Testimonials, so nennt man Verbraucher, Werbefiguren, Experten und Prominente aus Sport, Mode, Film und Fernsehen, die für Marken Werbung machen. Werbefiguren, die durch Werbung berühmt wurden, kennt jeder: Der Marlboro- und der Tchibo-Mann, Klementine von Ariel, Meister Proper, Dr. Best, Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer und Ronald McDonald. An Beliebtheit kaum zu überbieten sind dabei der Bärenmarke-Bär, die ZDF-Mainzelmännchen und der Charmin-Bär.
Kurzatmig und kurzsichtig
Auffällig an diesen Werbefiguren ist die Tatsache, dass die meisten von ihnen Jahrzehnte alt sind. Es braucht viele Jahre kontinuierlichen Marketings, bis sie untrennbar mit der Marke verbunden sind. Hier offenbart sich ein ernsthaftes Grundproblem des heutigen Marketings: Das moderne Marketing hat dafür keine Zeit. Kontinuierliche Markenpflege - auch mit einer gleichbleibenden Werbefigur - gehört heute zu den absoluten Ausnahmeerscheinungen. Das Marketing des 21. Jahrhunderts denkt meist nur bis zu den nächsten Quartalszahlen. Kampagnen werden immer kurzfristiger, immer kurzatmiger und so, langfristig betrachtet, auch immer weniger wirksam. Darüber klagen die Marketingchefs zwar lauthals, sie bekämpfen aber nicht die Ursachen.
Statt sich auf lange Sicht eine (preiswerte) Werbefigur zuzulegen, die die Marke differenziert und sympathisch macht, investieren kurzsichtige Marketingchefs heutzutage lieber ein Vermögen in Prominente, die ihren Kampagnen mehr Aufmerksamkeit verleihen sollen. Die Idee dahinter: Die positiven Attribute des Prominenten (schön, sexy, bekannt, nachahmenswert, Idol und Leitbild) sollen sich innerhalb kürzester Zeit auf die Marke übertragen. Bis dann zwei Jahre später ein neuer Marketingchef kommt und die Kampagne durch eine andere ersetzt. Wie absurd das ist, will niemand einsehen.
Testimonials? Warum nur?
In der Regel geschieht das Gegenteil: Die Kampagne schärft das Profil des Prominenten und steigert dessen eigene Bekanntheit. Was hat beispielsweise Dieter Bohlen mit der VHV Versicherung zu tun? Warum sollte eine vermeintlich seriöse Versicherung mit dem umstrittenen Dauer-Juroren und Wurst- und Buttermilchwerber unbedingt als witzig gelten wollen?
Warum beschäftigt Danone den Popstar Shakira als Testimonial für Activia? Glauben die Markenmanager, dass die Verbraucher den Bogen von ihrem Werbespruch „lächelt Ihr Bauch“ zum angeblich „schönsten Bauch des Popgeschäfts“ zu spannen imstande sind? Zumal die Hälfte des Spots einfach nur wie ein Musikvideo von Shakira daherkommt. Deshalb ist der jüngste Erfolg des Clips, zum viralsten Video aller Zeiten gekürt worden zu sein, mit Vorsicht zu genießen. Von diesem Erfolg profitiert wohl eher die Popdiva selbst. Nicht aber unbedingt auch die Marke.
Was verbindet TUI, Mercedes-Benz, die Commerzbank und Nivea? Für sie alle warb und wirbt unser allseits verehrter Bundestrainer Jogi Löw. Dass es im jüngsten Spot der Commerzbank um ein kostenloses Girokonto geht, dürfte dabei den meisten Zuschauern entgehen. Und die "Süddeutsche Zeitung" titelte nach dem Sieg gegen die USA „Als Nivea-Testimonial läuft man nicht so rum“.
Doch das alles ist nichts gegen Fußball-Superstar David Beckham: Er wirbt für nicht weniger als dreizehn Marken - darunter Vodafone, Samsung, Adidas (deren Gewinn aktuell einbricht), Burger King, Breitling, Jaguar - und gleichzeitig auch für H&M. Wem gelingt es da, solchen Promis eine bestimmte Marke zuzuordnen? Zumal die Marken nicht einmal zueinander passen.
So unglaubwürdig wie die Promis
Auch Werbung mit Prominenten funktioniert nur dann, wenn man die Kampagnen mit ihnen langfristig anlegt. Thomas Gottschalk ist über die Jahre hinweg so eng mit der Marke Haribo verbunden, dass wir uns das eine ohne den anderen kaum mehr vorstellen können. Auch daher wird dieses Paradebeispiel als glaubhaft empfunden. Doch das ist die seltene Ausnahme: Nach einer Studie von MediaAnalyzer sagten 83 Prozent der Befragten, Prominente in der Werbung wirkten zwar besonders auffällig, doch gleichzeitig wenig seriös (63 Prozent) und noch weniger glaubwürdig (70 Prozent).
Häufig genug enden Werbeverträge mit Prominenten als Skandal, die der Marke schaden können. Testimonials sind dann ein werbliches Hochsicherheitsrisiko, wenn sie nicht nur unglaubwürdig sind, sondern sich gar gegen die Marke wenden. Müller Milch verklagte Dieter Bohlen, nachdem er öffentlich zum Besten gab, dass Buttermilch wohl „von 50-jährigen Bio-Latschenträgerinnen gekauft“ werde. Das hat die VHV Versicherung jedoch nicht davon abgehalten, sich den fragwürdigen Star ebenfalls zuzulegen. Herr Bohlen zählt derweil vergnügt seine Werbehonorare.
Mit Promis schlechtere Werbung
Es ist ohnehin erstaunlich, dass die angeblich effizienzgetriebenen Marketingprofis jede Vernunft über Bord werfen, sobald es um Promis in ihren Kampagnen geht. Nach übereinstimmenden Studien von ACE Metrix und Millward Brown erzielen Promi-Kampagnen nicht unbedingt bessere Ergebnisse - in manchen Fällen sogar schlechtere. Das steht im krassen Gegensatz zu den gebetsmühlenartig vorgetragenen Forderungen nach wirksamerer Werbung.
Allen Unkenrufen und Warnungen zum Trotz spielt in jedem zehnten TV-Spot ein zum angeblichen Leitbild umfunktionierter Star mit und jede achte Werbeanzeige zeigt ein prominentes Gesicht. Grund für das lemminghafte Verhalten der Marketingchefs sind - wie so häufig - die wenigen Ausnahmen, die immer wieder als erfolgreiche Beispiele herhalten müssen. Dazu zählt in jüngster Vergangenheit der Clip von Jeanne-Claude van Damme für Volvo Trucks („The Epic Split“). Und auch Günter Netzers lässiger Auftritt für Otelo („Lieber überall Netz als überall Netzer“) hat das Zeug zum Werbeklassiker. Dagegen kann sich schon der nächste öffentliche Ausraster des Porschefahrers Jürgen Klopp blitzschnell negativ auf seinen Auftritt für den Opel Insignia auswirken.
Wie man alles falsch macht, zeigt uns die französische Dosen-Thunfischmarke Saupiquet derzeit in vollendeter Form. Sie engagiert den amerikanischen Schauspieler Kevin Costner und lässt ihn in äußerst schlichten Dialogen und flachstem Drehbuch sagen: „Einfach lecker.“ Der Oscar-Preisträger wirkt deplatziert, besitzt nicht die geringste Nähe zu Frankreich oder der Marke - und dürfte die deutschen Verbraucher kaum beeindrucken.
Testimonials, das lehren die wenigen positiven Beispiele, müssen glaubhaft sein. Prominente Werbefigur und Marke müssen zueinander passen („Fit“) und mit der Zeit zu einer Einheit werden. Wenn jedoch keine Aussicht darauf besteht, das Konzept langfristig und für die Marke wertbildend aufzubauen, sollte man besser die Finger davon lassen. Es sei denn, man möchte einfach nur die prallen Geldbeutel der Stars weiter füllen.