Die Sanierung der Lufthansa beschert Konzernchef Christoph Franz derzeit viel hässliche Publicity. Im Rahmen seines Sparprogramms Score scheut der Manager kein Tabu, um bis Ende 2015 den Gewinn um mindestens 1,5 Milliarden Euro zu steigern. Franz will die Verwaltung am Gründungssitz Köln schließen, was ihm den Zorn der Beschäftigten einbringt. Um Investitionen wie die aktuelle Bestellung von gut 100 Flugzeugen im Wert von mindestens sechs Milliarden Euro zu finanzieren, hat er trotz eines 990-Millionen-Euro-Nettogewinns die Dividende gestrichen. Nun stoßen Investoren die Aktie ab und schicken den Kurs in den Keller.
Weniger merklich, dafür mindestens so heftig brodelt es bei Europas größter Fluggesellschaft unter der Decke: beim Bonusmeilen-Programm Miles & More – und damit ausgerechnet bei den besonders zahlungskräftigen Kunden wie Harry Wassermann. Der Chef des Call-Center-Betreibers SNT Deutschland schickte Franz Ende Januar seine HON-Circle-Karte, mit der die Kranichlinie ihre gut 3000 Supervielflieger ausstattet, eigenhändig zerschnitten zu.
Mickrige Gutschriften und komplexe Programme
Wassermann steht für den wachsenden Unmut der Passagiere gegen die Prämienprogramme bei der Lufthansa und ihren Wettbewerbern. "Die Airlines haben sie in den vergangenen Jahren zum Nachteil der meisten Kunden verändert", sagt Alexander Koenig, Gründer der Vielfliegerberatung First Class & More in Dubai. "Meilengutschriften werden immer mickriger und die Programme in der Handhabung komplexer, sodass eigentlich kaum ein Kunde noch durchblickt."
Wie eine Fluggesellschaft mit einem Bonusprogramm Geld verdient
a) Zum Beispiel an: Kreditkartenfirmen, Partner-Fluglinien, Mietwagenfirmen, Hotels, Handelsunternehmen
b) Verkaufte Meilen sparen der Fluglinie Kreditzinsen, weil bezahlte Meilen im Schnitt erst nach gut zwei Jahren eingelöst werden
c) Weil rund 17 Prozent der gesammelten Meilen nicht eingelöst werden und verfallen, sparen die Fluglinien Rückstellungen und Ausgaben
Einnahmen:
1,24 Cent pro Bonusmeile
a) Verwaltungskosten: Personal, Callcenter, IT
b) Nebenkosten für eingeräumte Freiflüge: Pro zusätzlichen Passagier circa 30 Euro
c) Einkauf Prämien: Flüge, Übernachtungen etc. Sachprämien
Ausgaben: 0,88 Cent pro Bonusmeile
Fluglinien kalkulieren mit einem Mehrumsatz mit regulär bezahlten Flügen von gut drei Prozent durch das Bonusprogramm, davon sind mindestens zwei Drittel Gewinn.
Beispiel Lufthansa: mindestens 700 Millionen Euro Mehrumsatz, davon bis zu 500 Millionen Euro Gewinn
Profit:
0,36 Cent pro Bonusmeile
Zwar winkt Passagieren, wenn sie genug mit einer Gesellschaft fliegen, nach wie vor eine breite Palette großer und kleiner Belohnungen: vom Wellness-Wochenende über den Freiflug in den Urlaub bis zum Extraservice wie dem Zugang zu luxuriösen Warteräumen wie dem First-Class-Terminal der Lufthansa in Frankfurt. Doch die Zahl der tatsächlichen Nutznießer ist bescheiden. In der Praxis sind die Bonus-Programme so gestaltet, dass nur eine kleine Minderheit davon richtig profitiert. Bei der Lufthansa etwa ist dies jenes gut eine Prozent der fast 22 Millionen Meilensammler, das mit der Kranich-Linie im Jahr je nach Sitzklasse mindestens zweieinhalbmal um den Globus jettet.
Das ist keine böse Absicht der Flugmanager, sondern hat System. Denn für die notorisch unprofitablen Fluglinien sind die Bonusmeilen keine Rabatte mehr, um treue Kunden bloß an sich zu binden. So kurios es klingt: Den Airlines ist es gelungen, aus den Gutschriften so viel Profit zu schlagen, dass der über Gewinn und Verlust entscheidet. "Ohne die Erträge ihrer Bonusprogramme würde zumindest in den USA oder Europa wohl jede große Airline hohe Verluste schreiben", sagt Alexander Tamdjidi, Luftfahrtspezialist der internationalen Unternehmensberatung PA Consulting Group.
700 Millionen durchs Bonusprogramm
Für die Lufthansa gibt es zwar keine offiziellen Zahlen. Insider schätzen aber, dass das Bonusprogramm Miles & More im Geschäftsjahr 2012 mit mindestens 700 Millionen Euro Gewinn zum Wohlergehen des Unternehmens beitrug. Nur darum hat die Airline einen operativen Gewinn von gut 500 Millionen Euro geschafft und keinen Verlust von knapp 200 Millionen geschrieben.
Die sonderbare Profitmaschine
Mit Rabatten, die eigentlich nur Geld kosten, dicke Gewinne machen? Die sonderbare Profitmaschine der Airlines funktioniert letztlich nur, weil die Vielfliegerprogramme sich in der Praxis für die meisten Kunden als Mogelpackung erweisen:
- Erstens verführen die Programme die Passagiere dazu, öfter und teurer zu fliegen als nötig. Das bringt den Fluglinien laut einer Studie der Universität im kanadischen Toronto gut drei Prozent mehr Umsatz, aber keine nennenswerten Mehrkosten. Die Lufthansa macht allein dadurch bis zu einer halben Milliarde Euro mehr Gewinn. Daran wäre nichts anrüchig, würden in vielen Fällen nicht andere die Kosten tragen: entweder der Arbeitgeber, dem der Mitarbeiter die Notwendigkeit für einen teureren Flug aufschwatzt, oder der Selbstständige, der sich die Mehrkosten teilweise vom Finanzamt wiederholt.
- Zweitens verkaufen die Fluggesellschaften Unmengen an Bonusmeilen an andere Unternehmen, die damit ihren Kunden Kreditkarten, Mietwagen oder Zeitschriftenabonnements schmackhaft machen. Die Airlines machen damit den großen Reibach, weil sie für die Rabattpunkte ein Vielfaches dessen verlangen, was sie die spätere Einlösung kostet. Die wenigen Gesellschaften, die wie die Bonus-Tochter Aeroplan von Air Canada ihre Gewinne veröffentlichen, schaffen auf diese Weise bis zu 30 Prozent Umsatzrendite. "Und wir machen keinen wesentlich schlechteren Job", sagt Harald Deprosse, Chef des Lufthansa-Programms Miles & More. Der Meilenverkauf bescherte der Airline laut Insidern bis zu 250 Millionen Euro Gewinn. Bei großen US-Konkurrenten ist es fast eine Milliarde. "Rein finanziell ist bei vielen Airlines die Fliegerei nur ein notwendiges Übel um die Bonusprogramme am Laufen zu halten", spottet Berater Tamdjidi.
- Drittens melken die Airlines systematisch die Masse der Meilensammler durch eine ganze Palette von Tricks. Sie schreiben ohne lange Vorankündigung für die gleiche Strecke weniger Meilen gut, verlangen für Prämien mehr Punkte oder machen die vermeintlichen Freitickets durch Gebühren oft teurer als regulär gebuchte Flüge.
Programme animieren zu höheren Umsätzen
Die Geburtsstunde der Lockvögel schlug 1979, als Texas International Airways das erste Bonusprogramm für Flugpassagiere startete. Die Airlines in den USA durften seit 1978 endlich ohne staatliche Genehmigung fliegen, wo sie wollten. Um zahlungskräftige Passagiere zu halten, erfand die Gesellschaft, die in United Airlines aufgegangen ist, Rabatte für Vielflieger. Doch die Texaner hatten die Rechnung ohne die Konkurrenten gemacht, denen nichts anderes blieb, als nachzuziehen und ihren Kunden ebenfalls teure Versprechungen zu machen. Mit der Zeit belasteten die Rabatte derart die Budgets der Fluglinien, dass der erste Chef des Lufthansa-Programms Miles & More, Anton Lill, die Idee 1993 als "wahre Seuche" geißelte.
Bonuspunkte wurden zur Währung
Das änderte sich, als die schon damals notorisch klammen Fluglinien ihre Bonusprogramme genauer unter die Lupe nahmen. "Sie erkannten nicht nur, dass fünf Prozent der Kunden gut 40 Prozent des Umsatzes bringen, sondern dass die Programme gerade diese Kunden zu noch höheren Umsätzen animierten", sagt Jörn Grotepass von der Unternehmensberatung A. T. Kearney. Schließlich bringen mehr Flüge den Bonusmeilen-Sammlern nicht nur Gratisreisen, sondern auch besseren Service. Das gilt für allem für Mitglieder des Jetsets, die als sogenannte Statuskunden eine Vielfliegerkarte je nach Reisefreudigkeit in Silber, Gold oder Platin erhalten. Sie dürfen dank ihrer Bonusmeilen etwa auch dann an den Schaltern für Business- oder First-Class-Kunden Gepäck aufgeben oder in bequemen Lounges bei kostenlosen Drinks und frisch zubereiteten Menüs auf den Flug warten, wenn sie nur Touristenklasse gebucht haben.
Von welchen Prämien der Kunde am meisten hat
Prämie: Siemens-Gigaset-Schnurlostelefon SL910
Marktpreis: 149 Euro
Einzulösende Meilen: 42.000
Ersparnis: 149 Euro
Gegenwert von 1000 eingelösten Meilen: 3,5 Euro
Prämie: Flug nach Dubai in der Economy Class
Marktpreis: 600 Euro
Einzulösende Meilen: 40.000
Steuern und Gebühren für den eingelösten Flug: 320 Euro
Ersparnis: 280 Euro
Gegenwert von 1000 eingelösten Meilen: 7 Euro
Prämie: Meilenschnäppchen nach Dubai
Marktpreis: 600 Euro
Einzulösende Meilen: 25.000
Steuern und Gebühren für den eingelösten Flug: 320 Euro
Ersparnis: 280 Euro
Gegenwert von 1000 eingelösten Meilen: 11,2 Euro
Prämie: Flug nach Dubai in der Business Class
Marktpreis: 3000 Euro
Einzulösende Meilen: 70.000
Steuern und Gebühren für den eingelösten Flug: 320 Euro
Ersparnis: 2680 Euro
Gegenwert von 1000 eingelösten Meilen: 38,3 Euro
Prämie: Meilenschnäppchen nach Dubai
Marktpreis: 3000 Euro
Einzulösende Meilen: 40.000
Steuern und Gebühren für den eingelösten Flug: 320 Euro
Ersparnis: 2680 Euro
Gegenwert von 1000 eingelösten Meilen: 67 Euro
Prämie: First-Class-Flug nach Dubai
Marktpreis: 6000 Euro
Einzulösende Meilen: 125.000
Steuern und Gebühren für den eingelösten Flug: 320 Euro
Ersparnis: 5680 Euro
Gegenwert von 1000 eingelösten Meilen: 45,4 Euro
Zu kippen begann das System, als die Bonuspunkte zu einer Art Vielfliegerwährung wurden und damit Raum für krumme Geschäfte schufen. Viele Meilensammler begaben sich auf den "Mileage Run", wie der Reiserausch bald hieß, bei dem Passagiere etwa von Frankfurt nach Los Angeles Zwischenstopps in Rom, Zürich und San Francisco einlegten – nur weil dies das Meilenguthaben erhöhte. Hunderte Lufthansa-Kunden erfuhren sich die nötigen Punkte für die goldene Senator-Karte auch so: Sie buchten zwischen Köln und Frankfurt, wo die Lufthansa die Passagiere inzwischen aus Kostengründen mit dem Zug befördert, gut 60 ICE-Trips, checkten online ein, traten die Fahrten aber nie an. Ein meilensüchtiger Angestellter von Singapore Airlines wanderte gar ins Gefängnis, weil er sich 17,6 Millionen Bonuspunkte – genug um in der Economy Class 100 Mal um die Welt zu fliegen – zugeschanzt hatte.
Die Airlines bauten daraufhin das System radikal um, vom Kosten- zum Profitcenter. Denn "richtig gemacht", sagt Berater Grotepass, "sind die Meilenprogramme eine Goldgrube" – im Wesentlichen allerdings nur für die Fluggesellschaften und weniger für deren Kunden.
Gewinn pro Meile
Im Kleinen beginnt das damit, dass von den teuer gesammelten Meilen laut einer Übersicht des Internet-Meilendienstes Webflyer im Schnitt rund 17 Prozent verfallen, weil die Kunden sie nicht einlösen. Kräftiger zu Buche schlägt für die Airlines, dass die Einnahmen durch verkaufte Bonusmeilen für sie einen kostenlosen Kredit darstellen. Denn im Schnitt lösen die Kunden die Punkte erst gut zwei Jahre später ein, nachdem die Fluglinien das Geld dafür etwa von der Kreditkartengesellschaft oder dem Autovermieter kassiert haben. Selbst eine Linie wie die Lufthansa mit einem guten Ruf auf dem Kapitalmarkt spart dadurch laut Insidern bis zu 100 Millionen Euro Zinsen im Jahr.
Die eigentliche große Nummer ist jedoch die Einlösung der Bonusmeilen. Bis ein Kunde etwa 25 000 davon für ein Gratisticket in Europa beisammen hat, muss er bis zu 10 000 Euro – oder 40 Cent pro Meile – verfliegen. Das kostenlose Ticket für den Einlöser der Bonusmeilen kostet die Fluglinie gerade 0,1 Cent pro Meile. Neben einem kleinen Beitrag zu den Verwaltungskosten zahlt die Fluggesellschaft rund 30 Euro für den Freiflug, darin enthalten sind die Kosten für die Abfertigung am Flughafen, die Bordverpflegung oder das bisschen Extrasprit für das Mehrgewicht.
Teuer verkauft an Partnerunternehmen
Auch aus Sachprämien wie Telefonen oder Koffern, die etwa Lufthansa oder Delta anbieten, machen die Airlines ein gutes Geschäft, indem sie die Kosten der dafür erforderlichen Bonusmeilen für sich fast ins Bodenlose drücken. Dieser Effekt ergibt sich auch hier dadurch, dass die Airlines viele Meilen teurer an Partnerunternehmen verkaufen, als sie diese am Ende einlösen. So kostet bei besonders begehrten Prämien wie dem teuersten iPad 4 die Bonusmeile die Lufthansa nur 0,29 Cent, weil sie dem Einlöser besonders viele Rabattpunkte abverlangt, die vorher ein Partnerunternehmen teuer bezahlt hat. "Ein besseres Geschäft lässt sich für die ansonsten so ertragsschwachen Airlines kaum denken", sagt der selbstständige Unternehmensberater Markus Franke aus Korschenbroich bei Düsseldorf
Die größten Fluggesellschaften der Welt
Air France (Frankreich) - 47 Millionen Passagiere
Die Franzosen leiden unter dem schwachen Geschäft in Europa und können ihren Platz in der Top 10 nur knapp behaupten. Billig-Airlines und Kerosinpreise verhageln das Geschäft. Nun erwägen sie sogar eine Kooperation mit dem aufstrebenden arabischen Konkurrenten Etihad einzugehen, um der Lufthansa ihren Spitzenplatz abzujagen.
China Eastern Airlines (China) - 50,3 Millionen Passagiere
Mitte 2011 wurde die chinesische Airline ins SkyTeam aufgenommen. Die 285 Flugzeuge steuern im wesentlichen Ziele im Inland an, aber auch Flughäfen in Nordamerika, Europa und Australien. Größter Anteilseigner der Fluggesellschaft ist die chinesische Regierung.
US Airways (USA) - 51,8 Millionen Passagiere
Einst als reine Logistik-Fluggesellschaft gegründet, transportieren die Amerikaner mittlerweile so viele Passagiere wie Südafrika Einwohner hat. Weltweite Bekanntheit erlangte die Airline im Jahr 2011 durch eine spektakuläre Notlandung im Hudson River.
United Airlines (USA) - 54 Millionen Passagiere
Mit 3500 Flügen am Tag gehört die Airline seit ihrer Fusion mit Continental zu den größten Fluggesellschaften in Nordamerika. Die Amerikaner fliegen ca. 700 Ziele in 127 Ländern weltweit an.
Lufthansa (Deutschland) - 56,7 Millionen Passagiere
Die größte deutsche Fluggesellschaft macht rund 75 Prozent ihrer Umsätze im Passagiergeschäft. Das Geschäft im Heimatmarkt wird derzeit getrübt durch die Schuldenkrise. Zuletzt musste die Airline sogar einen Verlust ausweisen. Nun soll gespart werden.
Ryanair (Irland) - 71,2 Millionen Passagiere
Ryanair-Chef Michael O'Leary ist berühmt für seine ausgeflippten Auftritte. Durch seine Billigstrategie sind die Iren mittlerweile die größte Fluggesellschaft Europas. Nun soll die 286 Flugzeuge starke Flotte um 23 Maschinen erweitert werden.
China Southern (China) - 76,1 Millionen Passagiere
Asiens größte Fluggesellschaft verfügt über eine Flotte von 360 Maschinen - darunter auch ein Airbus A380. Damit soll die Expansion noch lange nicht abgeschlossen sein, in den kommenden Jahren soll die Flotte um 121 Flugzeuge ausgebaut werden.
American Airlines (USA) - 86,1 Millionen Passagiere
Bronze geht an die Silberpfeile am Himmel. Dabei musste die Fluggesellschaft Ende 2011 Insolvenz anmelden. Der Flugbetrieb geht vorerst weiter - es werden aber weiterhin Verluste in Millionenhöhe eingeflogen.
Southwest Airlines (USA) - 106,2 Millionen Passagiere
Die bunten Texaner sind die größte Inlandsfluggesellschaft der Welt. Nachdem die Passagierzahl in der Finanzkrise zuletzt heftig gesunken war, erreichte sie 2010 wieder ein Rekordniveau weit über der 100-Millionen-Marke. Nur eine einzige Airline transportierte mehr Passagiere.
Delta Airlines (USA) - 111,1 Millionen Passagiere
Die Amerikaner sind immer noch unangefochten die größte Fluggesellschaft der Welt - doch in einem Jahr ist die Passagierzahl um satte 50 Millionen geschrumpft. 752 Flugzeuge gehören zur Flotte, weitere 125 sind bestellt.
Für die Partnerunternehmen, die Bonusmeilen kaufen, funktioniert der Lockvogel Bonusmeilen offenbar so gut, dass sie den Fluglinien diese millionenfach abkaufen. "Bereits bei 500 Meilen Bonus wählen viele Kunden ein anderes Unternehmen", sagt Ravindra Bhagwanani, Inhaber der Vielfliegerberatung Global Flight aus dem südfranzösischen Toulouse. Deshalb zahlen die Hotelketten und Autoverleiher gern bis zu zwei Cent pro Meile. Denn die Ausgaben von jeweils maximal zehn Euro sorgen dafür, dass ein Kunde für 100 Euro oder mehr ein Zimmer belegt oder ein Auto mietet, das sonst leer gestanden hätte. Diese zehn Euro wiederum liegen ein Vielfaches über dem, was die Lufthansa beim Einlösen der Meilen ausgibt.
Ersticken an uneingelösten Meilen
So berechnet die Kranichlinie etwa für zwei Nächte nach Ostern im Radisson Blue Salzburg 65 597 Bonusmeilen. Bei einem regulären Zimmerpreis von 158,40 Euro kommt die Lufthansa dadurch mit Kosten von 0,2 Cent pro Meile davon. Das ist schätzungsweise das Zehnfache dessen, was sie vorher dafür kassiert hat.
Inzwischen haben die Bonusprogramme jedoch ein Ausmaß erreicht, das die Airlines an den uneingelösten Meilen zu ersticken droht. Auf Basis einer Schätzung des britischen Wirtschaftsmagazins "The Economist" dürften zurzeit fast 30 Billionen uneingelöste Bonusmeilen in einem Wert von 300 Milliarden Dollar über den Globus vagabundieren. Gleichzeitig sank in den vergangenen Jahren aber das Angebot an freien Plätzen im Flugzeug, um die Rabattpunkte einzulösen. "Noch vor zehn Jahren waren die Flieger im Schnitt zu bestenfalls 70 Prozent gefüllt, nun sind es gerade zur Hauptreisezeit oft mehr als 90 Prozent", sagt Berater Tamdjidi.
Langes Warten auf die Prämie
Das führt nicht nur dazu, dass immer weniger Fluggäste ihren Wunsch erfüllt bekommen, wenn sie ihre Bonusmeilen einlösen möchten. Laut einer Statistik von Webflyer, der führenden Internet-Seite für Vielflieger, müssen Kunden bis zu fünf Anfragen nach einer Prämie starten, bevor sie Erfolg haben.
Die größten Vielfliegerprogramme
Fluggesellschaft: United Airlines
Land: USA
Mitglieder: 90 Millionen
Fluggesellschaft: Delta
Land: USA
Mitglieder: 85 Millionen
Fluggesellschaft: American Airlines
Land: USA
Mitglieder: 69 Millionen
Fluggesellschaft: US Airways
Land: USA
Mitglieder: 30 Millionen
Fluggesellschaft: Japan Airlines
Land: Japan
Mitglieder: 24 Millionen
Fluggesellschaft: Lufthansa
Land: Deutschland
Mitglieder: 21,5 Millionen
Fluggesellschaft: Air France, KLM
Land: Frankreich
Mitglieder: 21 Millionen
Fluggesellschaft: Korean Airlines
Land: Südkorea
Mitglieder: 18 Millionen
Fluggesellschaft: China Southern
Land: China
Mitglieder: 13 Millionen
Fluggesellschaft: British Airways
Land: Großbritannien
Mitglieder: 10 Millionen
Zugleich haben die Airlines ihre Rabatte entwertet. Als Erstes kürzten die Fluglinien die Bonusgutschriften für das Gros ihrer Tickets. Zwar bekommen Kunden mit teuren Economy-Tickets inzwischen teilweise mehr Rabattpunkte als manche Business-Gäste. Doch das ist die Ausnahme. Für die meisten Kunden sind Bonusmeilen heute weniger wert als früher.
Brauchten Lufthansa-Kunden zum Beispiel vor zehn Jahren für ein Prämienticket von Frankfurt nach New York nur neun bezahlte Economy-Flüge auf dieser Strecke, so sind es seit dem Jahr 2008 fast 16. Inzwischen trifft die Entwertung auch die Businessclass-Gäste. Vor fünf Jahren reichten noch vier Flüge in Richtung Fernost, um einmal gratis mit Frau und Kind ans Mittelmeer zu jetten; heute sind es bei einem der günstigeren Tarif bis zu acht. Weil die Airlines daneben auch die Zahl der Statusmeilen erhöht haben, die für die Silber-, Gold- und Platinkarten nötig sind, müssen die Kunden meist öfter fliegen, bis sie die begehrten Plastikausweise bekommen.
Meilen fürs Geld, nicht die Strecke
Miles-&-More-Chef Deprosse hält das für gerecht. "Wir richten die Gutschriften weniger an der geflogenen Distanz, sondern mehr am Ticketpreis aus", verteidigt er sein Programm. "Ursache ist die wettbewerbsbedingt stärkere Differenzierung der Preise, an die wir die Meilengutschrift angepasst haben. Wer mehr zahlt, bekommt auch mehr Meilen – das ist fair."
Gleichwohl erschweren die Fluggesellschaften den Kunden damit das Einlösen der Bonusmeilen. So können Lufthansa-Passagiere mit günstigeren Tickets in der Economy und der Businessclass keine Bonusmeilen mehr einsetzen, um in eine bessere Serviceklasse zu wechseln.
Entwertete Meilen
Den großen Krach brachten die Kürzungen Ende 2010, als die Lufthansa quasi über Nacht die Guthaben von Vielfliegern wie dem Hamburger Informatik-Professor Tobias Eggendorfer um bis zu 40 Prozent entwertete. Damit hatten Fluggäste keine Chance mehr, im guten Glauben gesammelte Meilen wie ursprünglich versprochen einlösen zu können. Nach einem langen Gerichtsverfahren willigte die Lufthansa kürzlich ein, solche Einschnitte ein halbes Jahr im Voraus anzukündigen, damit Kunden zumindest einen Teil ihrer Guthaben aufbrauchen können.
Wie oft Kunden an der Umwandlung von Meilen in einen Gratisflug oder ein Upgrade scheitern
Flug: 81 Prozent
Upgrade: 70 Prozent
Flug: 56 Prozent
Upgrade: 81 Prozent
Flug: 54 Prozent
Upgrade: 80 Prozent
Flug: 51 Prozent
Upgrade: 47 Prozent
Flug: 50 Prozent
Upgrade: 60 Prozent
Flug: 43 Prozent
Upgrade: 33 Prozent
Flug: 41 Prozent
Upgrade: 38 Prozent
Flug: 41 Prozent
Upgrade: 43 Prozent
Flug: 40 Prozent
Upgrade: 57 Prozent
Flug: 38 Prozent
Upgrade: 38 Prozent
Ein Ärgernis für eine wachsende Zahl von Vielfliegern ist inzwischen auch die Methode, mit der Fluggesellschaften die eigentlich als Freiflüge angepriesenen Reiseprämien teuer machen. Dazu kassieren sie für immer mehr Dinge, die früher mit den eingelösten Meilen abgedeckt waren. Die Liste der nunmehr kostenpflichtigen Extras ist lang. Sie reicht von Gebühren für die Aufgabe des Gepäcks über den Obolus für die Buchung, den Air Berlin sogar bei Gold-Kunden verlangt, bis zu Zuschlägen für eine Beratung am Telefon.
Prämientickets sind manchmal sogar teurer
Die Masche, die Hand aufzuhalten, kennt keine Grenzen. So summieren sich die Zuschläge für Bonus-Meilen-Einlöser auf einigen Strecken auf Beträge, die das Prämienticket teurer werden lässt als einen regulären Flugschein. Wer im Januar einen Air-Berlin-Flug von Düsseldorf nach München im Mai buchte, zahlte direkt bei der Gesellschaft 108 Euro, über das TopBonus-Programm aber 150 Euro für Zuschläge – trotz 15 000 Bonusmeilen.
In manchen Fällen übersteigen die Zuschläge sogar die tatsächlichen Kosten der Extras. So kassierte Air Berlin für einen Bonusflug von Düsseldorf nach München und retour knapp 80 Euro Kerosinzuschlag. Dabei liegen die Spritkosten für die gut 1200 Kilometer lange Reise eher bei der Hälfte, wenn die Air-Berlin-Werbung stimmt, wonach die Flugzeuge pro Passagier nur vier Liter auf 100 Kilometern verbrauchen.
Die Lufthansa redet sich bei der Kalkulation der Zuschläge zulasten der Bonuskunden damit heraus, dass die teuren Freitickets mit den Sonderangeboten nur begrenzt vergleichbar seien. "Einen Prämienflug kann der Kunde umbuchen, ein Sonderangebot für 99 Euro nicht", sagt Miles-&-More-Chef Deprosse. Die Kunden sehen das, kein Wunder, anders. "Die Frustration ist bei vielen auf einem Allzeithoch", sagt Meilenexperte König.
Endgültig gewonnen haben die Airlines, wenn sie auf diese Weise den Schnäppchenjagdinstinkt ihrer Kunden schwächen. So wie im Kinofilm "Up in the air", in dem Meilenmillionär Ryan Bingham alias Hollywoodstar George Clooney am Ende sagt: "Meilen sind eben nicht alles im Leben."