Karl-Erivan Haub Tengelmann-Chef rechnet mit weiteren Pleiten

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Zu spät auf Euro-Krise reagiert


Wenn Sie so überzeugt vom Online-Geschäft sind, warum wollen Sie Ihre Discountmarke Plus wiederbeleben und neue Plus-Filialen in Russland eröffnen?

Wären wir eine börsennotierte Gesellschaft, würden mich die Analysten dafür abstrafen. Klar, der russische Markt ist ein Abenteuer. Aber wir sehen dort enormes Potenzial und trauen uns das zu. Wir sind seit acht Jahren mit Obi in Russland. Die Schwäche des Landes ist die mangelhafte Infrastruktur, das gilt auch für die Nahversorgung mit Lebensmitteln. Es gibt große SB-Warenhäuser am Stadtrand und riesige Shoppingcenter in den Innenstädten, aber in den Wohngebieten wenige Lebensmittelläden. Da wollen wir rein.

Es gibt bei den Verbrauchern einen Gewöhnungseffekt. Die Konsumneigung hängt in Deutschland stark von der Beschäftigungsquote ab, die im Laufe dieses Jahres weiter gestiegen ist. Das ist gut für uns. Jetzt ist womöglich der Punkt gekommen, an dem die Situation kippt und die Arbeitslosenzahl wieder nach oben geht. Aber die Auswirkungen werden – wenn überhaupt – erst 2013 zu spüren sein.

Es ist ein wenig wie hiermit (hält seine verbundene Hand hoch): Ich hatte zu Hause einen kleinen Unfall. Eigentlich hätte ein Arzt die Wunde wohl sofort nähen müssen, aber wie das so ist, unterschätzt man die Lage und versucht, sich durchzuwurschteln. Ähnlich ist es mit der Euro-Krise. Es wurde viel zu spät reagiert, und statt eines chirurgischen Eingriffs haben es Politik und Notenbank mit einem großen Pflaster versucht. Jetzt hoffen alle, dass das Pflaster auch hält und die Wunde heilt.

Wie sind die Genesungschancen?

Es hat einige Fortschritte gegeben. In Spanien, Italien und anderen Ländern wurden Reformen angeschoben. Ob das reicht, muss sich zeigen. Mit der EU ist es wie mit einem Unternehmen: Ohne einen Finanzchef und hartes Controlling droht auf Dauer der Ruin. Wir werden um diese bittere Wahrheit nicht herumkommen und die Institutionen verändern müssen.

Erwarten Sie einen Konjunktureinbruch?

Ich rechne 2013 nicht mit einer Rezession in Deutschland, eher mit einer schwarzen Null. Die Renten werden erhöht, zugleich die Arbeitnehmer beim Rentenbeitrag etwas entlastet, das sollte den Konsum stützen und einen leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit ausgleichen. Leider steigen die Energiekosten. Wenn es die Umlage für erneuerbare Energien (EEG) nicht gäbe, hätten die Konsumenten mehr in der Tasche. Zudem belastet uns als Unternehmer die Umlage enorm.

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