Aldi Süd Warum Aldi die Edel-Offensive braucht

In Bayern hat Aldi die „Filiale der Zukunft“ vorgestellt. Was bedeutet die Qualitätsoffensive für die Konkurrenz, die Markenproduzenten und die Kunden? Die wichtigsten Antworten im Überblick.

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Eine neu gestaltete Aldi-Filiale Quelle: dpa

Edel soll es wirken. In Unterhaching stellte Aldi Süd am Mittwoch eine von Grund auf neu renovierte Filiale vor. Die „Filiale der Zukunft“, ein Konzept, das erstmals in Bayern zum Tragen kam und an dem Aldi Süd zwei Jahre geplant hat. Bis 2019 sollen sämtliche Filialen modernisiert sein.

Mit dem neuen Konzept ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung erreicht, die 2012 mit der Einlistung von Coca-Cola als erstem Markenprodukt bei dem Discount-Riesen begann. Seitdem fanden Bier von Krombacher, Chips der Marke Funny Frisch und 70 weitere Markenprodukte ihren Platz in den einstmals kargen Aldi-Regalen. Der Discounter zeigt: Wir können auch Supermarkt. Zumindest ein bisschen.

Zum früheren Auftreten der Marke Aldi will das auf den ersten Blick nicht passen. Sagte Gründer Karl Albrecht doch einst: „Was man erreichen muss, ist, dass der Kunde den Glauben gewinnt, nirgendwo billiger einkaufen zu können.“ Sei das geschafft, nehme der Kunde alles in Kauf.

Was will der Discounter also mit Markenwaren? Was bedeutet es für seine Konkurrenz, die Hersteller von Marken- und Eigenmarken und zuletzt für den Kunden? Die wichtigsten Antworten im Überblick.

Warum startet Aldi die Edeloffensive?

Kundentoiletten, ein Automat am Eingang mit fair gehandeltem Kaffee, die Paletten nicht mehr sichtbar – dazu Produkte von Red Bull und Pizza der Marke Wagner. „So hat vor zehn Jahren keine Edeka-Filiale ausgesehen“, sagt Hans Georg Häusel, Psychologe und Experte für Neuromarketing. „Das ist eine Ladeninszenierung, Aldi will mehr Erlebnis beim Einkaufen bieten.“ Und das ist zwingend notwendig.

Den Verbrauchern geht es gut, sie geben laut Handelsexperten mehr Geld für Lebensmittel aus. Sparsamkeit als vordergründiger Gedanke beim Einkaufen ist für viele passé. „Die Erwartungen der Konsumenten sind gestiegen“, sagt Martin Fassnacht, Professor für Marketing und Handel an der WHU - Otto Beisheim School of Management.

Warum Aldi billig ist

Das zeigt auch der aktuelle „POS-Marketing-Report“ der „Lebensmittel Zeitung“ und der Wiesbadener Agentur UGW. 63 Prozent der Befragten Konsumenten finden es demnach positiv, dass Aldi immer mehr Marken listet.

Bislang konnten von der guten Konjunkturlage vor allem die Supermärkte profitieren. Laut Daten des Nürnberger Marktforschers GfK stiegen die Umsätze im Lebensmittelhandel im vergangenen Jahr um 0,8 Prozent. Während Marktführer Edeka 2015 um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen konnte und Rewe sogar auf 4,9 Prozent kam, schrumpften Aldi Nord und Süd um 1,8 und 2 Prozent.

„Ohne die Listung von Marken hätte Aldi noch mehr Marktanteile verloren“, ist sich Fassnacht sicher. Den Schwenk von Aldi hin zu gehobener Präsentation und mehr Markenartikeln hält er grundsätzlich für richtig.

Die Strategie scheint aufzugehen – vorerst. Aldi Nord und Süd erwarten für das kommende Jahr wieder Wachstum von mehr als 1 Prozent. Doch ist die Aufwertungsstrategie ein Drahtseilakt.

 

Wird Aldi jetzt zum Supermarkt?

„Solange der Markenkern erkennbar bleibt, halte ich die Strategie für sinnvoll“, sagt Klaus-Dieter Koch, Gründer der Managementberatung Brandtrust und Markenexperte. Von Fremdähnlichkeit spreche man in diesem Zusammenhang – Aldi passt sich Marktführer Edeka an, der dem Discounter mit seiner Mischung aus Markenprodukten und günstigen Eigenmarken in der Vergangenheit immer mehr Kundschaft abknöpfte. „Auf diese Weise Marktanteile zurückzugewinnen kann durchaus gelingen – das ist alles eine Frage der Dosierung.“

Im besten Fall schwappt das wertige Image der Markenprodukte auf den Discounter über – aber das sollte nur bis zu einem gewissen Maß passieren. „Sonst verlieren die Discounter das Billig-Image, das für sie wesentlich ist“, sagt Georg Felser, Professor für Markt- und Konsumpsychologie an der Hochschule Harz.

Zudem bringt der Schwenk die Gefahr mit sich, dass Rewe oder Edeka zumindest zeitweise Markenprodukte günstiger anbieten als Aldi. Damit einher geht ein zunehmendes Risiko, das Image als Preisführer zu verlieren.

Wie Aldi mit neuem Filial-Design den Umsatz steigern will
Die Vorführ-Filiale bietet viel Tageslicht, breitere Gänge, viel Holz. Obst und Gemüse werden präsentiert wie an einem Marktstand. Quelle: obs
Lars Linscheid, Geschäftsführer der ALDI SÜD Regionalgesellschaft Ebersberg und Jeannette Thull, Geschäftsführerin Zentraleinkauf, bei der Vorstellung der Filiale der Zukunft in München-Unterhaching. Quelle: obs
Journalisten filmen am 11.05.2016 in Unterhaching (Bayern) die neu gestaltete Aldi-Filiale. Vor allem die Präsentation von Obst und Gemüse soll ansprechender werden. Quelle: dpa
Doch die Pappfigur von "Frau Weber", die um Aldi-Nachwuchs wirbt, gehört weiter zum Inventar des Discounters. Quelle: dpa
Wenn nicht Aldi drauf stünde, könnte man fast glauben, in einem Supermarkt von Rewe oder Edeka zu sein. Quelle: dpa
Das Sortiment, hier die Wurst- und Fleischwaren, bleibt im Wesentlichen das selbe. Quelle: dpa
Die größte Veränderung betrifft die Präsentation des Obstes und Gemüses, die an einen Wochenmarkt-Stand erinnern soll. Quelle: dpa

„Jeder, der auf die Preise schaut, weiß, dass der Aldi-Preis von anderen Anbietern mittlerweile häufig unterboten wird“, sagt Felser. Die Einführung von Markenprodukten, deren Preise die Kunden relativ gut kennen, zeige aus seiner Sicht auch, dass die Erwartung der Konsumenten, sie könnten nirgendwo billiger einkaufen als bei Aldi, mittlerweile brüchig ist. „Diese Erwartung muss Aldi wieder neu aufbauen und pflegen.“

 

Was droht Aldi, wenn es das Billig-Image verliert?

Sollte Aldi mit der Premiumstrategie zu weit gehen, dürfte das für den Discounter zu Problemen führen. „Dann gleicht sich Aldi Rewe und Edeka zu sehr an und markiert in der Folge keinen relevanten Unterschied mehr“, sagt Koch von BrandTrust. Die Folge: Aldi büße seine klare Markenpositionierung ein. „Und der Kunde geht lieber zum Original.“

Zumal Edeka und Rewe Aldi in diesem Bereich mit ihren Preiseinstiegsmarken angreifen. „Gut & Günstig wird momentan wieder intensiv beworben“, sagt Fassnacht. „Die Botschaft, die dahinter steckt, lautet: Bei uns könnt ihr genau so günstig einkaufen wie bei Aldi.“ Die Folge: Ein Abnehmen der Kundenfrequenz, des Umsatzes und des Gewinns.

 

Was bedeutet das für die Supermärkte?

Für die Supermärkte bedeutet die Markenoffensive Aldis zusätzlichen Druck. 2015 etwa hatte Aldi mit der Einlistung von Red Bull dafür gesorgt, dass Konkurrent Lidl, aber auch der restliche Handel, mit den Preisen für die Energiebrause runtergehen musste.

Aus Sicht von Markenexperte Koch steckt Kalkül dahinter. „Es geht Aldi immer darum, taktische Vorteile gegenüber Edeka und Rewe erzwingen.“ Zudem wolle der Discounter bewusst Unruhe zwischen den Markenproduzenten und den Wettbewerbern stiften. 

Wie Aldi groß wurde

 

Was haben die Markenhersteller davon?

Aldi Nord und Süd nehmen mit den Markenprodukten von Unilever – von Knorr Fix über Langnese-Eis hin zu Duschdas – einen der letzten großen Markenproduzenten in ihre Regale auf, wie die „Lebensmittel Zeitung“ berichtet.

Auf den ersten Blick ist das überraschend. Noch im vergangenen Jahr hatte Ulli Gritzuhn, Deutschlandchef von Unilever, den Preiskampf im deutschen Einzelhandel kritisiert - insbesondere die Rolle von Aldi. „Der Wahnsinn muss ein Ende haben“, sagte er gegenüber der „Welt“. Die Preiskämpfe auf Kosten der Markenhersteller könnten die Unternehmen auf Dauer nicht verkraften.

Aus Kochs Sicht ist solche Kritik lediglich Kalkül: „Markenhersteller kriegen einen Riesenärger mit Edeka und Rewe, wenn sie sich bei Aldi listen lassen.“ Für die Hersteller sind dagegen Aldis rund 4000 Filialen interessant. „Hersteller wie Unilever sind sehr daran interessiert, im Discounter zu landen.“ So können sie sich neben Rewe und Edeka ein weiteres Standbein aufbauen können. „Dadurch sinkt die Erpressbarkeit.“

Und auch finanziell lohnt es sich vielfach, so Koch: „Mir sind Fälle bekannt, wo Lieferanten lieber Aldi beliefern.“ Dort gäbe es im Verhältnis zum Volumen deutlich bessere Margen.

Zerstört das vermeintlich billige Discounter-Image nicht das der Marken?

„Das ist in der Tat möglich“, sagt Felser. In solchen Fällen sprechen Experten von „brand dilution“, zu Deutsch: Markenverwässerung. „Um das zu vermeiden, hat zum Beispiel der Smart keinen Mercedes-Stern bekommen“, ergänzt Felser.

Finden sich als wertig assoziierte Markenwaren im Discounter, kann das Marken-Image auf den Discounter abfärben – und wertet ihn auf. Umgekehrt kann der Discounter das Marken-Image abwerten.

„Hat eines der beiden Objekte eine extreme Ausprägung, kann es allerdings zu Kontrasteffekten kommen“, sagt Felser. Bei besonders starken Marken ist das etwa der Fall. Die Konsequenz: „Die Edelmarke wird im Vergleich zum Discounter noch edler wahrgenommen.“

Die zehn größten Familienunternehmen Deutschlands
Bertelsmann-Logo Quelle: dpa
Logo von Phoenix Pharmahandel Quelle: dpa
Logo von Fresenius Quelle: dpa
Ein Reifen von Continental Quelle: dpa
Dunkle Wolken über Bosch Quelle: dpa
Ein Mann mit Aldi-Tüten in der Hand Quelle: dpa
Kunden vor einer Metro-Filiale Quelle: dapd

Die Markenproduzenten, die sich im Discounter listen lassen, profitieren vom Kontrasteffekt, glaubt Koch von BrandTrust. „Marken, die massiv im Fernsehen beworben werden, bilden den Kern ihres Images vor allem dort und nicht in dem Regal, in dem sie stehen“. Findet sich ein Premiumprodukt im kargen, von Neonlicht beschienenen Regal, hat der Kunde das Gefühl, ein Schnäppchen zu machen und kauft eher mehr als weniger ein. „Auf dieselbe Art und Weise funktionieren Outlet-Center.“

Eine weitere Möglichkeit für die Hersteller, das Verwässern ihres Markenimages zu verhindern, ist es, andere Verpackungsvarianten und Darreichungsformen an die Discounter und Supermärkte zu verteilen. „So wird die Preisvergleichbarkeit für den Kunden erschwert“, so Martin Fassnacht. „Außerdem kann das hochpreisige Image bewahrt werden, indem Innovationen vor allem bei Supermärkten vertrieben werden.“

 Und was ist mit den günstigen Eigenmarken bei Aldi?

 „Aldi versucht die Markenikonen zu identifizieren, für die die Kunden eigens ein Geschäft aufsuchen“, sagte der frühere Aldi-Topmanager Johann Mörwald Anfang des Jahres der WirtschaftsWoche. Das Konzept Eigenmarken kommt trotzdem weiterhin zum Tragen. Häusel: „Kunden bieten sie eine verlässliche Qualität zu einem guten Preis – das ist das, was die Leute immer suchen.“

Die zehn Rituale beim Aldi-Besuch
Aldi-Süd-Logo Quelle: dpa
Aldi-Nord-Logos auf Einkaufswagen Quelle: AP
Süßwarenregal bei Aldi Quelle: Kristina D.C. Hoeppner, Creative Commons, CC BY-SA 2.0
Brötchenwerbung von Aldi Quelle: dpa
Jemand liest Werbeanzeigen an einer Aldi-Filiale Quelle: AP
Ein Einkaufswagen bei Aldi Quelle: dpa
Tomaten, Salat, eine Gurke und ein Messer liegen auf einer Abtropffläche Quelle: dpa

Das spiegelt sich auch an den Verkäufen wieder: Im Discounter sind laut GfK-Schätzung 70 Prozent aller verkauften Waren No-Name- und Eigenprodukte. „Die Eigenmarken sind für den Unternehmenserfolg weiterhin der entscheidende Faktor“, sagt Fassnacht. Die Margen sind wesentlich besser als bei den Markenwaren. „Aufgrund des Preisdrucks sowie der extrem günstigen Aktionspreise glaube ich, dass Aldi bei einigen Markenartikeln kein Geld verdient.“ Sie sind vor allem notwendig, um Kunden weiter in die Filialen zu locken.

Vor allem markenaffine Jungkunden sollen damit angesprochen werden. „Bisher sind solche Kunden für die günstigen Einkäufe zu Aldi gegangen und haben sich die Markenwaren beim Supermarkt beschafft“, sagt Fassnacht. Seitdem Edeka und Rewe aber ihr Angebot an Preiseinstiegsartikeln ausgebaut haben, hierbei immer genauso günstig sind wie der Preisführer Aldi sowie darüber hinaus eine größere Warenvielfalt bieten, bleiben immer mehr Kunden gleich im Supermarkt. „Aldi möchte genau diesen Kunden ein umfangreicheres Angebot bieten und somit den Wert ihres Warenkorbs erhöhen.“

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