LNG-Lieferungen Gas-Deal mit Katar: Eine Liebeserklärung an die Realpolitik

Ein katarischer LNG-Tanker Quelle: AP

LNG for Germany! Der Gas-Deal Katars mit ConocoPhillips ist eine Geste Dohas gegenüber den WM-kritischen Deutschen. Robert Habecks viel gescholtenes Werben beginnt, sich auszuzahlen. Und das ist gut so. Ein Kommentar.

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„One Love“ wird’s in diesen Tagen nicht mehr geben in und mit Katar. Manuel Neuer wird die umstrittene Haltungs-Binde mutmaßlich selbst dann nicht tragen, wenn Niclas Füllkrug Deutschland mit 15 Toren gegen Costa Rica ins Achtelfinale schießen sollte. So weit, so feige.

Und trotzdem eint die Deutschen und die Katarer doch offenbar zumindest eine Liebe: zur Realpolitik und zum Geschäft. Am Dienstagmorgen jedenfalls haben der US-Energiekonzern ConocoPhillips und der staatliche katarische Energiekonzern QatarEnergy bekanntgegeben, dass die Katarer über die Amerikaner ab 2026 verflüssigtes Erdgas nach Deutschland liefern werden – und zwar zur Regasifizierung im LNG-Terminal Brunsbüttel. In Brunsbüttel ist jenes schwimmende Terminal geplant, das noch in diesem Winter in Betrieb gehen soll.

15 Jahre soll der Deal laufen, über den Preis wurde nichts gesagt. Es geht um eine Menge von zwei Millionen Tonnen jährlich. Zum Vergleich: Gerade erst hat Katar einen „Mega-Deal“ mit China abgeschlossen, vier Millionen Tonnen pro Jahr, auf 27 Jahre, auch ab 2026. Die Katarer eröffnen dann neue Förderfelder in ihrem „North Field“ im Persischen Golf. Bis dahin sind ihre Lieferkapazitäten größtenteils gebunden.

China first. Die Hackordnung ist klar

Für diesen und den nächsten Winter, die sehr kritische Phase, bringt der Deal den Deutschen also noch nichts. Auch zeigt er eindeutig, wer in der Hackordnung der Katarer vorne liegt: China an Position eins, die USA mit ConocoPhilipps an zwei, die Europäer und deutsche Unternehmen dann vielleicht an drei. Das rührt vor allem auch daher, dass die Chinesen bereit sind, lange Vertragslaufzeiten zu akzeptieren. Für Deutschland, das bis 2045 klimaneutral sein will, ist ein LNG-Importvertrag mit 27 Jahren Laufzeit nicht vorstellbar. Kein Wunder also, dass Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag in Berlin sagte: „15 Jahre ist super.“

Katar will gute Beziehungen zu den Deutschen

Tatsächlich scheint es, als habe das Werben der deutschen Politik und deutscher Unternehmen um Katars LNG Früchte getragen. Ungeachtet der Kritik an der Menschenrechtssituation in dem Emirat versuchte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im März mit einer Reise nach Doha den Weg für Lieferungen zu bereiten, im Gefolge hatte er RWE-Chef Markus Krebber.

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von Volker ter Haseborg, Sonja Álvarez, Max Haerder, Rüdiger Kiani-Kreß, Cornelius Welp

Der Minister bezog für seine vermeintlich unterwürfige Haltung Prügel, aber RWE hat seither immer wieder verdeutlicht, dass man weiter in Gesprächen über Lieferverträge sei. Katar ist bei den Essenern auch als größter Aktionär eingestiegen. Und erst kürzlich zeigte sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) zuversichtlich, dass es bald konkret werden könnte. Und am Dienstag sagte QatarEnergy Chef Saad al-Kaabi, man unterhalte „gute Beziehungen zu deutschen Unternehmen und zur deutschen Regierung.“ Man wolle zur Energiesicherheit der Deutschen beitragen.

Ist das nicht Heuchelei?

Es gibt den Vorwurf der Heuchelei, der Doppelmoral: Wie kann man sich über die Menschenrechtssituation in Katar aufregen, den DFB für seine Rückgratlosigkeit geißeln – und gleichzeitig Gas-Deals mit den Katarern verabreden. Aber das sind zwei unterschiedliche Kategorien. In der einen geht es um Unterhaltung, Fußball, in der anderen um die Energieversorgung Deutschlands, um warme Wohnzimmer und Werkshallen. Und diese Kategorien sind unterschiedlich zu bewerten.

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Schön ist das nicht, lupenrein schon gar nicht. Aber moralisch völlig unbeschadet entkommt Deutschland der Abhängigkeit von Putins Gas nicht. Nun ist anzunehmen, dass nach dem ersten, dem ConocoPhillips-Deal, auch bald ein RWE-Deal mit Katar folgen wird. Mittelfristig wird das dazu beitragen, dass Deutschland sein LNG, sein Erdgas, aus mehreren verschiedenen Quellen beziehen kann. Damit ist die Energiesicherheit eine Runde weiter. Und das ist gut so.

Lesen Sie auch: Was die Regierung für Gas aus Katar tun muss

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