom Wellness-Wochenende über den Freiflug in den Urlaub bis zum Extraservice wie dem Zugang zu luxuriösen Warteräumen wie dem First-Class-Terminal der Lufthansa in Frankfurt. Doch die Zahl der tatsächlichen Nutznießer ist bescheiden. In der Praxis sind die Bonus-Programme so gestaltet, dass nur eine kleine Minderheit davon richtig profitiert. Bei der Lufthansa etwa ist dies jenes gut eine Prozent der fast 22 Millionen Meilensammler, das mit der Kranich-Linie im Jahr je nach Sitzklasse mindestens zweieinhalbmal um den Globus jettet.

Das ist keine böse Absicht der Flugmanager, sondern hat System. Denn für die notorisch unprofitablen Fluglinien sind die Bonusmeilen keine Rabatte mehr, um treue Kunden bloß an sich zu binden. So kurios es klingt: Den Airlines ist es gelungen, aus den Gutschriften so viel Profit zu schlagen, dass der über Gewinn und Verlust entscheidet. "Ohne die Erträge ihrer Bonusprogramme würde zumindest in den USA oder Europa wohl jede große Airline hohe Verluste schreiben", sagt Alexander Tamdjidi, Luftfahrtspezialist der internationalen Unternehmensberatung PA Consulting Group.

700 Millionen durchs Bonusprogramm

Die Bonusprogramme der Airlines
Miles&More: Das Bonusprogramm der Lufthansa Quelle: dpa
topbonus: Das Vielfliegerprogramm von Air Berlin Quelle: dpa
Flying Blue: Das Bonusprogramm der Air France Quelle: AP
Avios: Das neue Bonusprogramm von British Airways Quelle: REUTERS
AAdvantage ist das älteste Bonusprogramm der Welt. Quelle: REUTERS

Für die Lufthansa gibt es zwar keine offiziellen Zahlen. Insider schätzen aber, dass das Bonusprogramm Miles & More im Geschäftsjahr 2012 mit mindestens 700 Millionen Euro Gewinn zum Wohlergehen des Unternehmens beitrug. Nur darum hat die Airline einen operativen Gewinn von gut 500 Millionen Euro geschafft und keinen Verlust von knapp 200 Millionen geschrieben.

Die sonderbare Profitmaschine

Mit Rabatten, die eigentlich nur Geld kosten, dicke Gewinne machen? Die sonderbare Profitmaschine der Airlines funktioniert letztlich nur, weil die Vielfliegerprogramme sich in der Praxis für die meisten Kunden als Mogelpackung erweisen:

  • Erstens verführen die Programme die Passagiere dazu, öfter und teurer zu fliegen als nötig. Das bringt den Fluglinien laut einer Studie der Universität im kanadischen Toronto gut drei Prozent mehr Umsatz, aber keine nennenswerten Mehrkosten. Die Lufthansa macht allein dadurch bis zu einer halben Milliarde Euro mehr Gewinn. Daran wäre nichts anrüchig, würden in vielen Fällen nicht andere die Kosten tragen: entweder der Arbeitgeber, dem der Mitarbeiter die Notwendigkeit für einen teureren Flug aufschwatzt, oder der Selbstständige, der sich die Mehrkosten teilweise vom Finanzamt wiederholt.
  • Zweitens verkaufen die Fluggesellschaften Unmengen an Bonusmeilen an andere Unternehmen, die damit ihren Kunden Kreditkarten, Mietwagen oder Zeitschriftenabonnements schmackhaft machen. Die Airlines machen damit den großen Reibach, weil sie für die Rabattpunkte ein Vielfaches dessen verlangen, was sie die spätere Einlösung kostet. Die wenigen Gesellschaften, die wie die Bonus-Tochter Aeroplan von Air Canada ihre Gewinne veröffentlichen, schaffen auf diese Weise bis zu 30 Prozent Umsatzrendite. "Und wir machen keinen wesentlich schlechteren Job", sagt Harald Deprosse, Chef des Lufthansa-Programms Miles & More. Der Meilenverkauf bescherte der Airline laut Insidern bis zu 250 Millionen Euro Gewinn. Bei großen US-Konkurrenten ist es fast eine Milliarde. "Rein finanziell ist bei vielen Airlines die Fliegerei nur ein notwendiges Übel um die Bonusprogramme am Laufen zu halten", spottet Berater Tamdjidi.
  • Drittens melken die Airlines systematisch die Masse der Meilensammler durch eine ganze Palette von Tricks. Sie schreiben ohne lange Vorankündigung für die gleiche Strecke weniger Meilen gut, verlangen für Prämien mehr Punkte oder machen die vermeintlichen Freitickets durch Gebühren oft teurer als regulär gebuchte Flüge.

Programme animieren zu höheren Umsätzen

So speist und fliegt es sich erstklassig
Die insolvente US-Fluggesellschaft American Airline verzichtete trotz der Durststrecke nicht auf Komfort für die First Class auf internationalen Strecken. Hohe Personalkosten und gestiegene Spritpreise hatten die Gesellschaft im November 2011 in die Knie gezwungen. Quelle: Presse
In der ersten Klasse reicht die Airline gerne edlen Rotwein zum Chateaubriand. Quelle: Presse
Die größte britische Fluggesellschaft und eine der größten Fluggesellschaften weltweit, setzt in der First Class auf neue komfortable Kabinen. Quelle: Presse
Bisher sind die neuen Kabinen jedoch nur für Flüge zwischen London, New York, Shanghai, Tokyo, Hong Kong und Sao Paulo installiert. Quelle: Presse
Im vergangenen Jahr wurde die Fluggesellschaft von Abu Dhabi mit dem "World Travel Award" - quasi dem Oscar der Tourismusbranche - ausgezeichnet. Quelle: Presse
Der Luxusliner bietet seinen First Class-Passagieren geräumige Bettkabinen. Quelle: Presse
Wer möchte, kann sich an Board von dem flugzeugeigenen Chefkoch persönlich beraten lassen. Quelle: Presse

Die Geburtsstunde der Lockvögel schlug 1979, als Texas International Airways das erste Bonusprogramm für Flugpassagiere startete. Die Airlines in den USA durften seit 1978 endlich ohne staatliche Genehmigung fliegen, wo sie wollten. Um zahlungskräftige Passagiere zu halten, erfand die Gesellschaft, die in United Airlines aufgegangen ist, Rabatte für Vielflieger. Doch die Texaner hatten die Rechnung ohne die Konkurrenten gemacht, denen nichts anderes blieb, als nachzuziehen und ihren Kunden ebenfalls teure Versprechungen zu machen. Mit der Zeit belasteten die Rabatte derart die Budgets der Fluglinien, dass der erste Chef des Lufthansa-Programms Miles & More, Anton Lill, die Idee 1993 als "wahre Seuche" geißelte.

Bonuspunkte wurden zur Währung

Das änderte sich, als die schon damals notorisch klammen Fluglinien ihre Bonusprogramme genauer unter die Lupe nahmen. "Sie erkannten nicht nur, dass fünf Prozent der Kunden gut 40 Prozent des Umsatzes bringen, sondern dass die Programme gerade diese Kunden zu noch höheren Umsätzen animierten", sagt Jörn Grotepass von der Unternehmensberatung A. T. Kearney. Schließlich bringen mehr Flüge den Bonusmeilen-Sammlern nicht nur Gratisreisen, sondern auch besseren Service. Das gilt für allem für Mitglieder des Jetsets, die als sogenannte Statuskunden eine Vielfliegerkarte je nach Reisefreudigkeit in Silber, Gold oder Platin erhalten. Sie dürfen dank ihrer Bonusmeilen etwa auch dann an den Schaltern für Business- oder First-Class-Kunden Gepäck aufgeben oder in bequemen Lounges bei kostenlosen Drinks und frisch zubereiteten Menüs auf den Flug warten, wenn sie nur Touristenklasse gebucht haben.

Von welchen Prämien der Kunde am meisten hat

Zu kippen begann das System, als die Bonuspunkte zu einer Art Vielfliegerwährung wurden und damit Raum für krumme Geschäfte schufen. Viele Meilensammler begaben sich auf den "Mileage Run", wie der Reiserausch bald hieß, bei dem Passagiere etwa von Frankfurt nach Los Angeles Zwischenstopps in Rom, Zürich und San Francisco einlegten – nur weil dies das Meilenguthaben erhöhte. Hunderte Lufthansa-Kunden erfuhren sich die nötigen Punkte für die goldene Senator-Karte auch so: Sie buchten zwischen Köln und Frankfurt, wo die Lufthansa die Passagiere inzwischen aus Kostengründen mit dem Zug befördert, gut 60 ICE-Trips, checkten online ein, traten die Fahrten aber nie an. Ein meilensüchtiger Angestellter von Singapore Airlines wanderte gar ins Gefängnis, weil er sich 17,6 Millionen Bonuspunkte – genug um in der Economy Class 100 Mal um die Welt zu fliegen – zugeschanzt hatte.

Die Airlines bauten daraufhin das System radikal um, vom Kosten- zum Profitcenter. Denn "richtig gemacht", sagt Berater Grotepass, "sind die Meilenprogramme eine Goldgrube" – im Wesentlichen allerdings nur für die Fluggesellschaften und weniger für deren Kunden.

Gewinn pro Meile

Im Kleinen beginnt das damit, dass von den teuer gesammelten Meilen laut einer Übersicht des Internet-Meilendienstes Webflyer im Schnitt rund 17 Prozent verfallen, weil die Kunden sie nicht einlösen. Kräftiger zu Buche schlägt für die Airlines, dass die Einnahmen durch verkaufte Bonusmeilen für sie einen kostenlosen Kredit darstellen. Denn im Schnitt lösen die Kunden die Punkte erst gut zwei Jahre später ein, nachdem die Fluglinien das Geld dafür etwa von der Kreditkartengesellschaft oder dem Autovermieter kassiert haben. Selbst eine Linie wie die Lufthansa mit einem guten Ruf auf dem Kapitalmarkt spart dadurch laut Insidern bis zu 100 Millionen Euro Zinsen im Jahr.

Die eigentliche große Nummer ist jedoch die Einlösung der Bonusmeilen. Bis ein Kunde etwa 25 000 davon für ein Gratisticket in Europa beisammen hat, muss er bis zu 10 000 Euro – oder 40 Cent pro Meile – verfliegen. Das kostenlose Ticket für den Einlöser der Bonusmeilen kostet die Fluglinie gerade 0,1 Cent pro Meile. Neben einem kleinen Beitrag zu den Verwaltungskosten zahlt die Fluggesellschaft rund 30 Euro für den Freiflug, darin enthalten sind die Kosten für die Abfertigung am Flughafen, die Bordverpflegung oder das bisschen Extrasprit für das Mehrgewicht.

Teuer verkauft an Partnerunternehmen

Auch aus Sachprämien wie Telefonen oder Koffern, die etwa Lufthansa oder Delta anbieten, machen die Airlines ein gutes Geschäft, indem sie die Kosten der dafür erforderlichen Bonusmeilen für sich fast ins Bodenlose drücken. Dieser Effekt ergibt sich auch hier dadurch, dass die Airlines viele Meilen teurer an Partnerunternehmen verkaufen, als sie diese am Ende einlösen. So kostet bei besonders begehrten Prämien wie dem teuersten iPad 4 die Bonusmeile die Lufthansa nur 0,29 Cent, weil sie dem Einlöser besonders viele Rabattpunkte abverlangt, die vorher ein Partnerunternehmen teuer bezahlt hat. "Ein besseres Geschäft lässt sich für die ansonsten so ertragsschwachen Airlines kaum denken", sagt der selbstständige Unternehmensberater Markus Franke aus Korschenbroich bei Düsseldorf

Die größten Fluggesellschaften der Welt

Für die Partnerunternehmen, die Bonusmeilen kaufen, funktioniert der Lockvogel Bonusmeilen offenbar so gut, dass sie den Fluglinien diese millionenfach abkaufen. "Bereits bei 500 Meilen Bonus wählen viele Kunden ein anderes Unternehmen", sagt Ravindra Bhagwanani, Inhaber der Vielfliegerberatung Global Flight aus dem südfranzösischen Toulouse. Deshalb zahlen die Hotelketten und Autoverleiher gern bis zu zwei Cent pro Meile. Denn die Ausgaben von jeweils maximal zehn Euro sorgen dafür, dass ein Kunde für 100 Euro oder mehr ein Zimmer belegt oder ein Auto mietet, das sonst leer gestanden hätte. Diese zehn Euro wiederum liegen ein Vielfaches über dem, was die Lufthansa beim Einlösen der Meilen ausgibt.

Ersticken an uneingelösten Meilen

So berechnet die Kranichlinie etwa für zwei Nächte nach Ostern im Radisson Blue Salzburg 65 597 Bonusmeilen. Bei einem regulären Zimmerpreis von 158,40 Euro kommt die Lufthansa dadurch mit Kosten von 0,2 Cent pro Meile davon. Das ist schätzungsweise das Zehnfache dessen, was sie vorher dafür kassiert hat.

Wie viele bezahlte Flüge Lufthansa-Kunden absolvieren müssen, um kostenlos fliegen zu können

Inzwischen haben die Bonusprogramme jedoch ein Ausmaß erreicht, das die Airlines an den uneingelösten Meilen zu ersticken droht. Auf Basis einer Schätzung des britischen Wirtschaftsmagazins "The Economist" dürften zurzeit fast 30 Billionen uneingelöste Bonusmeilen in einem Wert von 300 Milliarden Dollar über den Globus vagabundieren. Gleichzeitig sank in den vergangenen Jahren aber das Angebot an freien Plätzen im Flugzeug, um die Rabattpunkte einzulösen. "Noch vor zehn Jahren waren die Flieger im Schnitt zu bestenfalls 70 Prozent gefüllt, nun sind es gerade zur Hauptreisezeit oft mehr als 90 Prozent", sagt Berater Tamdjidi.

Langes Warten auf die Prämie

Das führt nicht nur dazu, dass immer weniger Fluggäste ihren Wunsch erfüllt bekommen, wenn sie ihre Bonusmeilen einlösen möchten. Laut einer Statistik von Webflyer, der führenden Internet-Seite für Vielflieger, müssen Kunden bis zu fünf Anfragen nach einer Prämie starten, bevor sie Erfolg haben.

Die größten Vielfliegerprogramme

Zugleich haben die Airlines ihre Rabatte entwertet. Als Erstes kürzten die Fluglinien die Bonusgutschriften für das Gros ihrer Tickets. Zwar bekommen Kunden mit teuren Economy-Tickets inzwischen teilweise mehr Rabattpunkte als manche Business-Gäste. Doch das ist die Ausnahme. Für die meisten Kunden sind Bonusmeilen heute weniger wert als früher.

Brauchten Lufthansa-Kunden zum Beispiel vor zehn Jahren für ein Prämienticket von Frankfurt nach New York nur neun bezahlte Economy-Flüge auf dieser Strecke, so sind es seit dem Jahr 2008 fast 16. Inzwischen trifft die Entwertung auch die Businessclass-Gäste. Vor fünf Jahren reichten noch vier Flüge in Richtung Fernost, um einmal gratis mit Frau und Kind ans Mittelmeer zu jetten; heute sind es bei einem der günstigeren Tarif bis zu acht. Weil die Airlines daneben auch die Zahl der Statusmeilen erhöht haben, die für die Silber-, Gold- und Platinkarten nötig sind, müssen die Kunden meist öfter fliegen, bis sie die begehrten Plastikausweise bekommen.

Meilen fürs Geld, nicht die Strecke

Miles-&-More-Chef Deprosse hält das für gerecht. "Wir richten die Gutschriften weniger an der geflogenen Distanz, sondern mehr am Ticketpreis aus", verteidigt er sein Programm. "Ursache ist die wettbewerbsbedingt stärkere Differenzierung der Preise, an die wir die Meilengutschrift angepasst haben. Wer mehr zahlt, bekommt auch mehr Meilen – das ist fair."

Gleichwohl erschweren die Fluggesellschaften den Kunden damit das Einlösen der Bonusmeilen. So können Lufthansa-Passagiere mit günstigeren Tickets in der Economy und der Businessclass keine Bonusmeilen mehr einsetzen, um in eine bessere Serviceklasse zu wechseln.

Entwertete Meilen

Die besten Airlines für Vielflieger
Nicht nur die Lufthansa belohnt ihre Stammkundschaft regelmäßig mit Prämienflügen. Doch lassen sich die Bonusmeilen auch immer ohne Probleme eintauschen? Das testen die Berater von IdeaWorks einmal im Jahr. Sie versuchen Bonusmeilen an 14 verschiedenen Terminen auf den meistfrequentierten Kurz- und Langstrecken der Airlines einzutauschen. Bei welchen Airlines das problemlos möglich ist - und wo der Prämienflug zur Glückssache wird. Quelle: dpa
Platz 20 - Delta Air LinesDie größte Airline der Welt ist das Schlusslicht im Ranking: Weil die Flugzeuge der Airline im Branchenvergleich eine außerordentlich hohe Auslastung vorweisen können, kann die Fluggesellschaft nur mickrige 27,1 Prozent aller Bonusmeilen-Punkte in erwünschte Sitzplätze umwandeln. Damit bleibt die Airline in punkto Service auf konstant niedrigem Niveau. Quelle: dapd
Platz 19 - EmiratesMit einer jungen Flotte und Kampfpreisen auf der Langstrecke ist die Fluggesellschaft aus Dubai zu einem ernsthaften Konkurrenten für die europäischen Airlines aufgestiegen. Doch im Service für die Stammkundschaft besteht offensichtlich Nachholbedarf: Nur 32,9 Prozent der Reservierungswünsche konnten erfüllt werden, 2,8 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr und der vorletzte Platz im Ranking. Quelle: dpa
Platz 18 - US AirwaysUS Airways liebäugelt mit einer Übernahme des insolventen Konkurrenten American Airlines. Im Service gehören die US-Amerikaner mit einer Erfolgsquote für Reservierungen von 33,6 Prozent immer noch zu den Schlusslichtern, obwohl die Quote um 7,9 Prozentpunkte verbessert werden konnte. Immerhin hat die Airline damit die rote Laterne abgegeben. Quelle: dapd
Platz 17 - Turkish AirlinesDie türkische Airline gehört zu den beliebtesten Urlaubsfliegern der Deutschen. Im Umgang mit den Stammkunden kommen allerdings keine Urlaubsgefühle auf. Nur 38,6 Prozent der Kundenwünsche wurden erfüllt - eine Verschlechterung um 10,7 Prozentpunkte. Quelle: Reuters
Platz 16 - American AirlinesDer begehrteste Übernahmekandidat des US-Fluggeschäfts ist derzeit auf der Suche nach einem starken Partner. Für Vielflieger bietet die US-Airline einen unterdurchschnittlichen Service: 45,7 Prozent der Anfragen wurden positiv beantwortet. Ein deutliches Minus von 17,2 Prozentpunkten. Quelle: dapd
Platz 15 - Air France, KLMMit enormen Verlusten schockierte das französisch-niederländische Doppel zuletzt die Anteilseigner. Nun soll die Auslastung verbessert werden. Keine gute Nachricht für Vielflieger. Mit einer Erfolgsquote von 55,7 Prozent bei der Buchung von Prämienflügen belegt Air France/KLM schon heute den schlechtesten Platz unter den europäischen Airlines. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Quote um 9,3 Prozentpunkte. Quelle: ap

Den großen Krach brachten die Kürzungen Ende 2010, als die Lufthansa quasi über Nacht die Guthaben von Vielfliegern wie dem Hamburger Informatik-Professor Tobias Eggendorfer um bis zu 40 Prozent entwertete. Damit hatten Fluggäste keine Chance mehr, im guten Glauben gesammelte Meilen wie ursprünglich versprochen einlösen zu können. Nach einem langen Gerichtsverfahren willigte die Lufthansa kürzlich ein, solche Einschnitte ein halbes Jahr im Voraus anzukündigen, damit Kunden zumindest einen Teil ihrer Guthaben aufbrauchen können.

Wie oft Kunden an der Umwandlung von Meilen in einen Gratisflug oder ein Upgrade scheitern

Ein Ärgernis für eine wachsende Zahl von Vielfliegern ist inzwischen auch die Methode, mit der Fluggesellschaften die eigentlich als Freiflüge angepriesenen Reiseprämien teuer machen. Dazu kassieren sie für immer mehr Dinge, die früher mit den eingelösten Meilen abgedeckt waren. Die Liste der nunmehr kostenpflichtigen Extras ist lang. Sie reicht von Gebühren für die Aufgabe des Gepäcks über den Obolus für die Buchung, den Air Berlin sogar bei Gold-Kunden verlangt, bis zu Zuschlägen für eine Beratung am Telefon.

Prämientickets sind manchmal sogar teurer

Die Masche, die Hand aufzuhalten, kennt keine Grenzen. So summieren sich die Zuschläge für Bonus-Meilen-Einlöser auf einigen Strecken auf Beträge, die das Prämienticket teurer werden lässt als einen regulären Flugschein. Wer im Januar einen Air-Berlin-Flug von Düsseldorf nach München im Mai buchte, zahlte direkt bei der Gesellschaft 108 Euro, über das TopBonus-Programm aber 150 Euro für Zuschläge – trotz 15 000 Bonusmeilen.

In manchen Fällen übersteigen die Zuschläge sogar die tatsächlichen Kosten der Extras. So kassierte Air Berlin für einen Bonusflug von Düsseldorf nach München und retour knapp 80 Euro Kerosinzuschlag. Dabei liegen die Spritkosten für die gut 1200 Kilometer lange Reise eher bei der Hälfte, wenn die Air-Berlin-Werbung stimmt, wonach die Flugzeuge pro Passagier nur vier Liter auf 100 Kilometern verbrauchen.

Die Lufthansa redet sich bei der Kalkulation der Zuschläge zulasten der Bonuskunden damit heraus, dass die teuren Freitickets mit den Sonderangeboten nur begrenzt vergleichbar seien. "Einen Prämienflug kann der Kunde umbuchen, ein Sonderangebot für 99 Euro nicht", sagt Miles-&-More-Chef Deprosse. Die Kunden sehen das, kein Wunder, anders. "Die Frustration ist bei vielen auf einem Allzeithoch", sagt Meilenexperte König.

Endgültig gewonnen haben die Airlines, wenn sie auf diese Weise den Schnäppchenjagdinstinkt ihrer Kunden schwächen. So wie im Kinofilm "Up in the air", in dem Meilenmillionär Ryan Bingham alias Hollywoodstar George Clooney am Ende sagt: "Meilen sind eben nicht alles im Leben."

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