Werner knallhart
Wer Urlaub online bucht, braucht psychologischen Beistand oder starke Medikamente. Oft geht es um viel Geld und angeblich tickt die Uhr gnadenlos. Muss dieser Terror sein? (Symbolbild)

„Die Preise steigen gleich!“: Die Buchungs-Panikmache von Opodo und Co.

„Schnell!“, „keine unnötigen Risiken“, „Überlegen Sie nicht zu lange!“ Wer den Urlaub online bucht, braucht psychologischen Beistand oder starke Medikamente. Denn es geht oft um viel Geld und angeblich tickt die Uhr gnadenlos. Muss dieser Touri-Terror sein?

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Der gängige Spruch dieser Tage ist ja: „Bei den Zuständen an unseren Flughäfen sind alle spätestens am Gate urlaubsreif.“ Aber das greift zu kurz. Denken wir nur mal an das Buchungsprozedere. Wie einem da online Beine gemacht wird, das entspräche im stationären Einzelhandel dem Einpeitschen mit der neunschwänzigen Katze. „Schnell!“, denn das Angebot sei knapp und andere könnten uns die mühsam ausgewählte Ferienunterkunft und den aus Millionen von Kombinationsmöglichkeiten heraus gepulten Flug vor der Nase wegschnappen – sozusagen das virtuelle Strandtuch vor uns auf die freie Liege werfen.

Die Anbieter loten mal die Ränder des gesetzlich Zulässigen haarfein aus. Dürfen die ja auch. Nur eben bitte von diesseits des Legalen aus.

Heute bezieht sich die Druck-Rhetorik nicht mehr vorrangig auf den Preis, heute ist es das Poker-Spiel mit der auslaufenden Verfügbarkeit („schnell buchen“). Das verfängt natürlich besonders effektiv in heutigen Zeiten der Knappheit von allem Möglichen wie Gas und Pflegekräften, über Rapsöl, Kellnern und Wärmepumpen bis zu E-Autos, Heizungsmonteuren und Trinkwasser.

Wie weit es die Anbieter von Reisesuchportalen treiben, zeigt eine Buchung bei Opodo.de: Da ploppt nach wenigen Minuten (die Reise nach Dublin ist gerade im Warenkorb) ein Fenster auf:„Schnell, die Preise steigen bald! Denken Sie daran, dass all unsere Tickets umgebucht werden können.** Buchen Sie jetzt, bevor die Preise steigen.“

Was die zwei Sternchen an diesem Platz bedeuten sollen, ist schleierhaft. Dass die Umbuchung kostenlos ist, steht im Fensterchen allerdings nicht, auch wenn es so klingt. Aber woher weiß Opodo so sicher, dass die Preise bald steigen werden und nicht sinken? Kein Konjunktiv, sondern klare bedingungslose Warnung. Bei mehreren Buchungsanläufen mit diversen anderen Reisezielen bei Opodo kam immer nur die Warnung „Preise steigen“. Der Hinweis „Warten Sie einen Moment. Gleich sinken die Preise“ kommt nie.

Andere Portale wie etwa Meta-Suchmaschine Check24, die im Fernsehen mit kreischend lauter Werbung zumindest bei mir nicht gerade den Impuls auslösen, alles an Vermögen in deren hilfsbereite Hände zu legen, hält sich auf ihrem in RyanAir-Farben gehaltenen Webportal dafür erstaunlich zurück. In einem kleinen Kasten erscheint: „Überlegen Sie nicht zu lange, wir haben leider nur noch eine begrenzte Zahl an Angeboten.“

Naja, was ist gegen so ein bisschen Drängelei schon zu sagen? ZU lange ist immer schlecht. Und dass ein Buchungsportal für die gesamte Menschheit eine unbegrenzte Zahl an Angeboten bereithält, kann niemand erwarten. Insofern geht Check24 hier auf Nummer sicher. Mehr als „Sehr gefragt! Dieses Hotel wurde vor 41 Minuten zuletzt gebucht“ trauen die sich da offenbar nicht. Diese schüchterne Pushiness ist fast schon rührend.

Der Anbieter „Booking.com“ ist ja einst berühmt-berüchtigt geworden mit seinen Behauptungen, soundso viele andere Leute betrachteten das von einem ausgewählte (aber eben noch nicht gebuchte) Angebot gerade parallel. Dass diese Anzeige zumindest nicht zuverlässig funktionierte, ließ sich leicht beweisen, indem man mehrere Bekannte bat, das Angebot einmal zur Probe von ihren Smartphones aufzurufen, was an der freundlichen Warnung nichts veränderte. Mittlerweile ist Booking auch auf andere Druckmittel übergegangen: „Buchen Sie noch heute Ihren Aufenthalt und erhalten Sie ein KOSTENLOSES Flughafentaxi.“

Wir alle wissen, was eine Taxifahrt vom Flughafen schnell mal kostet. Der rhetorische Trick: Es besteht kein Kausalitätszusammenhang zwischen „heute buchen“ und „kostenlos Taxi fahren“. Einzig nach dem Prinzip „der Erfolg der Aktion wird uns jetzt langsam zu teuer“ könnte einem das Schnäppchen am Tag drauf durch die Lappen gehen. Unwahrscheinlich mitten in der Saison.

Also alles nur Panikmache ohne Substanz? Antwort liefert einmal mehr Opodo.de. Weil zumindest dieses Portal die Preise tatsächlich innerhalb weniger Minuten steigen lässt. Sogar dann, wenn man den Buchungsvorgang blitzartig durchläuft, bevor auch nur das Pop-up mit der Warnung vor der Preiserhöhung aufspringen kann, erhöht sich schon der Preis. Im getesteten Fall von 500,93 Euro auf 508,43 Euro, also um einen Betrag, der einen kaum von der Buchung abhalten wird. Aber gerade deshalb: mies.

Zockt Opodo hier ab? Nun, der Preis war in exakt gleicher Höhe auch auf dem Portal der Fluggesellschaft selber zu finden. Opodo hatte offenbar zunächst veraltete Preise angezeigt. Im Zweifel eine miserable Dienstleistung, die Opodo mit dem Hinweis garniert: „Offensichtlich hat die Airline den Gesamtpreis seit Ihrer Suche erhöht. Dies bedeutet normalerweise, dass die Verfügbarkeit ausgeht. Buchen Sie jetzt und vermeiden Sie eine weitere Preissteigerung.“ Heißt: Beeil dich einfach das nächste Mal, dann wird es auch nicht teurer. Das ginge aber nur noch schneller, wenn man gar nicht mehr liest, was man da alles anklickt. Das könnte denen so passen.

Stellen Sie sich vor, Sie suchen sich im Laden ein Paar neue Sneaker für 90 Euro aus und an der Kasse heißt es dann: „Sorry, die kosten jetzt 105 Euro, die Daten waren veraltet. Das nächste Mal einfach schneller bezahlen, gell? Anprobieren können Sie doch auch zuhause.“ Es wäre doch arg ungewohnt.

Doch für uns als Verbraucher (und sicher auch für die Verbraucherzentralen) ist schwer nachvollziehbar, was an all dem Buchungsdruck Wahrheit ist, was trickreiche Rhetorik, was ein Versehen, was leider technisch nicht anders möglich, was bewusste Irreführung. Das Bundeskartellamt hat dazu schon 2019 festgestellt:
„Die problematischen Verhaltensweisen sind häufig komplex (…) und unterliegen einer ständigen Veränderung. Zudem ist für den Nachweis eines Verstoßes regelmäßig auch die Einsichtnahme in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erforderlich. Vor diesem Hintergrund wird ein erfolgreiches Vorgehen gegen entsprechende verbraucherrechtswidrige Verhaltensweisen allein durch private Akteure oder durch weitere Regulierung nicht möglich sein.“

Toll! Es lässt sich also ohne Razzien und Beschlagnahmung von Computern offenbar kaum feststellen, ob das Verhalten der Anbieter einen Rechtsbruch bedeutet. Aber eins ist klar: Verbraucherfreundlich ist es nicht. Was also tun? Ich persönlich mache es so: Auf dem Weg durch den Buchungsprozess frage ich durchgängig in mich hinein: Finde ich das Buchungsportal jetzt gerade sympathisch? Und jetzt gerade? Und nach diesem Pop-up auch noch? Zögere ich einen kurzen Moment, ist das das Zeichen! Und ich wechsele das Portal.

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Im Zweifel vergleiche und buche ich auf Basis der maschinell herausgesuchten Daten bei der Airline oder dem Hotel direkt. Die können sich diesen Touri-Terror aus Imagegründen gar nicht leisten.

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