Werner knallhart
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Das Dessert im Restaurant ist meist lieblose Abzocke!

Wie mies: Da hat man nach einem guten Essen im Restaurant noch Lust auf einen Espresso, da quatscht der Kellner uns weinbeseelten Gästen noch ungefragt einen überteuerten Nachtisch auf: meist süße Einheitspampe.

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Eigentlich lernt man schon als Kind: Finger weg vom Restaurant-Nachtisch. Jüngst war ich mit meiner Schwester, ihrem Mann und deren drei Mädchen in einem feinen Hotel beim Dinner-Büffet.

Die beiden älteren Töchter (sieben und vier Jahre alt) neigen beide nicht zur Gefräßigkeit. Und am liebsten trinken sie Leitungswasser. Ohne Witz. Aber es geht ihnen gut.

Als sie jedoch das opulente Dessert-Büffet vor Augen hatten, schnappten sich beide instinktiv einen großen Hauptspeisenteller (unter Umgehung der Hauptspeise). Es gibt noch Familienfotos vom Vorher-Nachher.

Vorher: Die Kinder, wie sie sich mit leuchtenden Augen und mit der Büffetzange auftun: Sahnecremetörtchen garniert mit Sahne und mit Mini-Macarons, dazwischen Sahne, dann Schokocremekugeln mit Schokostreuseln im Gläschen und so weiter. Alles mini.

Nachher: Ein Foto von der Älteren vor ihrem reichhaltigen Nachtisch-Teller, mit einer dieser Schokokugeln in der goldhamsterartig gewölbten Backe und mit wehleidigem Blick. Sie wollte den mehlig-glitschigen Kakaobatzen eben nicht einfach in die strahlend weiß gestärkte Stoffserviette spucken. Das Foto heißt nun: „Verdammt, wohin damit?“

Die zehn besten Restaurants in Deutschland
Der Mineralwasserhersteller Gerolsteiner hat aus den Bewertungen der sieben großen bundesweiten Restaurantführer, darunter Michelin und Gault&Millau, die Sieger ermittelt Quelle: dpa
Platz 10: Haerlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten, Hamburg Quelle: dpa
Platz 9: Tantris, München Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 8: GästeHaus Klaus Erfort, Saarbrücken Quelle: imago images
Platz 7: La vie, Osnabrück Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 6: Gourmetrestaurant Überfahrt, Rottach-Egern Quelle: dpa
Platz 5: Victor's Fine Dining by Christian Bau, Perl Quelle: dpa

Ihre Eltern haben die Kleinen gewähren lassen. Es war den Kindern eine Lehre: Wer beim Büffet auf seine Kosten kommen will, stürze sich auf edle Meeresfrüchte, Fisch und Rindersteak. Aber niemals, niemals, nie auf das Dessert. Beim Restaurant-Nachtisch isst das Auge am besten nicht mit. Es isst allein. Ohne den Mund.

Ich habe sogar den dringenden Verdacht: Nicht an den Getränken allein stoßen sich die Restaurants gesund, sondern auch an den Süßspeisen. Egal ob am Büffet oder à la carte. Das Zeug besteht meist nur aus Ei, Zucker, Fett, Mehl und Kakao, manchmal kommen Gelatine oder ein Schuss Likör dazu oder ein paar Stückchen frische Früchte. Aber fürs Dessert muss kaum ein Gastronom lange auf dem Großmarkt mit den Händlern um die edelsten Zutaten feilschen. Was ins Dessert kommt, steht in Eimern in der Kühlkammer und hält mitunter tage- oder wochenlang.

Der Salat ist morgen nix mehr. Aber die Mousse geht dann noch. Einfach aus dem Kühlschrank ziehen, Schokospritzer und Puderzucker drüber und servieren. Zu Preisen einer Vorspeise, wenn nicht sogar teurer.

Beispiel: In einem guten, aber sternlosen Restaurant in Berlin-Mitte kostet ein Espressocaffè mit Vanille-Eis 6 Euro. Ein Stück Panne Cotta (gekochte Sahne), Tiramisu oder Karamellcreme sogar 6 Euro 50. Ein warmes Schokoladentörtchen 7 Euro. Für einen Schlag Pudding oder ein Stück Kuchen viel Geld. Nur weil der Teller enorm groß ist und fünf, sechs winzige Kleckse irgendeiner Mixtur drum herum den Eindruck vermitteln, dies sei jetzt eine großflächige Gesamtkomposition.

Weil das Dessert optisch und geschmacklich aber in solch starkem Kontrast zu Vorspeise und Hauptgang steht, wird es offenbar nicht an seinen Vorgängern gemessen. Das Dessert muss nicht mithalten. Es ist der verrückte Clown unter den Gängen. Für den lässt man halt einfach noch was springen. Was soll´s? Der Abend ist so schön.

Die Krönung dann Mitte Ende Dezember in einem „mediterranen“ Restaurant in der Nähe des Berliner Nollendorfplatzes. Ich Idiot bestellte mir im Überschwang einer kleinen Weihnachtsfeier ein Stück Tiramisu.

Haben die Köche das Dessert schon aufgegeben?

Da eine meiner Tanten einst mit einem Italiener verheiratet war und sein Familienrezept nun unser Familienrezept für Tiramisu geworden ist, weiß ich zufällig ganz genau, was da rein kommt.

Zumindest kein Schmand statt Mascarpone, verdammt nochmal! Und auch keine wässrige Schokoladensoße statt Kakaopuder oben drauf. Und das Ganze schmeckte weder nach Espresso noch nach Amaretto. Was da vor mir stand, war letztendlich ein Sauerrahm-Biskuit mit Dessertsoße. Da platzte mir dann doch der Kragen. Weil jedoch bald Weihnachten war, sagte ich milde: „Das ist doch kein Tiramisu.“

Drauf die Kellnerin: „Doch, das ist Tiramisu.“ Damit war die Diskussion beendet.

Vielleicht war das Restaurant schlicht eine Spur zu anspruchslos.

Aber selbst im 2-Sterne-Restaurant von Tim Raue in Berlin kam zum Nachtisch einst eine Art Schokopudding in Form einer Disney-Figur (war es Donald oder Micky, ich weiß es nicht mehr). Er schmeckte gut und ein bisschen scharf, aber eben auch irgendwie nicht so richtig besonders hervorragend. Haben die europäischen Köche das Dessert schon aufgegeben?

Letzter Versuch deshalb vergangene Woche in Bangkok. Dort hatten die Michelin-Tester vor einiger Zeit nun auch ein paar Sterne verteilt. Einen davon konnte das „Paste“ einsacken. Mit gehobener Thai-Küche.

Wir wollten eigentlich gerade bezahlen, da kam die Dessertkarte. Wir rollten mit den Augen, aber dann klang es doch mal nach was anderem.

Wir bestellten eine Birnen-Mandel-Mousse mit wildem Honig, die gerade so fest war, dass sie in Form einer perfekten Kugel in der Größe eines Golfballs stehen blieb, aber so locker geraten war, dass man mit Löffel einzelne Flocken abheben konnte. Dazu gab es schwarzes Sesam-Eis, das in Kokosasche gewälzt war und geformt war wie ein handfreundliches Stück Seife. Dazu kandierte Orange.

Das war ein Highlight. Die in Bangkok denken noch nach beim Dessert. Wir Europäer sind schon so satt und träge. Jetzt überholen uns die Asiaten auch noch bei Mousse und Eiscreme.

Ich esse hier jetzt ab sofort nur noch zwei Gänge und mache mir danach zuhause in Gottes Namen Toffifee auf. Ich will ja nicht, dass die Gastronomen hinter meinen Rücken über meine Zuckerdummheit lachen.

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