Am besten erklärt den plötzlichen Mangel an Solidarität mit der Anti-Piloten-Demo ein Schreiben der Verdi Jugend bei der Lufthansa Technik in Hamburg. Das vom Nachwuchs der Wartungstochter mit dem sozialistischen Lied-Vers „Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es will“ unterzeichnete Schreiben bietet zwar wenig Verständnis für die hohe Gehaltsforderung der Cockpit-Kollegen.
Doch die Unterzeichner stört neben dem Versuch, die Belegschaft zum „Schulterschluss zwischen Mitarbeitern und Management“ aufzurufen, dass ihre Kollegen über die Gehaltsrunde den zweiten Teil des Cockpit-Kampfs übersehen: Die Verlagerung von Arbeit aus der heutigen Lufthansa mit ihren gut dotierten Tarifverträgen hin zu Billigtöchtern. „Das Schröpfen vom am besten verdienenden Teil unserer arbeitenden Belegschaft würde die Lohnspirale nach unten noch mehr anfeuern. Überall im Konzern werden unsere Tarifverträge angegriffen“, so das Schreiben.
Und am Ende heißt es: „Unterstützt die Demo unserer PilotInnen!“
„Damit sprechen die jungen Wilden der Wartung dem ganzen Konzern aus der Seele“, so ein führender Kenner der Lufthansa.
Das Dilemma: Zwar wird der Druck, unter dem die Lufthansa wirtschaftlich steht, immer offensichtlicher. So startet im kommenden Frühjahr etwa Erzrivale Ryanair ab dem Hauptdrehkreuz Frankfurt - und tritt damit direkt gegen die Lufthansa an. Einigen wie Kabinen-Gewerkschafter Baublies ist das bewusst. Er fordert darum ein schnelles Ende der Streiks und Verhandlungen zwischen Piloten und Lufthansa mit Hilfe eines Schlichters, bevor die Lufthansa in größere wirtschaftliche Probleme gerät: "Beide Seiten müssten sich erstmal wieder von ihren Dogmen verabschieden und dann an einen Tisch." Doch angesichts der in diesem Jahr für Lufthansa-Verhältnis ungewohnt üppigen Gewinne erscheint vielen anderen die Bedrohung noch weit weg.
„Das zeigt, dass Spohr trotz allem die Notwendigkeit für weitere Effizienzprogramme und den Aufbau der Billigplattformen noch nicht richtig vermittelt hat“, so der Konzernkenner. „Das mag nicht allein sein Versäumnis sein, weil seine Vorgänger die nötigen Veränderungen um des lieben Friedens willen auf die lange Bank geschoben haben“, so der Insider weiter. „Doch jetzt ist es Spohrs Problem und er muss in Sachen Veränderung jetzt nachlegen und nicht, wenn in der beginnenden Krise irgendwann mal alle mitziehen.“