Ein Gewinneinbruch von rund 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. So vernichtend ist die Bilanz des zweiten Quartals bei der Deutschen Post. Schuld ist das heimische Brief- und Paketgeschäft. 516 Millionen Euro verdiente der Bonner Konzern weniger, weil in der Sparte die Kosten explodierten. Der operative Gewinn: Um elf Prozent gesunken. Auch steigende Erträge bei DHL konnten das nicht abfedern. Damit bestätigt sich, was Analysten befürchteten, seit Vorstandschef Frank Appel im Juni die Gewinnprognose nach unten korrigierte.
Dass das heimische Brief- und Paketgeschäft zum Sorgenkind Appels geworden ist, zeigte sich spätestens Mitte Juni als Jürgen Gerdes nach elf Jahren den Chefposten der Sparte räumte und Appel selbst übernahm. Indirekt kritisierte Appel Gerdes: Die Post habe in den vergangenen Jahren nicht genügend in das Geschäft investiert, die Weiterentwicklung sei auf der Strecke geblieben. Offiziell wurde Gerdes Abschied „in bestem gegenseitigen Einvernehmen“ beschlossen, weil man „unterschiedlicher Auffassung über die strategische Schwerpunktsetzung“ war.
Eines ist in jedem Fall klar: Die Versäumnisse bei der Deutschen Post, die Sparte profitabel zu halten, sind enorm, mahnen Analysten seit Langem an. Denn eigentlich brummt das Paketgeschäft. Zuletzt verschickten die Deutschen, das zeigen Zahlen des Bundesverbandes für Paket und Expresslogistik, über 3,3 Milliarden Pakete. Vor einer Dekade waren es noch eine Milliarde weniger.
Davon aber hat die Post kaum etwas. Mit Kampfpreisen ist der Konzern bei Großkunden wie Amazon oder Zalando vorgeprescht. Der Preis pro Paket ist so kaum noch auskömmlich, Schätzungen zu Folge zahlen Amazon, Zalando und Co. keine drei Euro pro Lieferung. Gleichzeitig müssen die Paketdienste mehr investieren, in Elektrofahrzeuge für die Innenstadt oder noch mehr Packstationen und Paketkästen. Damit lässt sich kaum Geld verdienen. Und in jedem Fall zu wenig, wie sich jetzt zeigt. Zudem steigen die Kosten: Die Beschäftigten verdienen dank des Tarifvertrags mit der Gewerkschaft Verdi 1,7 Prozent mehr, im Oktober kommen noch einmal drei Prozent dazu. Die Aufwendungen für den Pakettransport steigen, die Marge schrumpft – ein teurer Paketboom für die Post.
„Wir brauchen Amazon und Amazon braucht uns“, sagte Post-Chef Frank Appel im Juni im WirtschaftsWoche-Interview. Das ist die Formel, an die sich Paketdienste wie DHL und Hermes in Deutschland jahrelang gehalten haben. Es herrschte eine Allianz zwischen den Lieferdiensten und den Onlinehändlern: Immer mehr Onlinehandel bedeutet immer mehr Pakete. Gemeinsam wollten Paketdienste und Onlinehändler groß und stark werden. Doch dieser Plan geht nun eben nicht mehr auf. Und deshalb stecken die größte Paketdienste Deutschlands nun beide in Schwierigkeiten. Nicht nur die Deutsche Post mit ihrem Gewinneinbruch von rund 14 Prozent im vergangenen Quartal. Konkurrent Hermes verzeichnete bereits im vergangenen Geschäftsjahr einen herben Verlust von 5,9 Millionen Euro.
Das rasante Wachstum des Onlinehandels war so einfach nicht eingeplant. Nun fehlt es an allen Ecken: Es gibt zu wenig Sortierzentren, es gibt zu wenig Kapazität. Es gibt zu wenig Paketboten, tausende Stellen sind unbesetzt. Vor allem aber fehlt es an Geld. „Wir müssen in der Tat darüber nachdenken, wie wir den Gewinn pro Paket steigern“, sagt selbst Post-Chef Appel. Das ist eine Zäsur. Hermes und Co. fordern öffentlich schon lange höhere Paketpreise. Doch bisher hat sich DHL – mit 45 Prozent Marktanteil klarer Marktführer – sich solchen Forderungen nie angeschlossen.
Doch der Konzern läuft Gefahr, seine hochgesteckten Ziele für das Jahr 2020 nicht zu erreichen. Bis dahin will die Deutsche Post DHL fünf Milliarden Euro verdienen. Bei den aktuellen Problemen im Paketbereich scheint dieses Ziel immer unerreichbarer. Bei der Deutschen Post DHL immerhin haben die Aufräumarbeiten bereits begonnen. Appel will Personalkosten abbauen und investiert bis zu 150 Millionen Euro, um Prozesse zu verbessern.
Außerdem hat die Post an der Preisschraube gedreht. Zum 1. Juli sind die Preise für Bücher- und Warensendungen gestiegen. Über Preiserhöhung beim Briefporto zum nächsten Jahr muss die Bundesnetzagentur noch entscheiden. Ein weiterer Kostensparpunkt auf Appels Liste: Die Zustellung. Dafür soll insbesondere auf der letzten Meile automatisiert und digitalisiert werden. Und Haustürzustellung von Paketen könnte es zum Beispiel nur noch mit Preiszuschlag geben. Denkbare Optionen, zu denen es bislang aber noch keine konkreten Umsetzungspläne gibt.
Doch die größte Herausforderung für den Post-Chef ist vorerst ohnehin eine andere: Er muss mit seinen wichtigsten Kunden neu verhandeln. Allen voran Amazon.




