Peter Thiel „Die Linken auf Schritt und Tritt bekämpfen“

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"Ideologisch verblendete Rebellen"

Kontrovers ist auch ein Beitrag, dessen Abdruck die konkurrierende Zeitung „The Stanford Daily“ angeblich abgelehnt hat. Der bezweifelt, dass Kondome wirksam vor der Ansteckung mit dem Aids-Virus HIV schützen, und empfiehlt stattdessen sexuelle Abstinenz und Monogamie. Den „Mainstream-Medien“ wirft der Autor vor, diese Debatte einfach zu unterdrücken.

Tatsächlich tobt damals ein Kulturkampf in Stanford. Ein halbes Jahr vor dem ersten Erscheinen von Thiels Zeitung ist der Bürgerrechtler Jesse Jackson mit rund 500 Anhängern über den Campus marschiert. Mit dem Schlachtruf: „Hey hey, ho ho, Western culture’s got to go“ haben sie Änderungen des Lehrplans gefordert. Der sei zu sehr auf weiße Männer fokussiert und ignoriere die Errungenschaften von Frauen und Minderheiten. Neben die üblichen Standardwerke aus Philosophie und Literatur sollten deshalb Schriften dieser Autorengruppen treten.

Für Thiel ist diese Initiative ein direkter Angriff auf die westlichen Werte, auf die Freiheit von Wissenschaft und Kultur. Er will sich wehren, doch den 1892 gegründeten „Stanford Daily“ hält er für zu zahm und von Linken unterwandert. Deshalb ruft er gemeinsam mit dem Geschichtsstudenten Norm Book die „Stanford Review“ als konservatives Gegengewicht ins Leben. Mit der Zeitung wollen beide keine alternativen Fakten, aber doch „alternative Ansichten“ präsentieren und „rationale Debatten“ frei von Emotionen führen.

Das Versprechen hält das Blatt nicht ein. Der Tonfall der Artikel ist emotional, teilweise pathetisch. In der zweiten Ausgabe findet sich eine wortreiche Huldigung für Präsident Reagan, der „uns viele Segnungen gebracht hat“. Gleichzeitig landet Thiel einen Coup. Am „Schwarzen Montag“ im Oktober 1987 bricht die Wall Street ein und zieht die internationalen Börsen mit hinunter. Thiel organisiert ein Interview mit dem libertären Wirtschafts-Nobelpreisträger Milton Friedman und widmet diesem die Titelseite. „Ich kann versichern, dass die ganzen Erklärungen über den Crash ein Haufen Unsinn sind“, provoziert der prominente Ökonom da. Mit dem Interview ist klar, dass Thiels Zeitung ernst genommen werden muss.

Das zeigt auch die Ausgabe vom April 1989, in der Stanford-Präsident Donald Kennedy dem kontroversen Blatt ein Interview gibt. Der gesamte Jahrgang 1988 ist allerdings aus dem Archiv verschwunden. In seinen Abschiedsworten feiert Chefredakteur Thiel seine Erfolge. So habe er das Team von vier Mitstreitern auf mehr als 40 ausgebaut, einen effektiven Vertrieb aufgebaut und Debatten angestoßen, die nicht nur die Uni, sondern gleich die ganze Nation bewegten.

Thiel übergibt den Posten an seinen Mitgründer Book. Der beschreibt in seinem Kommentar eine schwarz-weiße Welt an der Eliteuni. „Während einige Studenten sich über alles beschweren und nichts tun, sagen andere nichts und tun alles“, schreibt er. Letzteren würde ständig erzählt, dass „Kollektivlösungen besser als individuelle Initiative“ sind und dass sie sich dem „humorlosen Gruppendenken“ der anderen anschließen sollten. Dass sich die „Stanford Review“ dem widersetzen will, steht außer Frage.

Thiel konzentriert sich fortan auf seinen Jura-Abschluss und schreibt nur noch gelegentlich Kommentare. 1992 etwa muss Stanford-Präsident Donald Kennedy wegen eines Finanzskandals zurücktreten. Der habe die Universität so heruntergewirtschaftet, „dass sie einem Dritte-Welt-Land ähnelt, in dem ideologisch verblendete Rebellen die Macht übernommen haben“, tritt Thiel verbal nach.

Noch heute streitet die Zeitung – mittlerweile in elektronischer Form – für konservative Werte. Ähnlich wie ihr Gründer provoziert sie dabei gerne mal das Silicon Valley. So hat sie sich gegen die Netzneutralität – die Gleichbehandlung aller Datenpakte bei der Übertragung im Internet – ausgesprochen. Thiel unterstützt seine Nachfolger, regelmäßig lädt er Redakteure in sein Haus in San Francisco ein und hilft beim Werben von Spenden.

Seine ursprünglichen Ziele hat das Blatt verfehlt. Die Lehrpläne in Stanford wurden schon 1988 um Werke von Minderheiten ergänzt. Und Kalifornien tickt weiter links, im Silicon Valley und in Los Angeles haben nur um die 20 Prozent der Wähler für Trump gestimmt.

Für Thiel gibt es noch viel zu kämpfen.

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