Lufthansa-Rettung Milliardengewinne wie in den USA?

Insgesamt bis zu 600 Milliarden Euro will die Bundesregierung zur Überbrückung der Krise in die private Wirtschaft investieren. Quelle: dpa

Unternehmen wie die Lufthansa, die jetzt Staatshilfe aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) beantragen wollen oder müssen, sollten genaue Vorstellungen davon haben, wie weitreichend die Konsequenzen sein können. Intensive Prüfungen durch Kontrollgremien und Kritik von Aktionären sind zu erwarten. Ein Gastbeitrag.

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Andreas Stöcklin ist Deutschland-Chef des globalen - unter anderem auf Fairness Opinions spezialisierten - Beratungshauses Duff & Phelps. Dr. Simon von Witzleben und Dr. Hans-Christian Krumholz sind Teil der Fairness Opinion-Praxis von Duff & Phelps.

Hilfe in höchster Not ist immer willkommen. Vor allem, wer unverschuldet in existenzbedrohende Gefahr geraten ist und keine Handlungsoptionen mehr hat, weiß sie sehr zu schätzen. Für solche Fälle hat die Bundesregierung im Schnellverfahren Ende März den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aufgelegt. Er soll wichtige Unternehmen in Deutschland vor einem Zusammenbruch als Folge der Corona-Pandemie retten. Zeit zu gewinnen und die extrem herausfordernde Phase möglichst ohne bleibende ökonomische Schäden zu überstehen – das ist das Ziel.

Der potenzielle Adressatenkreis ist bewusst weit gefasst

Insgesamt bis zu 600 Milliarden Euro will die Bundesregierung zur Überbrückung der Krise in die private Wirtschaft investieren. Unternehmen, welchen wegen des akuten Stillstands der Wirtschaft keine ausreichenden Finanzierungsmöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen, können beim WSF Garantien, Darlehen und auch direkte Eigenkapitalbeteiligungen beantragen. So hat der Wirtschaftsstabilisierungsfonds dem Paket zur Rettung der Lufthansa zugestimmt. Es sieht verschiedene Hilfen und Eigenkapitalmaßnahmen in Höhe von neun Milliarden Euro vor.

Der Kreis der investitionswürdigen Unternehmen ist insgesamt relativ weit gefasst und kann von börsennotierten Konzernen des Dax bis hin zu relevanten Start-ups mit einer Bewertung von über 50 Millionen Euro reichen. Allerdings muss folgendes gelten: „Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik“ und „insbesondere ein Beitrag zur Stabilisierung von Produktionsketten und zur Sicherung von Arbeitsplätzen“, heißt es beim Bundeswirtschaftsministerium. Aber auch Unternehmen, die kritische Infrastruktur bereitstellen, die für die Versorgungssicherheit wesentlich sind oder über wichtige Technologien verfügen, können entsprechende Hilfen beantragen. Nicht berechtigt dagegen sind Unternehmen, die sich bereits vor der Coronakrise laut EU-Definition in „Schwierigkeiten“ befunden haben, sowie Unternehmen der Finanzwirtschaft.

Rettung durch den Staat hat seinen Preis

Bei dieser klaren Intention wirken die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008 nach – während die US-Regierung mit ihrem Rettungsschirm laut dem „Bailout Tracker“ des Investigativ-Portals ProPublica bislang über 121 Milliarden Dollar Gewinn machen konnte, war die Bundesregierung mit ihrem Finanzmarktstabilisierungsfonds teilweise heftiger Kritik ausgesetzt. Diesmal wird es anders laufen. Direkte staatliche Beteiligungen und Rekapitalisierungen erfolgen zu marktgerechten Bedingungen. Was „marktgerecht“ in der aktuellen Ausnahmesituation praktisch bedeuten kann, wird sich dann am Ende von intensiven Verhandlungen und unter Einbeziehungen von Finanzexperten zeigen.

von Jacqueline Goebel, Volker ter Haseborg, Christian Ramthun

Vorstände, Geschäftsführer oder Firmeninhaber, die Staatshilfen benötigen und nun mit den Gremien der Regierung um Hilfsgelder verhandeln, treffen deshalb in den kommenden Wochen nicht nur auf Regierungsbeamte und Staatssekretäre, sondern auch auf erfahrene Banker und Finanzexperten – diese wurden erst in dieser Woche nach einem speziellen Vergabeverfahren nominiert. Die klare und nachvollziehbare Aufgabe für den WSF besteht darin, bei Investitionen eine sinnvolle Verwendung von Steuergeldern sicherzustellen. Die Bereitstellung von Eigenkapital muss daher gegen einen finanziell angemessenen Gegenwert erfolgen und das jeweilige Investitionsrisiko widerspiegeln. Der WSF und seine Berater werden deshalb eine Reihe von zentralen Fragen adressieren, bevor eine Entscheidung über die Gewährung von Hilfsmaßnahmen getroffen wird:

  • Wie sind die aktuelle und erwartete wirtschaftliche Lage des Unternehmens und seine Zukunftsaussichten?

  • Welche Stabilisierungsmaßnahmen kommen zur Wiederherstellung der Liquidität in Frage?

  • Wie wirken die Stabilisierungsmaßnahmen auf Finanzierungsinstrumente, das Rating, den Kapitalmarktzugang und auch die Aktionäre des Unternehmens?

  • Wie wird ein „kurzfristiger Ausstieg“ des Staates wieder sichergestellt?

  • Welche Konditionen und mögliche Beteiligungsformen des WSF stehen zur Auswahl?

Eine besondere Herausforderung stellt in diesem Prozess ganz sicher die Bewertung des Eigenkapitals dar. Will der Staat „marktüblich“ investieren und eine „risikoadäquate Vergütung“ erzielen, muss sein Interesse sein, wie ein professioneller Investor zu verhandeln und investieren. Je günstiger ein Einstieg ist, desto größer ist der Hebel für den Fall eines späteren erfolgreichen Ausstiegs.

Hohes Fehlerpotenzial

In der aktuellen Situation, wo die Preise an den Börsen extremen Turbulenzen unterliegen, ist es sehr schwierig, für eine Bewertung gute Orientierungspunkte zu erhalten. Um dieses Dilemma zu überwinden, kann sich die Unternehmensführung vor der finalen Entscheidung mit einer neutralen Expertenmeinung absichern. Warum wird sie das wollen? Weil es nicht unwahrscheinlich ist, dass einige Aktionäre die ausgehandelten bilateralen Deals mit dem Staat für unfair halten und daher Klage einreichen. Daneben werden Aufsichtsräte die verhandelten Konditionen kritisch hinterfragen und bei fehlenden Informationen oder bei einer anderen Einschätzung keine Zustimmung zur Staatsbeteiligung geben können.

Daher ist sicherzustellen, dass der Vorstand ein faires Ergebnis unter den gegebenen Bedingungen für die bestehenden Aktionäre erreicht hat. Auch wird sich die Unternehmensführung dagegen schützen wollen, Fehler oder Fehleinschätzungen zu machen. Unter dem immensen Druck einer Unternehmenskrise eine optimale Lösung finden zu müssen, wird in der Praxis schwierig sein. Die Prüfung von Alternativen findet unter extremen Zeitdruck statt. Nicht alle Unternehmen verfügen über entsprechende Ressourcen, hier diverse Optionen parallel zu verfolgen – mit der Konsequenz, dass es praktisch unmöglich ist, die Konditionen einer staatlichen Rettung durch „Marktpreise“ zu überprüfen.

Selbst wenn eine Insolvenz droht und die Finanzierung wirklich „rettenden“ Charakter hat, helfen die Analyse und Stellungnahme von einer neutralen Partei den Gremien bei der Entscheidung, ob der Deal fair ist und eben nicht zu einer prohibitiven wirtschaftlichen Verwässerung führt. In der Praxis wird dies durch unabhängige Experten mit einer so genannten Fairness Opinion sichergestellt, also einer Stellungnahme über die finanzielle Angemessenheit einer Transaktion, insbesondere des Preises.

Rettung nur bei positiven Zukunftsaussichten

Die Hilfe vom Staat kommt nicht umsonst. Ebenso wenig besteht ein Rechtsanspruch auf Unterstützung durch den WSF. Für die hilfesuchenden Unternehmen kommt es deshalb ganz entscheidend darauf an, sich gleich bei der Antragstellung möglichst gut zu positionieren und die Geschäftspläne in den Verhandlungen überzeugend zu präsentieren. Viele werden deshalb auf externe Experten zurückgreifen. Es geht im Kern darum, in den Verhandlungen plausibel darzustellen, dass das Unternehmen für die Zeit nach dem hoffentlich baldigen Ende der Corona-Pandemie eine klare und wieder eigenständige Perspektive aufweist.


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