Wenn Ryanairchef Michael O’Leary etwas von den Chefs anderer Airlines unterscheidet, dann sind das die derben Sprüche zwischen Kasperletheater und Beleidigung - und dass er selbst seine lautesten Ankündigungen am Ende nicht einhält. Und wer ihm das vorhält erntet dann gern ein: „Wollt Ihr mir vorwerfen, dass ich täglich klüger werde?“ Diesen Drang zum Meinungsumschwung zeigt der 57-Jährige derzeit mal wieder deutlicher denn je.
Denn diesmal kassierte er nicht seine Ansicht zu Service-Ankündigungen wie Stehplätzen im Flugzeug, Bezahl-Toiletten an Bord oder einer Business Class, deren Luxus O’Leary mit „Bed and Blowjob“ umschrieb. Jetzt geht es um den Kern seines Fluggeschäfts. Aus dem Billigflieger mit zuletzt gut sieben Milliarden Euro könnte das irische Großmaul nun eine Art Konzern machen. „Die Überlegung ist, dass sich die Ryanair Holding innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre wahrscheinlich in eine Holding-Company nicht unähnlich der von (British-Airways-Mutter) IAG entwickeln wird“, zitiert ihn das Handelsblatt.
Zwar nennt die Linie noch fast keine Einzelheiten – und was sie sagt, wird sie bis zum Start wahrscheinlich noch ein halbes Dutzend Mal verändern – doch der Kern ist: Ryanair will wie IAG eine Dachgesellschaft bilden und daran Töchter hängen von Airlines wie Laudamotion aus Österreich oder Ryanair Sun, oder auch die flugfremden Beteiligungen etwa aus dem Bereich Online-Verkauf oder Hotelgeschäft. Damit würde dann aus der kleinen Verwaltung in einem Gewerkgebiet ein paar Taximinuten vom Flughafen Dublin eine Art Investitionsgesellschaft.
Das würde Ryanair gründlich verändern. Denn dann bekäme jede Tochter einen eigenen Chef mit eigenen Kompetenzen. Im Gegenzug ändert sich der heutige Vorstand zu einer Art Aufsichtsrat. Und weil sich O’Leary nicht länger in alle Details reinhängen könnte, würde das Veränderungstempo naturgemäß etwas geringer. Das zumindest legt die Erfahrung bei IAG nahe. Denn seit hier Willie Walsh nach dem Kauf von Iberia vom Chefsessel bei BA auf den bei IAG gerückt ist, kümmert er sich mehr um das Strategische und fehlt auf fast keiner großen Konferenz wie zuletzt der Jahrestagung des Weltluftfahrtverbandes IATA oder den diversen Veranstaltungen des Center for Aviation, einem auf die Flugbranche spezialisierten Marktforschers.
Für O’Leary könnte es bedeuten: mehr Zeit, um sich um seine geliebte Farm zu kümmern.
Doch dabei sollte keiner glauben, dass Enfant terrible von Ryanair könnte nun mehr Zeit mit seinen Zuchtbullen als den Boeings verbringen oder die sehr erfolgreichen Rennpferde mit unbescheidenen Namen wie „Rule The World“ noch erfolgreicher machen wollen.
Ein Ex-Mitarbeiter erwartet eher, dass O’Leary und Ryanair zwar zunächst durch den Aufbau der Struktur abgelenkt sind, aber spätestens in ein paar Monaten werden sie noch unberechenbarer und gefährlicher als sie heute sind. „Als Vorstandschef war er irgendwie für alles verantwortlich und musste viel Zeit mit vielen Dingen befassen, die ihn angesichts seines managementmäßigen Aufmerksamkeitsdefizits nebensächlich, wenn nicht gar langweilig erschienen sind“, so der Manager. „Nun könnte er als Aufsichtsratschef die Routine besser delegieren und sich wie ein hyperaktiver Investor auf alles stürzen, was ihm irgendwo in der Gruppe wichtig erscheint.“
Und da hat er Themen genug. So wichtig es für Ryanair auch ist, den in den vergangenen Monaten stellenweise reicht holprigen Betrieb in den Griff zu kriegen. Doch dafür hat er seine Leute, wie den von Malaysia Airlines zurück geholten Betriebschef Peter Bellow und nun sogar eine oberste Risikomanagerin namens Carol Sharkey.
Zentral für die Zukunft – und aus Sicht des Strategen O’Leary sicher seiner Zeit würdiger – ist die Weiterentwicklung des Konzerns. Denn der Start in größeren Flughäfen wie Frankfurt oder der Umbau des Unternehmens zu einer digitaleren Airline zeigen, dass das bisherige Geizmodell Modell nicht länger trägt.