Milliarden-Geschäfte im Verborgenen So tickt das Business von Wirecard und Co.

Christopher Schmitz, 50, ist Partner bei Ernst & Young im Bereich Transaktionsberatung für Financial Services Unternehmen Quelle: Ernst & Young

Alle reden über Wirecard, den Zahlungsabwickler, der die Deutsche Bank im Börsenwert übertrumpft hat. Banken-Experte Christopher Schmitz von der Unternehmensberatung Ernst & Young erklärt das Geschäftsmodell der Zahlungsabwickler – und die Reaktion der Traditionsbanken auf die neuen Konkurrenten.

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Von Firmen wie Wirecard haben die meisten noch nie etwas gehört, weil sie ihr Geschäft im Verborgenen machen. Wie funktioniert eigentlich das Geschäftsmodell?
Das Geschäftsmodell hat zwei Seiten: Zum einen verdienen Firmen, die sich auf Zahlungsabwicklung spezialisiert haben, Geld damit, dass sie Kreditkarten herausgeben beziehungsweise für die von Banken herausgegebenen Kreditkarten die technische Abwicklung vornehmen. Das nennt man Issuing. Wenn ein Kunde mit Kreditkarte oder EC-Karte zahlt, erhält ein Issuer für den Einsatz der Karte eine Gebühr: in der EU sind das bei Kreditkarten 0,3, bei EC-Karten 0,2 Prozent des Zahlungsbetrags.

Und die andere Seite?
Die andere Seite des Modells ist die Gebühr, die der Zahlungsabwickler als sogenannter Acquirer für die Zahlungsabwicklung auf Seiten des Händlers verlangt. Dieses sogenannte Disagio wird vom Betrag der Zahlung einbehalten und ist zwischen Händler und Acquirer verhandelbar. Die Höhe dieser Gebühr variiert stark und liegt typischerweise abhängig von der abgewickelten Anzahl von Transaktionen zwischen 0,7 und 1,5 Prozent. Zahlungsdienstleister verdienen also sowohl an der Herausgabe und der technischen Abwicklung der Kreditkarten als auch durch die Abwicklung der Zahlung für den Händler.

Nehmen Zahlungsabwickler den traditionellen Banken Kunden weg?
Vom Acquiring-Geschäft haben sich die großen Privatbanken in Deutschland getrennt – das ist ein Vorteil für etablierte und neu auf den Markt drängende Zahlungsdienstleister. Lediglich die Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind noch mit eigenen Einheiten oder in Gemeinschaftsunternehmen auf diesem Gebiet aktiv. Neu eintretende Zahlungsdienstleister müssen zwar zunächst eine Kundenbasis etablieren, können ihre Geschäftsmodelle aber schnell auf Bedürfnisse des Marktes ausrichten.

von Melanie Bergermann, Volker ter Haseborg, Matthias Kamp

Wer sind die direkten Konkurrenten von Wirecard?
Ein weiterer schnell wachsender Anbieter ist das niederländische Start-up Adyen. Auf dem Markt der Zahlungsabwickler haben sich in den vergangenen Monaten einige Unternehmen zusammengeschlossen. Zum Beispiel Wordline und Six. Oder die Nets-Gruppe aus Skandinavien, zu der die deutsche Concardis-Gruppe stößt, mit Bain Capital als Mitgesellschafter. Da passiert unglaublich viel. Viele Private-Equity-Unternehmen wie Advent und Bain Capital haben ihr Geld in Zahlungsabwickler investiert, nicht zuletzt, weil die Zahlungsverkehrsbranche stabile und weniger risikobehaftete Erträge verspricht.

Wirecard hat im Börsenwert die Deutsche Bank überholt. Kann man dies als Symbol für den Niedergang der großen deutschen Banken sehen?
Ich glaube nicht, dass dies so verstanden werden muss. Klassische Geschäftsfelder der Banken wie etwa die Immobilienfinanzierung, das Investmentbanking oder das klassische Firmenkundengeschäft bleiben von den spezialisierten Zahlungsdienstleistern zunächst unberührt. Zahlungsabwickler sind vom Geschäftsmodell einer Universalbank weit entfernt und haben auch keine entsprechenden Ambitionen. Viele Zahlungsdienstleister konnten das europäische und internationale Wachstum im Zahlungsverkehr nutzen, um ihre Bewertung oder Marktkapitalisierung zu entwickeln. Manche bieten auch ergänzende Bankdienstleistungen zu ihrem Zahlungsverkehrsangebot an - wie zum Beispiel die Händlerfinanzierung oder die Unterstützung von neuen Geschäftsmodellen, zum Beispiel im Smartphone Banking. Eine Universalbank werden sie aber dadurch nicht.

Wirecard hat im vergangenen Jahr Zahlungen in Höhe von 91 Milliarden Euro abgewickelt. Im Jahr 2020 sollen es nach eigenen Schätzungen 210 Milliarden Euro sein. Können sich die traditionellen Banken solche Geschäfte entgehen lassen?
Schon jetzt versuchen die etablierten Banken, über bestehende Netzwerke eigene Zahlungsverkehrswege zu etablieren. So wie die Deutsche Bank: Sie hat sich mit dem Fluggesellschaften-Verband Iata zusammengetan, um eine Zahlungsmethode als Alternative zur Kreditkarte zu entwickeln.

Christopher Schmitz, 50, ist Partner bei Ernst & Young im Bereich Transaktionsberatung für Financial Services Unternehmen.

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