Chinesische Unternehmen wie Ihr neuer Kooperationspartner Alibaba Health profitieren davon, dass in China Daten in einem Umfang gesammelt werden können, wie es in Deutschland nie erlaubt wäre. Angela Merkel hat sich bei ihrer letzten China-Reise so ein Start-up aus der Gesundheitsbranche angesehen und ist da eher rückwärts wieder rausgegangen. Wie sehen Sie das?
Das bezieht sich wohl eher auf dem Bereich der gesellschaftlichen Überwachung. Das ist ein Bereich mit dem wir nichts direkt zu tun haben und auch nicht wollen. Im Gesundheitsbereich gibt es in Deutschland, der EU und in den USA sehr klare Vorschriften und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich China anders entwickeln wird. Patientendaten müssen einerseits geschützt werden. Andererseits müssen sie genutzt werden können. Denn wir können unglaublich viel erreichen an medizinischen Fortschritt, wenn wir das klug machen.
Sie sind gerade eine Kooperation mit der Shanghaier Tongji-Universität eingegangen, so dass diese auf ihre Datenbank für die Präzision-Genom-Editierung zugreifen darf.
Präzision-Genom-Editierung erlaubt eine Art Ingenieursansatz in der Biologie. Man kann das Genom wirklich wie geplant beeinflussen. Das birgt einerseits ganz große Möglichkeiten. Diese liegen in der Grundlagenforschung, um Krankheiten besser zu verstehen. Es gibt aber auch Gefahren, weil man mit solchen Technologien an die Menschenoptimierung herangehen kann. Wir haben vor kurzem erst in einem wichtigen wirtschaftlichen Journal einen Artikel veröffentlicht, in dem unser Ethikbeirat definiert hat, was wir tun und was wir nicht tun.
In China gibt es viele Firmen, die in diesem Bereich Forschung betreiben. Die ethisch-moralischen Fragen bleiben dabei häufig auf der Strecke. Der Präsident des Shenzhener Genom-Instituts hat jüngst erklärt, er dulde nicht, dass seine Mitarbeiter behinderte Kinder zur Welt bringen würden, weil das eine „Schande“ für die Firma sei. Mitarbeiter werden gezwungen, sich auf mögliche Erbkrankheiten testen zu lassen. Eine Kooperation mit einer chinesischen Universität könnte problematisch gesehen werden.
Bei der Kooperation geht es um Grundlagenforschung. Das sehe ich als unproblematisch an. Wir sind oft in der Situation, dass die Technologien, die wir entwickeln und dann verkaufen, einen so genannten „dual purpose“ haben. Wir sind zum Beispiel ein großer Hersteller von Biotechnologieanlagen. Mit diesen kann ich Krebsmittel herstellen. Aber ich kann auch biologische Kampfstoffe herstellen. Da müssen wir aufpassen, dass wir unsere Kunden genaustens analysieren. Hundertprozentig können wir das nicht machen. Da gibt es immer wieder kleinere Probleme. Aber wir erwarten, dass unsere Kunden im Genom-Editierungsbereich unseren Ethikkanon unterschreiben.
In der EU und Deutschland gibt es Ethikräte und es entstehen ethische Werte durch die Zivilgesellschaft. In China werden solche ethische Standards durch die chinesische Regierung vorgeben. Setzen Sie sich damit auseinander, wie ethische Grundsätze dort entstehen und genutzt werden?
Wir haben bioethische Beratungsgremien, mit denen wir uns gemeinsam Trends anschauen und diskutieren. In der Arzneimittelforschung sehe ich dieses Problem in China nicht. Die Standards für die Ethikkommissionen sind international festgelegt. Da geht es um den Schutz der Patienten. Zum Beispiel die Frage, wie man bei psychisch Kranken Forschung betreiben kann. Wie kann dieser mitentscheiden, ob eine neue Therapie an ihm getestet werden darf. Das sind ganz praktisch Fragen. Da hat China durch den Beitritt in den International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH) auch die gleichen Standards unterschrieben, wie wir sie in den USA und der EU haben.
Ihre Antwort impliziert aber auch, dass Sie in anderen Bereichen Probleme sehen.
Es gibt eine große gesellschaftliche Diskussion, ob ethische Ansätze absolut oder relativ sind. Sind sie kulturell oder politisch bedingt. Da wundert es mich manchmal, was Bekannte so sagen. Egal, ob sie links sind oder konservativ eingestellt. Ich persönlich glaube, dass ethische Standards absolut sind und dass Menschenrechte für alle Menschen auf der Welt gleich gelten sollen. China hat in vielen Bereichen andere Ansätze als wir. Aber den Chinesen lebensrettende Arzneimittel vorzuenthalten, hilft da auch nicht.