




Wenn Christian Appelt über seine Fahrten mit dem ICE in den vergangenen Jahren redet, spricht er gerne vom „503er“, „206er“ oder „515er“. Die Nummern, die zu jedem ICE im Fahrplan stehen, sind für den 49-Jährigen Synonyme für die vielen Bahnverbindungen geworden, die er regelmäßig nutzt.
Seit Jahren ist der Unternehmensberater Inhaber einer Bahncard 100 für die erste Klasse, die ihn pro Jahr 6.690 Euro kostet und zum unbegrenzten Zugfahren in Deutschland berechtigt. Mehrmals die Woche reist er quer durch die Republik. Rund eine Million Zugkilometer hat Appelt seit 2001 zurückgelegt. „Die Bahn“, sagt er, „ist eigentlich das beste Fortbewegungsmittel.“
Trotzdem hat Appelt seine Bahncard 100, deren Gültigkeit gerade endete, nun nicht wieder verlängert, sondern gibt sich künftig mit einer Bahncard 50 Erster Klasse für 482 Euro zufrieden.
So denkt das Netz über die Deutsche Bahn
"Es gibt Sachen, die sind schlecht. Dann gibt es Sachen, die sind noch schlechter oder am schlechtesten, und dann gibt es noch die Deutsche Bahn."
Twitter-Eintrag am 28. November 2012, 6.03 Uhr
"Hat irgendjemand schon eine Schneeflocke gesichtet? Hab mir gleich mal +60 Minuten auf dem Weg zur Arbeit eingefangen."
Twitter-Eintrag am 25. November 2012, 23.10 Uhr
"WLAN im Wagen 25 des ICE geht natürlich nicht. Ich könnte brechen, wirklich voll tolles träveling wis Deutsche Bahn."
Twitter-Eintrag am 25. November 2012, 12.33 Uhr
"Seit 8 Tagen ist der ICE 1023 nach FRA nur halb so lang. Inzwischen hat die Bahn es noch nicht mal mehr nötig, das anzukündigen."
Twitter-Eintrag am 20. November 2012, 22.53 Uhr
"Vom Pinguin zur Sardine. Danke Deutsche Bahn."
Twitter-Eintrag am 20. November 2012, 22.40 Uhr
Es war dieser Tag im vergangenen September, der Appelts Liebe zur Deutschen Bahn (DB) zerbrechen ließ. Wieder einmal saß der Westfale im ICE 503 von seinem Wohnort Hagen nach Basel. Laut Fahrplan schafft der Hochgeschwindigkeitszug die rund 550 Kilometer lange Strecke in weniger als fünf Stunden. Doch dieser Tag war wieder einmal kein normaler. Wegen einer Stellwerksstörung in Solingen erreicht der ICE 503 Karlsruhe, wo Appelt nach Basel umsteigen muss, mit 70 Minuten Verspätung. Als Appelt in den Bahnhof einfährt, sieht er den ICE, der ihn und andere Reisende außerplanmäßig aufnehmen und nach Basel befördern sollte, vor der Nase abfahren. Appelt muss den nächsten Zug nehmen und erreicht Basel mit zwei Stunden Verspätung. Sein Geschäftstermin ist geplatzt, die ganze Reise sinnlos.
Darüber kann sich Appelt die nächsten Stunden nicht beruhigen. Am Abend macht er seiner Wut schließlich auf der Internet-Web-Site ice-treff.de Luft. „Diese DB der Jetzt-Zeit ist für vernünftiges Arbeiten nicht mehr benutzbar“, schimpft er und droht: „Wir werden SOFORT alle Bahncard 100s in der Firma kündigen! Es reicht!“ Appelt arbeitet mit zwölf freiberuflichen Kollegen zusammen. Rund 80.000 Euro könnte die Deutsche Bahn verlieren, sollte die gesamte Truppe um Appelt nach Ende der Laufzeit wie er ihre Bahncards 100 nicht verlängern.
In Hassliebe verbunden
Die jährlichen Fahrplanwechsel bei der Deutschen Bahn sind Tage des Selbstlobs, der Kritik durch Fahrgastvertreter, der Vor- und der Rückschau, kurz: der Bilanz. Wenn es am kommenden Wochenende wieder so weit ist, wird Bahn-Chef Rüdiger Grube alles versuchen, die jüngsten Meldungen über weitere Verzögerungen bei der Inbetriebnahme neuer ICE- sowie neuer Regionalzüge vergessen zu machen.
Es gibt neue Direktverbindungen von Düsseldorf nach Stuttgart. Auch für den Winter ist besser vorgesorgt. Die Bahn setzt zusätzliche Anlagen ein, um vereiste Züge abtauen zu können. Alle 48.000 Weichen auf Strecken mit Personenverkehr werden beheizt, 6.000 Weichen zusätzlich mit Abdeckungen gegen Eisbrocken geschützt. Durch den vorübergehenden Einsatz von Intercity- anstelle von ICE-Zügen bis zum 15. März soll es mehr Reservezüge geben.