Das Unternehmen Nord Stream 2 hat in Mecklenburg-Vorpommern mit den Bauarbeiten für die Ostseepipeline begonnen. Wie ein Firmensprecher auf Anfrage sagte, starteten die Arbeiten am Dienstagmorgen nahe des Anlandepunkts Lubmin mit Baggerarbeiten für den Unterwassergraben, in dem die Pipeline verlegt werden soll. Im Greifswalder Bodden an der deutschen Küste hätten die seeseitigen, vorbereitenden Arbeiten für die spätere Rohrverlegung begonnen. "Fünf Baggerschiffe arbeiten ab sofort an der Erstellung des Doppelrohrgrabens", teilte die Gazprom-Tochter mit.
Laut Planfeststellungsbeschluss des Bergamts Stralsund sind die Arbeiten ab Dienstag möglich. Der Umweltverband Nabu hatte gegen die Genehmigung geklagt und wollte den Baustart mit einem Eilantrag und einer Zwischenverfügung verhindern. Das Gericht hatte dem Pipelinebauer bis Freitag eine Stellungnahmefrist eingeräumt. Die westlichen Partner von Gazprom, die an der Finanzierung der Pipeline beteiligt sind, sind der deutsche Energiekonzern Uniper, die BASF-Tochter Wintershall, der französische Versorger Engie, die niederländisch-britische Shell und die österreichische OMV. Bislang fehlen noch Genehmigungen aus Dänemark, Russland und Schweden.
Mit der Pipeline kann der Energiebedarf von mehr als 26 Millionen europäischen Haushalten gedeckt werden. Die 1200 Kilometer lange Erdgaspipeline mit einer Jahrestransportkapazität von 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland ist aber politisch umstritten. Länder wie Polen und die Ukraine lehnen das milliardenschwere Projekt strikt ab. Sie warnen vor einer zunehmenden Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen für die Europäische Union und fürchten um ihre Einnahmen aus den bisherigen Transitpipelines durch ihre Länder. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuletzt gesagt, die Ukraine müsse auch weiterhin eine Rolle als Transitland spielen. Kritik an der Pipeline kommt auch von den USA, die selbst wirtschaftliche Interessen in der Region haben. Aber auch deutsche und finnische Umweltschützer versuchen den Bau zu stoppen, da sie Umweltschäden im Meer befürchten.
Was Sie über Nord Stream 2 wissen müssen
Die Pipeline soll 1230 Kilometer lang sein und von der Narwa-Bucht in Russland bis Lubmin in der Nähe von Greifswald reichen. Mehr als 600 Kilometer sind bereits verlegt. Baubeginn war im Sommer 2018, Ende 2019 soll die Pipeline in Betrieb gehen. Sie soll dann aus 200.000 Rohren bestehen. Neben den russischen Firmen OMK und Chelpipe entfielen 41 Prozent des Auftrags auf den deutschen Hersteller Europipe – ein Gemeinschaftsunternehmen aus Salzgitter und der Dillinger Hütte mit Sitz in Mülheim an der Ruhr. Die zwölf Meter langen Einzelrohre werden auf See verschweißt und mit Spezialschiffen auf dem Meeresboden verlegt. Dabei durchqueren sie Gebiete, die zu Russland, Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland gehören. Den Betreibern zufolge können mit dem Gas der Röhre rechnerisch 26 Millionen Haushalte versorgt werden.
Die in der Schweiz ansässige Projektgesellschaft Nord Stream 2 gehört dem russischen Gazprom-Konzern. An der Finanzierung der Röhren beteiligen sich westliche Konzerne, darunter der Düsseldorfer Versorger Uniper und die BASF-Tochter Wintershall. Hinzu kommen der britisch-niederländische Shell-Konzern, die französische Engie und OMV aus Österreich. OMV und Uniper haben nach eigenen Angaben bislang je rund 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Am Ende sollen es für jeden Partner rund 950 Millionen Euro sein. Die Gesamtkosten werden auf 9,5 Milliarden Euro beziffert.
Die Gasquellen in Deutschland und Europa gehen in den kommenden Jahren weiter zurück, weshalb immer mehr importiert werden muss. Gas gehört in Deutschland zu den wichtigsten Brennstoffen beim Heizen, wo der Anteil bei etwa 50 Prozent liegt. Auch in der Stromproduktion spielt Gas im Zuge der Energiewende eine immer wichtigere Rolle. Zuletzt lag der Anteil bei etwa 13 Prozent. Beim geplanten Kohleausstieg sollen die weniger klimaschädlichen Gaskraftwerke einspringen. Die wichtigsten Gaslieferanten für Deutschland sind neben Russland Norwegen und die Niederlande. Russland kommt etwa auf 40 Prozent, Norwegen auf 25 und die Niederlande auf 20 Prozent. Die Eigenproduktion sinkt kontinuierlich.
Kritiker befürchten eine immer größere Abhängigkeit von Russland, das unter Präsident Wladimir Putin Gas auch schon als politisches Druckmittel eingesetzt hat. So hatte Putin im Streit mit der Ukraine bereits mehrfach den Gas-Hahn abgedreht. Einige der älteren Pipelines verlaufen von Russland durch die Ukraine, wofür der Nachbar Gebühren erhebt. Mit den Ostsee-Röhren umgeht Russland die alten Routen. Die Ukraine gehört zu den Gegnern von Nord Stream 2, ebenso wie die USA. US-Präsident Donald Trump will das Geschäft mit verflüssigtem Gas (LNG) ausbauen und sieht Europa dabei als Wachstumsmarkt. Die USA haben den Beteiligten an Nord Stream 2 mit Sanktionen gedroht. In Deutschland gibt es bislang keinen LNG-Terminal, Anlagen in anderen europäischen Ländern sind nicht ausgelastet.