Paketdienste „Bedingungen wie bei Sklavenarbeit“

Quelle: dpa

Mit bundesweiten Razzien nimmt der Zoll die Arbeitsbedingungen bei Paketdiensten unter die Lupe. Der Menschenrechtsaktivist Erich Mocanu kämpft seit Jahren für die Rechte von Paketauslieferern. Er beklagt wüste Missstände.

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WirtschaftsWoche: Herr Mocanu, Sie haben bereits im Mai 2017 eine Demonstration vor der DPD-Zentrale in Aschaffenburg organisiert, um auf die schlechten Arbeitsbedingungen von Paketboten aufmerksam zu machen. Womit haben die Paketboten zu kämpfen?
Erich Mocanu: Alle Paketdienste behaupten, dass sie ihren Fahrern mehr als den Mindestlohn von derzeit knapp 9 Euro zahlen. Doch das stimmt nicht. Sehr viele Fahrer bekommen zwar auf dem Papier diesen Mindestlohn oder noch mehr ausgezahlt. Betrachtet man aber die tatsächliche Arbeitszeit, sieht es schon wieder ganz anders aus. Viele Paketboten, die sich an unseren Verein „Auch Engel brauchen Schutzengel“ wenden, werden etwa dazu angehalten, falsche Eintragungen in die Fahrtenbücher zu machen. Statt dem Arbeitsbeginn um 5 Uhr, wenn das Sortieren der Pakete beginnt, müssen sie dann etwa einen Arbeitsbeginn um 8 Uhr eintragen. Auch Mittagspausen werden in den Fahrtenbüchern vermerkt, obwohl die Boten diese durch den enormen Arbeitsdruck überhaupt nicht halten können.

Von welchen Paketdienstleistern kommen die Fahrer, die sich an Ihren Verein wenden?
Von allen Paketdiensten. Vor ein paar Jahren suchten viele Fahrer von DPD unseren Rat, deshalb haben wir dort demonstriert. Aber die Beschwerden kommen von allen Unternehmen, egal ob Hermes, GLS, DHL oder andere. Boten von UPS kamen wegen Problemen mit dem Lohn allerdings noch nie zu uns. Meist arbeiten die Boten bei Subunternehmern oder Subsubunternehmern dieser Paketdienste. Je tiefer jemand in der Kette der Subunternehmen beschäftigt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er einen äußert geringen Lohn bekommt. Es kommt auch regelmäßig vor, dass der Lohn gar nicht ausgezahlt wird und die Paketfahrer von einen Tag auf den anderen gekündigt werden. In Teilen der Branche herrschen Bedingungen wie bei Sklavenarbeit, das kann man leider nicht anders sagen.

Zur Person

Haben sich die Arbeitsbedingen der Fahrer seit Ihrer Demonstration vor zwei Jahren verändert?
Damals war es noch üblich, dass rumänische Subunternehmern direkt in Deutschland tätig waren und Löhne nach dem rumänischen Mindestlohn gezahlt haben. Das ist weitgehend vorbei. Die Subunternehmer sind heute fast alle in Deutschland angemeldet. Die Arbeitsbedingungen der Fahrer sind damit aber nur unwesentlich besser geworden. Gerade osteuropäische Fahrer werden oft weit unter Mindestlohn bezahlt, schuften vom frühen Morgen bis zum späten Abend und haben keinerlei Sicherheit oder Rechte. Zudem werden die Fahrer der Subunternehmen oft dazu angehalten, die Pakete abzuliefern, auch wenn der Empfänger nicht zuhause ist. Retouren kosten den Subunternehmen zu viel Geld. Und so kommt es dann, dass Pakete vor der Tür oder im Garten abgestellt werden.

Gerade hat der Zoll bundesweit Razzien in der Paketbranche durchgeführt. Nehmen die Behörden das Problem erst genug?
Unser Verein hat schon vor zwei Jahren an den Zoll und EU-Institutionen appelliert, dass die Arbeitsbedingungen der Paketboten besser kontrolliert werden müssen. Antworten haben wir keine bekommen. Deshalb sind wir direkt zu den Unternehmen gegangen und haben das Gespräch gesucht. Sehr geholfen hat die mediale Berichterstattung über die Arbeitsbedingungen der Fahrer, die vor allem im letzten halben Jahr sehr stark war. Ich denke, dass es dieser Berichterstattung geschuldet ist, dass der Zoll nun endlich mehr Kontrollen in diesem Bereich durchführt. 

Gibt es Bereiche in der Paketbranche, die zu wenig kontrolliert werden?
Wie gesagt sind die Arbeitsverträge am Papier meist in Ordnung. Wichtig wäre es, dass die tatsächliche Arbeitszeit der Paketboten festgestellt wird. Und die Fahrtenbücher reichen dazu nicht aus, weil die oft manipuliert sind. Es wäre wichtig, dass die Behörden auch die Handscanner der Boten kontrollieren. Anhand dieser Daten könnte man genau sehen, wie lange die Boten wirklich arbeiten. Meines Wissens nach, greifen die Behörden auf diese Daten aber nicht zu.

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