
Insgesamt acht Jahre mit Unterbrechungen stand der 56-jährige Burkhard Schwenker an der Spitze der Unternehmensberatung Roland Berger. Ursprünglich hatte er sich schon 2010 aus der Führung verabschiedet, war aber wegen einer Erkrankung seines Nachfolgers im vergangenen Jahr nochmals als Chef eingesprungen.
Jetzt aber ist der Wechsel beschlossene Sache. Der Franzose Charles-Edouard Bouee wird neuer Chef von Roland Berger. Bei einer Partnerversammlung am Samstag in Frankfurt/Main wurde der 45 Jahre alte Jurist zum Nachfolger von Schwenker gewählt. Dieser wechselt in den Aufsichtsrat.
Welche Rolle(n) Berater heute spielen
In vielen Unternehmen ist das Branchen-Know-how und Erfahrungswissen vorhanden, um neue Lösungen zu finden. Es muss nur aus den Mitarbeitern herausgekitzelt werden. Als Moderator bereitet der Berater die wesentlichen Arbeitsschritte und Methoden hierfür vor, sorgt für eine strukturierte Diskussion, fördert neue Ansichten, gibt kollektivem Denken eine Struktur und entwickelt gemeinsam mit Management und Mitarbeitern neue Strategien, Organisationsmodelle und Prozesse. Ein guter Moderator ist Organisator, Didaktiker, Trainer, Coach und Sparringspartner des Topmanagements zugleich.
Bei der klassischen Form der Beratung kaufen Unternehmen Fach- und Erfahrungswissen ein, das im Unternehmen selbst nicht vorhanden ist. Seit den Anfängen der Strategieberatung á la McKinsey prägt die Expertenrolle das öffentliche Bild der Beraterbranche. Und so bieten noch heute praktisch alle Beratungsunternehmen diese Rolle an, sehr ausgeprägt auch bei Spezialistenboutiquen zu finden, die sich auf ein Fachgebiet (z.B. Einkauf oder Controlling) oder eine Branche (z.B. Finanzdienstleistung) fokussiert haben. Die Beratungsprojekte, in denen Experten gefragt sind, zeichnen sich durch längere Analyse- und Konzeptionsphasen aus. Denn hier kann der Experte mit seinem Fachwissen am meisten bewirken.
Bei besonders kniffligen und komplexen Fragestellungen erwarten die Kunden von Beratern wahre Starqualitäten. Der Vordenker muss entweder überragende intellektuelle Fähigkeiten mitbringen oder über langjährige Industrieerfahrung verfügen. In der Praxis wird zwischen so genannten Brain- und Grey-Hair-Projekten unterschieden. Bei Brain-Projekten ist die zu lösende Aufgabe neu und von großer Komplexität. Der Berater muss vor allem mit Kreativität, Innovation und Pionierleistungen bei neuen Ansätzen, Konzepten und Techniken aufwarten können. Bei Grey-Hair-Projekten sind dagegen kundenindividuelle Lösungen gefragt, die Aufgabenstellung ist jedoch meist im Grundsatz bekannt und Lösungsansätze können durchaus aus anderen Projekten übertragen werden. Die Kunden erwarten von Grey-Hair-Vordenkern nutzbare Erfahrungen und Vorwissen aus früheren Projekten sowie Urteilsvermögen. Bei Brain- wie bei Grey-Hair-Projekten sind Standardlösungen unakzeptabel. Hier zählt vor allem Seniorität und Spezialwissen.
Bei umfangreicheren Beratungsprojekten, die zum Beispiel in mehreren Ländern gleichzeitig stattfinden, übertragen Unternehmen die Projektkoordination und -steuerung gerne Beratungsdienstleistern. Der Projektmanager stellt sicher, dass die einzelnen Maßnahmen und Projektschritte termingerecht umgesetzt werden. Diese Rolle erfordert Organisationstalent und Methoden-Know-how.
"Umbauarbeiten" gehören heute in Unternehmen zum Tagesgeschäft. Beim Gros der Beratungsprojekte handelt es sich um sogenannte "Procedure-Projekte" – das heißt, dem Unternehmen ist das zu bearbeitende Problem gut bekannt, es hat aber selbst nicht genug Leute und häufig auch nicht das Know-how, um diese Umbauarbeiten aus eigener Kraft heraus zu stemmen. Bei IT- oder Transformationsprojekten liefern Berater wie z.B. Accenture, Capgemini, IBM oder BearingPoint Lösungen, die sie anschließend gemeinsam mit dem Kunden auch umsetzen.
Nach dem Hilfe-zur-Selbsthilfe-Prinzip schulen praxiserfahrene Spezialisten die Mitarbeiter des Kunden in Methoden- oder Fachtrainings, damit diese Aufgabenstellungen selber lösen und umsetzen können. Die Idee: Wenn die eigenen Mitarbeiter befähigt werden, Projekte umzusetzen, muss das Unternehmen künftig nicht mehr so viel Geld für Beratung ausgeben. Um anderen etwas beizubringen, braucht es Fachwissen, Empathie und didaktisches Geschick.
Der Berater stellt dem Unternehmen bereits entwickelte und in der Praxis getestete Methoden und Prozesslösungen – wie zum Beispiel Lean Management oder Six Sigma - zur Verfügung.
Diese Rolle beinhaltet hauptsächlich das Design und die Steuerung von Transformations- und Veränderungsprojekten. Der Berater bietet (verhältnismäßig) kleinen fachlich-inhaltlichen Input, er ist mehr Begleiter, Treiber, Controller, Anreger und Coach. Deshalb haben darauf spezialisierte Berater häufig auch keine explizite Branchen- oder fachliche Spezialisierung.
Der Berater verabschiedet sich von seiner Rolle als Berater und übernimmt als Senior Projektmanager selbst weitgehend die Führungs- und Umsetzungsfunktion. Interims-Manager sind bei der Überbrückung von Engpässen oder Umbruchsituationen gefragt. Diese Rolle übernehmen meist nur Berater, die vorher eigene Linienverantwortung in der Industrie gesammelt haben oder Ex-Linienmanager ohne explizite Beratungserfahrung.
Beim Management von Unternehmen werden datenanalytische Fähigkeiten immer wichtiger. Einige Beratungsunternehmen haben dazu eigene Teams im Angebot, die nur darauf spezialisiert sind, Daten zu erheben, zu analysieren und zu interpretieren, etwa um den Vertrieb zu verbessern und Kunden besser kennen lernen zu können.
Kunden fragen auch Beratung nach, um Entscheidungen oder Vorhaben zu legitimieren. Die Bestätigung der eigenen Meinung mittels einer neutralen Sichtweise kann der (fachlichen) Absicherung, der Entscheidungssicherheit, aber auch der Kommunikation dienen. Für die Legitimationsfunktion werden häufig die bekannten Brands herangezogen, aber auch externe Gutachter mit Spezialwissen können diese Rolle übernehmen.
Bouée ist seit dem vergangenen Jahr Geschäftsführer (Chief Operating Officer) von Roland Berger und leitet das Asien-Geschäft. Vor seiner Karriere bei der größten deutschen Unternehmensberatung war er unter anderem im Investmentbanking tätig und gilt als Experte für Finanzdienstleistungen. Er wird der erste nicht-deutsche Chef der Unternehmensberatung. Bouée gilt in der Partnerschaft als umstritten.
Deshalb kann es kaum als Zufall gewertet werden, dass innerhalb weniger Tag gleich drei Führungskräfte den Wechsel zur Konkurrenz bekanntgegeben haben. Am Freitag wurde bekannt, dass die beiden Senior-Partner Beatrix Morath und Joost Geginat zum Konkurrenten AlixPartners wechseln. Der Abgang ist für Berger ein weiterer schwerer Schlag: Beide gehörten bisher zum Führungsteam. Morath ist seit 2000 bei Berger und leitete seit 2011 die Schweizer Niederlassung. Geginat war ebenfalls seit 2000 am Aufbau des Züricher Büros beteiligt und arbeitet derzeit noch in Singapur, wo er für die südostasiatischen Niederlassungen zuständig ist.
Damit muss Roland Berger den dritten Abgang aus der Führungsriege innerhalb kürzester Zeit verschmerzen. Denn auch Ralf Kalmbach, bisher Leiter des Berger-Autobranchen-Teams, hat erst vor kurzem bekanntgegeben, zum Jahresende zu den Konkurrenten von A.T. Kearney zu wechseln.
Firmengründer Roland Berger hatte das Unternehmen 1967 gegründet und sich in den folgenden Jahrzehnten zum bekanntesten deutschen Unternehmensberater hochgearbeitet, von dem sich bis heute auch Spitzenpolitiker Ratschläge geben lassen. Einen Verkauf des Unternehmens an einen der US-Riesen wie Deloitte oder Pricewaterhouse hatten die rund 250 Partner, denen die Firma gehört, im vergangenen Jahr abgelehnt, um weiter eigenständig zu bleiben.