Sportwetten Wie Tipico in Deutschland Geschäfte macht

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Rechtsunsicherheit bietet auch Vorteile

Die WM, sagt er, sei für die Branche im Idealfall „wie ein dreizehnter Monat“. Fußball ist mit großem Abstand vor Tennis der beliebteste Wettsport, das Geschäft hat deshalb sonst im Sommer eine kleine Delle, wenn die Bundesliga pausiert. „Die WM ist für uns aber auch wichtig, weil wir in dieser Zeit viele Neukunden gewinnen können. Viele wetten dann fünf oder zehn Euro. Für uns ist es eine Herausforderung, diese Spieler auch nach der WM zu halten“, sagt Speckenbach.

Trotz des deutlich größeren Wettaufkommens ist das Turnier auch für ihn und sein Team eher Alltagsgeschäft. „Im Gegensatz zu Nischensportarten gibt es über Nationalmannschaften genügend Informationen, wichtige Referenzpunkte haben wir etwa aus den Qualifikationsspielen“, sagt Speckenbach. Die Wettquoten errechnen sich aus solchen Informationen – und aus den Geldströmen, mit denen die Tipper auf Mannschaften oder Ereignisse im Spiel setzen. Während des Spiels würden die Quoten zu Live-Wetten größtenteils automatisch vom Computer errechnet. Unerwartetes kann trotzdem passieren. So habe bei der Fußball EM 2008 der Außenseiter Türkei viele Spiele in den letzten Minuten zu seinen Gunsten gedreht.

Solche unvorhergesehenen Wendungen sind jedoch die Ausnahme, gewöhnlich funktionieren Speckenbachs Algorithmen wie gewünscht. Zu perfekt sollen sie nicht sein. „Man muss als Buchmacher immer im Auge haben, dass der Spieler gewinnen will. Bei einer WM werden bis zu 95 Prozent der Einsätze wieder ausgeschüttet“, sagt Speckenbach.

Für seinen Arbeitgeber bleibt trotzdem noch genug. Laut dem letzten im Handelsregister von Malta veröffentlichten Abschluss hat Tipico 2016 bei einem Umsatz von 537 Millionen Euro 153 Millionen Euro Gewinn gemacht. Die Zahl der Wetten wurde um sieben Prozent gesteigert, der jährliche Umsatz pro Kunde auf stolze 650 Euro. Noch lukrativer war das deutlich kleinere Onlinecasino. Bei rund 26 Millionen Euro Umsatz warf es fast 19 Millionen Euro Gewinn ab. Aktuell muss Tipico nicht damit rechnen, dass der Geldfluss versiegt. Sportwetten sind in Deutschland zwar nach wie vor illegal. Ihre Anbieter dürfen aber nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht strafrechtlich verfolgt werden. Seit vielen Jahren ringen die Bundesländer um eine abschließende Regelung in einem neuen Glücksspielstaatsvertrag, ein Ergebnis ist derzeit nicht in Sicht. „Für die privaten Anbieter ist die Rechtsunsicherheit sogar von großem Vorteil“, sagt Professor Tilman Becker von der Universität Hohenheim. Die staatliche Konkurrenz dürfe nicht aktiv werden, während sie den Markt unter sich aufteilen.

Auf dessen Wachstum spekuliert nun auch CVC. Der Fonds setzte sich in einem Wettbieten 2016 unter anderem gegen die Deutsche Telekom durch und bewertete Tipico dabei mit 1,3 Milliarden Euro. Die Gründer sollen weiter am Unternehmen beteiligt sein, für den Kauf nahm CVC über eine auf Malta gegründete Dachgesellschaft knapp 600 Millionen Euro Kredit bei der italienischen UniCredit auf. Auf das schnelle Geld ist der Investor wohl nicht aus. Sämtliche Gewinne für 2016 hat er Tipico für Investitionen belassen.

An anderer Stelle war er weniger sparsam. So weist der Tipico-Abschluss für 2016 fast 50 Millionen Euro „Reorganisationskosten“ aus, hinter denen sich ein „Bonusprogramm für Beschäftigte“ verbergen soll. Tatsächlich sind die Zahlungen an die Directors genannten Top-Manager von Tipico 2016 von 7,5 Millionen auf mehr als 60 Millionen Euro gestiegen. Ob es sich dabei um Abfindungen für zwei abgelöste Manager oder sonstige Zahlungen handelt, wollen CVC und Tipico nicht kommentieren. Wer auch immer kassiert hat: Der Einsatz hat sich gelohnt.

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