Energiewende Was tun, wenn der Blackout kommt?

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Krankenhaus Quelle: dpa

Theoretisch dürfte auch den rund 2000 Krankenhäusern in Deutschland ein Stromausfall von wenigen Stunden nichts anhaben. Dank komplexer Vorschriften sind die Kliniken für mindestens 24 Stunden bestens vorbereitet. Umso erstaunlicher, dass allein in den vergangenen Monaten in mehreren Kliniken die Notstromversorgung versagte, darunter in Bremerhaven und in Darmstadt-Dieburg, wodurch Intensiv-Patienten in andere Krankenhäuser verlegt werden mussten.

Locker leben können Energiefresser wie Aluminium-, Zink- oder Kupferhütten mit ein bis zwei Stunden ohne Volt und Ampere. „Wenn wir kontrolliert unterbrechen, halten sich die Schäden in Grenzen“, sagt Carl van Dyken, Geschäftsführer von Xstrata Zink in Nordenham. Das Werk mit rund 400 Beschäftigten bei Bremerhaven beansprucht 72 Megawatt Leistung im Normalbetrieb, auf die Schnelle abschalten lassen sich 50 Megawatt. Damit kann die Zinkhütte, wenn nötig, aus dem Stand auf den Strombedarf einer Stadt mit 100.000 Einwohnern verzichten. Bleibt ein Grundstrom erhalten, können die Nordenhamer diesen Zustand eine Woche oder länger durchhalten, ohne dass die Anlagen sich zusetzen oder festbacken. Einziger gravierender Nachteil: Ein Tag Produktionsausfall kostet einen hohen sechsstelligen Betrag.

Schlimmer sind die Folgen bei einem überraschenden Blackout. Als vor zwei Wochen ein Kurzschluss den Betrieb für ein paar Minuten lahmlegte, brauchte Xstrata-Manager van Dyken „einen halbe Stunde, um die Produktion wieder in Gang zu bringen“. Hielte der Ausnahmezustand länger als sechs Stunden an, entstünden Gesamtkosten von über zehn Millionen Euro.

Völlig entspannt blickt allerdings die Stahlindustrie in Richtung Sommer, Herbst und Winter – sofern sie keine Elektro-, sondern konventionelle Hochöfen nutzt. Stahlkocher wie Salzgitter in Niedersachsen und ThyssenKrupp in Duisburg-Bruckhausen betreiben eigene Kraftwerke, die Kokereien halten Diesel-Aggregate vor.

Ein Tag ohne Strom

Das Internet-Unternehmen 1&1, zu dem etwa der E-Mail-Dienst Web.de gehört, hatte seinen Ernstfall schon – am 30. Januar 2008. In Karlsruhe, wo das größte Rechenzentrum von 1&1 steht, fällt Punkt 17.35 Uhr für eineinhalb Stunden der Strom aus. Als 1&1-Chef Robert Hoffmann und Technikvorstand Achim Weiß aus ihren Bürofenstern schauen, sehen sie in der Stadt nur in einem einzigen Gebäude Licht: in ihrem Rechenzentrum.

Auch ein ganzer Tag ohne Strom hätte 1&1 nichts anhaben können. Der grau-rote Gebäudekomplex in Karlsruhe ist gleich dreifach gegen Stromausfälle gesichert – für Millisekunden, für Stunden und für Wochen. Kaum eine Branche ist so gut vorbereitet auf einen Elektrokollaps wie die Web-Wirtschaft. Bleibt der Strom Millisekunden aus, drehen sich in Karlsruhe vier sieben Tonnen schwere Schwungräder trotzdem weiter. Sie versorgen über Generatoren die Rechner mit Energie.

Solche Schwungräder liefern drei bis vier Minuten Strom. Danach übernehmen fünf raumfüllende Batteriepakete mit je 880 Kilowatt Leistung, die weitere 17 Minuten schaffen. Kommt dann noch immer nichts aus dem Netz, laufen auf dem Dach vier riesige Schiffsdiesel an. Für sie hat das Unternehmen 38.400 Liter Kraftstoff gebunkert. Die 16-Zylinder-Kolosse werden permanent vorgewärmt, damit sie 15 Sekunden nach Start Strom liefern können. Weil jeder Motor rund 400 Liter Diesel pro Stunde schluckt, muss nach 24 Stunden nachgetankt werden. Hierzu hat 1&1 Verträge mit mehreren Lieferanten geschlossen, kann so Wochen ohne externe Stromversorgung durchhalten.

Von so viel Sicherheit können die Manager der Telekommunikationskonzerne nur träumen. Kamen bis in die Neunzigerjahre die analogen Telefone ohne externe Stromversorgung aus, geht es bei der modernen digitalen Technik nur mit Strom. Zwar springen in den Vermittlungsstellen etwa der Deutschen Telekom im Bedarfsfall Notstromaggregate an, doch den Endgeräten der Kunden bringt das nichts.

Einspringen könnten allerdings, zumindest für einen Tag, die Mobilfunkbetreiber, sofern das Netz dann nicht unter dem Ansturm zusammenbricht. Alle großen Netzanbieter haben ihre weit über 20.000 Basisstationen mit starken Akkus ausgerüstet, die für mindestens 24 Stunden halten. Der Mobilfunker E-Plus weihte kürzlich sogar die erste autarke Basisstation ein, die sich per Windkraft, Fotovoltaik und Brennstoffzelle versorgt. Doch solche Stationen kommen eher in Entwicklungsländern zum Einsatz und bleiben in Deutschland die Ausnahme. Ein flächendeckender Ausbau ist bisher nicht geplant. Auch die Akkus von Handys, Smartphones, MP3-Playern sind irgendwann leer. Bei mehrtägigen Stromausfällen helfen nur Ladegeräte mit Dynamo und Drehkurbel, die es im Zubehör-Handel für Rucksack-Touristen gibt.

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