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Ist Amazon-Chef Jeff Bezos noch zu stoppen? Quelle: AP

Ist Jeff Bezos noch zu stoppen?

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Im deutschen E-Commerce beherrscht Amazon neuerdings fast 50 Prozent des Marktes. Tendenz stark steigend. Die Kartellhüter schlafen hoffentlich unruhig.

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Gerade regen sich alle nur über Donald Trump oder Mesut Özil auf. Der eine spuckt mit der Aufkündigung des Atomabkommens mit Iran auf die transatlantische Freundschaft. Der andere posiert mit dem türkischen Autokraten Erdoğan und beschert dessen Propagandaabteilung einen Steilpass. Dabei gäbe es in dieser Woche noch einen dritten Mann, der eine Aufregung wert wäre – auch wenn das auf den ersten Blick ganz anders rüberkommt.

Kaum einer wirkt in der Öffentlichkeit harmloser als Amazon-Chef Jeff Bezos. Der reichste Mann der Welt liebt es, Anekdoten aus einer Kindheit zu erzählen, so wie kürzlich bei einer Preisverleihung in Berlin. Meistens handeln sie von seinem schlauen Großvater und dessen Ranch. Eine von Opas Weisheiten erhielt der junge Bezos während einer Autofahrt verabreicht. Im Radio lief eine Anti-Raucher-Werbung. Darin wurde vorgerechnet, wie viele Lebensminuten eine Zigarette kostet. Als Bezos auf der Rückbank ausgerechnet hatte, wie wenig Zeit seiner rauchenden Oma wohl noch blieb, brach diese in Tränen aus. „Du wirst eines Tages verstehen“, meinte daraufhin sein Großvater, „ es ist schwieriger, freundlich zu sein als clever.“

Deutsche Einzelhändler bezweifeln, dass Bezos seine Lektion in der Zwischenzeit gelernt hat. Wenn sie sehen, wie viel Lebenszeit Amazon sie kosten dürfte, können sie nur noch heulen. Laut jüngster Statistik des Handelsverbandes HDE beherrscht Amazon den deutschen E-Commerce bereits mit einem Marktanteil von 46 Prozent. Für alle anderen Händler bleibt also nur noch gut die Hälfte des 48,9-Milliarden-Euro-Marktes übrig – Tendenz stark sinkend.

Die wachsende Marktmacht von Bezos’ Imperium ist den Kunden bislang völlig egal. Im Gegenteil. Schön regelmäßig wählen sie den US-Giganten zum besten Onlinehändler. Freiwillig züchten sie sich mit ihrem Konsumverhalten einen Monopolisten heran, der irgendwann mal nicht mehr so freundlich sein wird – und seine Machtstellung brutal ausnutzt.

Das beste Mittel gegen ein drohendes Monopol ist frische Konkurrenz. So baut etwa Media Markt derzeit zusammen mit einem französischen Partner eine neue Einkaufsallianz auf, um gegen Amazon bestehen zu können. Andere Firmen versuchen sich mit einzigartigen Geschäftsmodellen zu verteidigen. Teils sogar ziemlich erfolgreich.
Doch reicht das, um nicht von Amazon überrollt zu werden? Schätzungsweise nicht. Damit kommt das zweitbeste Mittel gegen Monopole ins Spiel. Wo es keinen Wettbewerb gibt, muss einer dafür sorgen. Und das sind die Kartellwächter. „Die digitale Welt wird im Wettbewerbsrecht möglicherweise unkonventionelle Antworten erfordern“, sagte Andreas Mundt, Chef des Bundeskartellamtes, letztes Jahr der „FAZ“. Es gebe Überlegungen, bereits eine „wettbewerbsbedrohende Monopolisierung“ zu regulieren oder gar zu verbieten. Angesichts der jüngsten Entwicklung müssen diese Ideen wohl schneller konkretisiert werden. Bezos’ Großvater kann nicht mehr helfen.

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