Angriffe von Taxifahrern Uber-Fahrer in Istanbul fürchten um ihr Leben

Die Taxifahrer von Istanbul führen einen aggressiven Kampf gegen neue Konkurrenz. Uber-Fahrer werden immer häufiger angegriffen.

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Istanbul Wenn er fährt, hat er stets eine Eisenstange griffbereit. „Ich arbeite stets mit der Angst, von Taxifahrern körperlich attackiert zu werden“, sagt Uber-Fahrer Levent, der mit seinem Mercedes Vito auf den Straßen von Istanbul nach Kundschaft sucht.

Er ist einer von 5000 Uber-Fahrern in der türkischen Metropole, die derzeit um ihr Leben fürchten. Denn gewaltsame Übergriffe von Taxifahrern auf die neue Konkurrenz haben merklich zugenommen. Er denke bereits darüber nach, sich eine Pistole anzuschaffen, sagt Levent, der seinen Nachnamen aus Sicherheitsgründen geheim halten möchte.

Denn die Taxifahrer der Stadt gehen gegen den US-Fahrdienst nicht nur gerichtlich vor. Am 10. März schoss ein Unbekannter auf ein Uber-Fahrzeug im Istanbuler Stadtbezirk Kucukcekmece. Lokale Medien berichten immer wieder, dass Gruppen von Taxifahrern sich als Kunden tarnen, ein Uber-Fahrzeug in eine ruhige Seitengassen bestellen, um es dann gemeinsam zu attackieren.

„Meine Fahrer sind verängstigt“, sagt der 56-jährige Fahrunternehmer Bekir Cambaz, der in der Stadt 52 Uber-Fahrzeuge betreibt. Überall in der Stadt würden seine Fahrer von Taxifahrern angegriffen. „Zuletzt musste einer meiner Angestellten mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus“, berichtet Cambaz. Er sei an einer Busstation zusammengeschlagen worden.

Uber selbst kann die Fahrer in der Türkei nur bedingt schützen. „Wir sind entsetzt über die Gewalt und unternehmen alles, um unsere Fahrer zu unterstützen”, lässt das Unternehmen per E-Mail mitteilen.

Taxifahrer gehören rund um den Globus zu den schärfsten Kritikern des US-Fahrdienstes. Auch in anderen Städten wie Paris und Barcelona war es schon zu gewaltsamen Angriffen auf Uber-Fahrer gekommen. Doch in Istanbul droht die Lage zu eskalieren.

Aus Protest gegen den „unfairen Wettbewerb“ hatte am Montag hunderte Taxifahrer vor dem Istanbuler Palast der Justiz protestiert und ein Verbot von Uber gefordert. Sie kritisierten vor allem, dass Uber-Fahrer die hohen Gebühren umgehen, die Taxifahrer in Istanbul zahlen müssen.

Rund 17.000 Taxi-Lizenzen hat die türkische Metropole derzeit vergeben. Eine Zahl, die sich seit zwei Jahrzehnten kaum geändert hat. Wer eine Lizenz ergattern will, muss dafür rund 1,69 Millionen türkische Lira (rund 350.300 Euro) bezahlen. Darum verleihen Taxifahrer ihre Lizenzen  für rund 1.650 Euro pro Monat. Damit sich die Miete rentiert, brauchen die Fahrer dringend Kunden.


„Wenn das Gericht gegen uns entscheidet, werden wir Uber-Fahrer töten“

„Meine Gewinne sind um 30 Prozent gefallen, seit Uber in der Türkei gestartet ist“, klagt Mehmet Yavuz. Seine Taxilizenz habe er mit dem Verkauf von Land finanziert, das im Besitz seiner Familie gewesen sei. Nun bangt er um sein Geschäft.

Uber arbeitet in der Türkei dagegen mit einer so genannten D-2-Lizenz, wie sie auch Mietbusse verwenden. Diese Lizenzen sind deutlich günstiger. Ein Investor mit einem Kapital von 30.000 türkischen Lira (rund 6200 Euro) zahlt für bis zu acht Fahrzeuge nur rund 3100 Euro im Jahr. Für jedes Fahrzeug werden jährlich zusätzlich 62 Euro fällig.

Auch für die Fahrer ist Uber darum die günstigere Alternative. Sie zahlen für die Miete einer Lizenz pro Jahr umgerechnet 735 Euro. Eine entsprechende Taxilizenz ist damit 26 Mal so teuer.

Die Anwälte der Taxifahrer drängen darum darauf, dass Fahrgäste bei Fahrzeugen, die mit einer D-Lizenz operieren, bis zu eine Stunde vor Fahrtantritt angemeldet werden müssen. Damit wäre eine solche Lizenz für Uber-Fahrer praktisch wertlos. Denn sie müssen innerhalb von 15 Minuten auf Fahranfragen reagieren. Zwei Klagen werden derzeit gerichtlich verhandelt. Die erste soll im Mai vor Gericht gehen, die zweite im Juni.

Anders als in anderen Städte ist eine Fahrt mit Uber sogar etwas teurer als mit konventionellen Taxis. Doch besonders bei Frauen ist App beliebter, weil Fahrer dort von Kunden bewertet werden können. „Taxis weigern sich häufig, auch Kurzstrecken zu fahren“, berichtet die 26-jährige Istanbulerin Pinar Cengiz.

„Wir schätzen die Freiheit des Unternehmertums“, betonte der türkische Handelsminister Bülent Tufenkci vergangenen Mittwoch. „Aber unsere Taxifahrern dürfen nicht zu Opfern werden.“ Sein Ministerium werde die Situation genau beobachten und eine Entscheidung treffen.

Die schrillen Töne, die von den Taxifahrern mitunter angeschlagen werden, überhört die Erdogan-Regierung dabei gerne. Als Fahrer vor dem Gericht protestierten, skandierten sie. „Juden, Zionisten, Uber! Verlasst mein Land!“ Ein Fahrer erklärte Journalisten lautstark, dass er nie wieder für die regierende AKP stimmen werden, sollte Uber weiter Lizenzen erhalten.

Ein anderer spricht ganz offen über seine Gewaltbereitschaft: „Wenn das Gericht gegen uns entscheidet, werden wir Uber-Fahrer töten“, sagt Murat Aslan, der betont, dass er selbst 15 Jahre für seine Taxilizenz gespart habe.

Eyup Aksu, Chef der Kammer der Taxi-Zentralen von Istanbul, erklärt, dass Premierminister Binali Yilderim ihm persönlich versichert habe, dass Uber gegen das Gesetz verstoße. Auf Anfrage will die Regierung sich allerdings nicht äußern.

Für Uber-Fahrer wie Nejat Erkan Erdogan sind die Signale alarmierend. Innerhalb seines ersten Monats als Uber-Fahrer sei er drei Mal attackiert worden, erzählt der 54-Jährige. „Mittlerweile muss ich einige Fahrgäste stehen lassen, wenn ich am Straßenrand wütende Taxifahrer sehe“, sagt er.

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