Lakrids Wie ein Däne aus Lakritze ein Luxus-Produkt macht

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Zwei Jahre noch bis die Maschinen zu klein sind - sagt McKinsey

Johan Bülow stammt aus einer Unternehmerfamilie und bewies mit 23 Jahren, dass dieser Geist auch in ihm lebt. Ein Jahr nach der Eröffnung seines Geschäftes investierte er in eine Maschine, die es bis dahin eigentlich nicht gab. Der Hersteller fertigte sie eigens für ihn an, nachdem Bülow ihn von seinen Ideen überzeugt – und eine satte Anzahlung geleistet hatte.

Die Maschine ist bis zum heutigen Tag das Herzstück der Produktion. Sie kocht die Mischung aus Glucose, Reismehl, Melasse, Rapsöl und Süßholz auf und formt sie unter Druck zu neun parallel herauslaufenden Lakritzschlangen, die auf einem Band gekühlt werden. Es sei die „vermutlich kleinste Lakritzmaschine der Welt“, sagt Bülow. Rund 100 Kilogramm Lakritz pro Stunde verarbeitet sie - in mehreren Schichten jeden Tag. In der heißen Phase vorm Weihnachtsgeschäft sogar rund um die Uhr. Zwei Jahre gehe das noch, dann müsse eine weitere oder größere Maschine her.

Das zumindest haben die Berater von McKinsey errechnet, die Bülow geholt hat, um die künftige Expansion umzusetzen. Mit Kleinklein in der Luxusnische gibt sich Bülow nicht zufrieden.

Und das muss er auch. Denn die Wettbewerber in Dänemark zumindest haben Bülows Erfolg und den der rund 350 Mitarbeiter beobachtet - und setzen mit sehr ähnlichen Produkten in sehr ähnlichen Verpackungen auf die gleiche Kundschaft.

Auch wenn nicht immer klar ist, wer das genau sei. Die Mehrheit der Käufer seien Frauen - ob sie es selber verzehren oder weiterverschenken: Unbekannt. "Wir haben vieles bisher zufällig gut gemacht", räumt Stefan Zappe ein. Marktforschung soll nun ein Licht ins Dunkel werfen in einem Markt, der schwer zu beackern sei. "Wir haben es leichter in Nationen, die Lakritze gar nicht kennen", sagt Zappe.

Das geplante Wachstum des Unternehmens beruht inzwischen nicht länger allein auf dem Spirit seines Gründers. Im Juni 2018 hat Bülow die Mehrheit der Anteile verkauft. Er hält zwar weiter 25,6 Prozent an dem Unternehmen, weitere Führungskräfte kleinere Anteile. Den Rest aber kaufte das schwedische Private-Equity-Unternehmen Valedo. Zum Kaufpreis machen die Beteiligten keine Angaben. Heute leitet der ehemalige Dänemark-Chef von Nespresso, Fredrik Nilsson, das Unternehmen. Bülow ist weiter als kreativer Kopf für die Entwicklung von Produkten und den Unternehmensauftritt zuständig. Die Zukunft ist klar: Groß werden und dann weiterverkauft werden. So sei Private Equity. Bis dahin muss die Geschäftsidee etwas leichter zu vermitteln sein, als mit einer Kugel pro Kunde aufs Haus. Aus dem mühseligen Andienen muss eine breite Nachfrage werden - für die Nische ist Lakrids zu groß, für den großen Aufschlag noch zu klein.

Die Parallelen zur Modewelt, deren Nähe Lakrids im Vertrieb sucht, drängen sich auf. Es gibt Kollektionen für Sommer und Winter. Die Farbigkeit und Gestaltung hat zunächst wenig mit Genussmitteln zu tun. Die Verpackung allein ist so erfolgreich, dass in Dänemark führende Unternehmen ähnliche Produkte in sehr ähnlichen Verpackungen verkaufen. „Wir haben zwar die Kategorie erschaffen, können aber zum Beispiel die Dose nicht schützen lassen“, sagt Bülow, der sich von einem Tiegel Haarwachs für das Design inspirieren ließ.

Davon will man sich in absehbarer Zukunft freischwimmen und nicht mehr so leicht zu kopieren sein. Eine Verpackung, die man schützen lassen könne, damit die Wettbewerber nicht mit Copy-Cat-Produkten in den Handel drängen. "Lakrids by Knud" - aus Schweden und mit Elch auf der Packung der Lakritz-Schokokugeln ist so einer, die Schöttinger-Gruppe aus Schweden ein weiterer.

Eine Frage der Zeit, bis die Giganten der Süßwarenindustrie die aufwändige Herstellung günstiger nachbilden werden und der Pionier vor allem eines ist: Teuer.

Bei Bülow werden die Lakritzstückchen in drehenden Trommeln mit warmer Schokolade überzogen und dabei getrocknet – rund acht Stunden fallen allein auf diesen lärmenden Arbeitsschritt an. Die Pulverbeschichtung benötigt weitere Zeit – bis zu 24 Stunden können so bei den aufwändigsten Varianten in der Produktion zusammenkommen. 80 Kilogramm pro Ladung.

Eine Steigerung des Premiumanspruchs ist die Bio-Lakritze, bei der die Grundmasse nicht unter Druck, sondern durch Rühren in riesigen Kochgeräten hergestellt wird. Geschmacklich ist das für Laien kaum auszumachen, die Ansprüche des Publikums aber ändern sich – eine vegane Variante ist neuerdings auch im Programm.

Unternehmen wie Bang & Olufsen bestellen Weihnachtskalender bei Lakrids. Es ist der Firma gelungen, die Grundzutat Lakritzpulver bei angesagten Cocktailbars und angesehenen Restaurants als Zutat zu etablieren – auch wenn das Risiko besteht, dass ein Hauch zu viel davon ein Gericht von einem Hauptgang in ein Dessert verwandelt.

Doch eines löst das Gericht in jedem Fall ein: es ist etwas, das es so noch nie gab. Genau das, was seine Mutter Johan Bülow geraten hatte.

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