Björn Gulden mit zwei Vorstandsaufgaben „Ich bin für all das verantwortlich, was der Konsument von Adidas sieht“

Jetzt mit Zweitjob: Adidas-CEO Björn Gulden. Quelle: REUTERS

Der neue Adidas-Chef Björn Gulden muss den Sportartikelkonzern aus diversen Krisen befreien. Dafür baut er den Vorstand um – und gibt sich selbst eine zweite Aufgabe. Was unterscheidet ihn von seinem Vorgänger?

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Bei seinem ersten großen Auftritt als neuer Adidas-Chef, auf der Bilanz-Pressekonferenz, kam Björn Gulden naturgemäß auf Puma zu sprechen, seinen alten Arbeitgeber. Bei Puma führte Gulden mehr als neun Jahre lang die Geschäfte, bis er zu Jahresbeginn beim etwa dreimal größeren Rivalen Adidas den Vorstandsvorsitz übernahm. Er sei bei Puma immer „neidisch“ gewesen auf das Portfolio etwa der Fußballklubs, die Adidas ausstattet, darunter FC Bayern München, Real Madrid, Manchester United. Und als Adidas 2022 eine erfolgreiche, limitierte Design-Kooperation mit der italienischen Luxusmarke Gucci veröffentlichte, habe es ihn gar „wütend“ gemacht. Denn Gucci gehört zum Puma-Investor Kering. Nun sei er „sehr stolz“, bei Adidas zu sein: „Hier zu arbeiten ist wie im Himmel.“

Dabei ist die Lage bei Adidas derzeit wenig himmlisch. Die wichtigsten Kennzahlen für 2022 hatte der Konzern bereits im Februar veröffentlicht. Sie jetzt auf der Bilanz-Pressekonferenz wiederholen und erklären zu müssen, war für Gulden trotzdem nicht angenehm: Der Adidas-Jahresumsatz ist lediglich um ein Prozent auf 22,5 Milliarden Euro gewachsen. Der Gewinn ging um dramatische 83 Prozent zurück auf 254 Millionen Euro. Und der Ausblick ist sehr ernüchternd: Für 2023 prognostiziert Gulden einen Umsatzrückgang im „hohen einstelligen Prozentbereich“ und im schlechtesten Fall einen Verlust von bis zu 700 Millionen Euro.

Vor allem die Krise in China, die wegfallenden Umsätze mit der Marke Yeezy sowie das margenträchtige, eingestellte Russlandgeschäft bereiten Adidas die größten Probleme. „Wenn die Ergebnisse nicht stimmen, verschlechtert sich auch die Atmosphäre, das ist normal“, sagte Gulden. Das Unternehmen habe nicht „so performt, wie wir uns das gewünscht hätten“. Aber Adidas habe nach wie vor „alle Ingredienzen für den Erfolg“. Diesen herzustellen, sei „auch seine Aufgabe“. Wie zur Demonstration, dass er es ernst meint, vollzog Gulden am selben Tag einen Vorstandsumbau, bei dem er sich selbst neben dem Vorstandsvorsitz noch eine zweite Aufgabe gibt.

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Wie Adidas am Mittwochmorgen mitteilte, wird künftig Gulden die Aufgaben von Brian Grevy übernehmen: ein Vorstandsbereich namens Global Brands. Grey, der erst Anfang 2020 in den Adidas-Vorstand gekommen war, verlässt den Konzern Ende März. Zudem scheidet Vertriebsvorstand Roland Auschel aus dem Unternehmen aus. Er wird ersetzt durch Arthur Hoeld, der seit 25 Jahren bei Adidas arbeitet und seit 2018 die Region EMEA (Europa, Naher Osten, Afrika) verantwortet. Den Vertrag von Finanzchef Harm Ohlmeyer verlängerte Adidas um weitere drei Jahre bis Anfang 2028. Der Adidas-Vorstand verkleinert sich somit auf fünf Personen. Gut für Grevy und Auschel: Der Adidas-Aufsichtsrat hatte die Arbeitspapiere der beiden erst im Februar 2022 verlängert.

Roland Auschel, ehemaliges Vorstandsmitglied, bei der Präsentation der Adidas Strategie 2025 im Jahr 2021. Quelle: imago images

Vor allem Guldens eigener Zweitjob ist in diesem Umbau ein deutliches Signal: Die Markenführung ist Chefsache. Denn der Vorstandsbereich Global Brands bedeutet die operative Verantwortung für neun Geschäftseinheiten, darunter Fußball, Basketball, Laufsport, Outdoor und auch das Design sowie das Marketing. „Ich bin im Prinzip für all das verantwortlich, was der Konsument von Adidas sieht“, erklärte Gulden im Anschluss an die Konferenz. Warum der Wechsel? „Ich war bei Puma mehr als acht Jahre für all dies verantwortlich. Es ist sehr schwierig für mich, ein CEO zu sein, der keine Kontrolle hat über die Marke. Das wäre wie ein armer Junge, der in der Mitte sitzt und zuschauen muss.“

Gulden will aktiver die Marke kontrollieren, auch deren Designs und Präsentation. Es sei „sehr schwierig“, zwischen dem Vorstandschef und den einzelnen Geschäftseinheiten noch jemanden zu haben, der vor jeder Entscheidung zum CEO rennen müsste, erklärte Gulden hinterher. „Vor allem, wenn es ein CEO ist, der aus dem Bereich kommt.“ Die Entscheidung, selbst die Verantwortung für den Bereich Global Brands zu übernehmen, sei daher eine „praktische Entscheidung“, die den Verantwortlichen der einzelnen Adidas-Geschäftseinheiten schlichtweg schnelle Entscheidungen ermögliche. „Es geht um Geschwindigkeit.“

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Damit offenbart Gulden eine weitere Differenzierung zu seinem Vorgänger Kasper Rorsted. Der Däne, im vergangenen November nach rund sechs Jahren vorzeitig als Adidas-Vorstandschef ausgeschieden, hatte sich etwa aus Design-Fragen eher herausgehalten. Zudem erzählt man sich im Umfeld des Konzerns von seiner Vorliebe für Strukturen, was mitunter bedeutete, dass er neue Ebenen eingezogen habe. Gulden will das offenbar ändern. Bei Puma soll er dafür bekannt und berüchtigt gewesen sein, den kurzen Draht zu den Puma-Athleten zu schätzen. So habe er an Samstagen des Öfteren bei von Puma ausgerüsteten Profisportlern direkt angerufen, um sich zu erkundigen, wie denn die neuen Schuhe so seien. Das ist vermutlich nicht protokollgemäß. Es wird spannend, zu beobachten, wie Gulden seine Art der direkteren Kommunikation bei Adidas durchziehen wird; schließlich arbeiten bei seinem neuen Arbeitgeber rund 60.000 Frauen und Männer – bei Puma sind es 16.000.

Zu seinem Vorgänger äußerte sich Gulden bloß indirekt. Es sei eher schwierig, mitten in der Pandemie eine mehrjährige Strategie aufzusetzen, wo doch noch niemand in der Welt je in einer solchen Situation gewesen ist. „Speed und Agilität sind da gefragt. Flexibilität ist der Schlüssel“, sagte Gulden. Rorsted hatte im März 2021 die 4-Jahres-Strategie „own the game“ vorgestellt.

Noch keine Lösung für das Yeezy-Problem

Eine seiner schwierigsten Aufgaben für den neuen Adidas-Chef dürfte der Fall Yeezy sein. Nachdem Adidas Ende Oktober die Zusammenarbeit mit dem Rapper Ye wegen dessen antisemitischer Äußerungen abrupt beendet hatte, steht der Konzern nicht nur vor finanziellen Problemen. Falls Adidas all die produzierten Yeezy-Produkte nicht verkaufen sollte, rechnet der Konzern fürs laufende Jahr mit einem Verlust von 500 Millionen Euro. Falls. Vor allem muss Gulden nun entscheiden, was Adidas mit den Schuhen anstellen soll. Viele Leute da draußen, sagte Gulden, hätten viele gute Ratschläge und Ideen. Aber: „Es ist sehr komplex.“

Als Beispiel nannte er die theoretische Möglichkeit, die Schuhe zu spenden, etwa an die tausenden Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien. Doch das sei „keine Option“, erklärte Gulden. Denn: Die Yeezy-Schuhe hätten ja einen weitaus höheren Wert als nur den rein materiellen Wert oder den Wert des Einkaufspreises. In der Tat sind Yeezy-Schuhe gehypte, begehrte Produkte, für die Leute bereit sind, viel Geld zu bezahlen. Mit Wiederverkaufsplattformen wie Stockx oder Hypeneedz hat sich ein eigener Markt um solche limitierten Modeartikel entwickelt. Gulden und sein Team sehen die Gefahr, dass die Yeezy-Schuhe nach kurzer Zeit verkauft und gehandelt würden, eben weil es sich finanziell lohnt. Oder wie Gulden es mit Blick auf Türkei und Syrien sagt: „Sie würden sehr schnell zurückkommen.“ Wahrscheinlicher könnte sein, die Schuhe zu verkaufen und die Einnahmen zu spenden. Das sei „eine der Optionen“, sagte Gulden: „Wir verhandeln derzeit nicht mit jemanden, aber betrachten das aus verschiedenen Sichtwinkeln.“ Allerdings müsste Adidas in diesem Fall einen Teil der Einnahmen an den Rapper Ye zahlen: Obwohl der Vertrag mit ihm beendet wurde, hat er Anspruch auf seine Provision.

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Wie stark Guldens Verbundenheit mit dem kleineren Wettbewerber war, wurde an diesem Tag auch unfreiwillig deutlich. Als es um die Anzahl der Adidas-Geschäfte in China geht, spricht Gulden von „all den Puma-Produkten“. Später, bei einer Frage zur Deutschen Fußballliga, verweist Gulden auf seinen Finanzchef Ohlmeyer mit der Begründung: Er sei im Aufsichtsrat vom „BVB“. Oh! Großes Gelächter, schnelle Korrektur: nein, nein, Werder Bremen! Gulden selbst war jahrelang Aufsichtsratsmitglied des BVB, weil Puma den Verein ausrüstet und auch Anteilseigner ist.

Am Abend nach der Pressekonferenz aber wird Gulden zu einem anderen Verein halten: Zusammen mit anderen Adidas-Mitarbeitern besucht er das Champions-League-Spiel des FC Bayern München gegen Paris St. Germain. Hoffentlich, sagte Gulden, zeige sich der Adidas-Vorzeigekicker Lionel Messi an diesem Abend nicht von seiner besten Seite.

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