Rock im Park und Rock am Ring Die Festivals sollen endlich wieder Feste für ihre Veranstalter sein

Zurück zu alter Stärke? Auf die Festivalbranche wartet ein entscheidender Sommer. Quelle: imago images

Den Lockdown hat der Ticket-Riese CTS Eventim nur dank 157 Millionen Euro Corona-Hilfe überstanden. In diesem Sommer aber sollen Open-Air-Konzerte wieder Zehntausende begeistern – den Auftakt machen die Großfestivals Rock am Ring und Rock im Park.

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Rund 90.000 Musikfans werden vor den Boxengassen am Nürburgring und noch einmal 80 000 auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg drei Tage und Nächte lang tanzen und feiern. 69 Bands, angeführt vom US-Punk-Trio Green Day, der britischen Bombastkapelle Muse und den dänischen Hardrockern Volbeat, werden die 400 Kilometer zwischen den Festival-Orten pendeln, um hier wie dort auf je drei beeindruckenden Bühnen zu performen. Die 35. Auflage des Open-Air-Spektakels Rock am Ring (RaR) – zweimal abgesagt wegen der Lockdowns – wird nun am ersten Juni-Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntagnacht nachgeholt. Zum 25. Mal findet das zeitgleich und mit identischem Programm Rock im Park (RiP) in Nürnberg statt.

Eine frohe Botschaft nicht nur für die Fans, die dem lauten Event treu bleiben. 75 Prozent der Ticketbesitzer der abgesagten Festivals haben ihre Karten in Tickets für 2022 getauscht. 170 000 zahlende Fans insgesamt markieren einen Rekord-Ansturm und ein Lebenszeichen auch des Unternehmens hinter RaR und RiP: das ist CTS Eventim mit Sitz in München und Verwaltung in Bremen, einer der international führenden Anbieter in den Bereichen Ticketing und Live Entertainment.

Der seit 22 Jahren börsennotierte M-Dax-Konzern will zurück in die geschäftliche Normalität. Denn von 1,4 Milliarden Euro – 2019 erwirtschaftet in mehr als 20 Ländern – war der Umsatz des Ticket-Riesen 2020 auf 257 Millionen Euro eingebrochen. 2021 stieg er auf gerade mal 408 Millionen Euro plus 157 Millionen Euro Corona-Hilfen des Bundes.

„Stark anziehende Ticketverkäufe“

Nun muss CTS Eventim wieder aus eigener Kraft verdienen und will zeigen, dass das geht. CEO Klaus-Peter Schulenberg konstatiert „stark anziehende Ticketverkäufe in Deutschland und darüber hinaus“. Der Verkauf im April und Mai habe „deutlich über dem Niveau desselben Zeitraums unseres Rekordjahres 2019“ gelegen.

Es geht um einen Milliardenmarkt, der bis zum Lockdown auf gutem Wege war. Von 11,5 Milliarden Euro 2014 war der Umsatz der Musikwirtschaft 2019 auf 13,6 Milliarden Euro gewachsen, errechnete DIW Econ, ein Consulting-Unternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Mit 4,6 Milliarden Euro hatten Live-Konzerte in Sälen und unter freiem Himmel daran einen Anteil von 32 Prozent.

Das Duo RaR/RiP ist mit 50 bis 60 Millionen Euro Umsatz vermutlich Europa-Marktführer unter den Open-Air-Festivals und weltweit unter den Top Ten. Bei dem Doppelevent verdient Eventim nicht nur am Vertrieb der Tickets, deren Preis bei 110 Euro für die Tageskarte und bei 279 Euro für die Wochenendkarte liegen, sondern auch an Gastronomie, Sponsorenverträgen, Merchandising und Campingplatzgebühren.

Denn Eventim ist auch Veranstalter von Rock am Ring und Rock im Park. Eine Besonderheit – denn nur sechs Millionen der 250 Millionen Tickets, die CTS Eventim in normalen Jahren stationär, online und mobil über nationale Marken wie eventim.de, oeticket.com, ticketcorner.ch, ticketone.it und entradas.com verkauft, sind Eintrittskarten selbst organisierter Konzerte. Ähnlich läuft es unterm Eventim-Dach bei den ebenfalls zeitgleichen Zwillings-Events Southside im baden-württembergischen Neuhausen ob Eck und Hurricane im niedersächsischen Scheeßel.

Matt Schwarz ist Chef der Eventim-Tochter Dreamhaus. Quelle: PR

Den Auftrag, das „Traditionsfestival“ (Schulenberg) neu zu starten, haben nun die 2020 gegründete Eventim-Tochter Dreamhaus in Berlin und ihr seit Januar 2021 amtierender Chef Matt Schwarz. 30 der rund 3200 Eventim-Mitarbeiter gehören zu Dreamhaus. Schwarz bezeichnet Dreamhaus als „Boutique“ im Eventim-Firmenportfolio. Zwei Drittel der heutigen Crew wechselten mit oder nach Schwarz von der Berliner Dependance des US-Mediengiganten Live Nation Entertainment zu der Eventim-Tochter. Die Live-Nation-Niederlassung hatte Schwarz ebenfalls aufgebaut und von dort aus die Live-Nation-Geschäfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesteuert.

Vorbei ist bei Rock am Ring und Rock im Park die Ära des 76-jährigen Branchenurgesteins Marek Lieberberg. Lieberberg veranstaltete Rock am Ring erstmals 1985 am Nürburgring und hat die Marke quasi erfunden. Die Mehrheit an seiner Agentur MLK verkaufte der Unternehmer schon im Jahr 2000 an CTS Eventim, blieb aber gemeinsam mit seinem Sohn André das Gesicht des Festivals. 2016 dann wechselten die Lieberbergs  zum Konkurrenten Live Nation Germany. Da Eventim nun Live Nation den Auftrag erteilte, das Simultan-Festival zu organisieren, zogen Vater und Sohn Lieberberg auch da noch die Fäden.

Nun aber beendet CTS Eventim die Zusammenarbeit mit Live Nation und holt sich das Top-Event ins eigene Haus zurück. Live-Nation-Deutschlandchef Schwarz anzuheuern, war dafür der entscheidende Coup.

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